Wie es geht von Emanuel Geibel
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Sie redeten ihr zu: Er liebt dich nicht, |
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Er spielt mit dir - da neigte sie das Haupt, |
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Und Tränen perlten ihr vom Angesicht |
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Wie Tau von Rosen; o, daß sie's geglaubt! |
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Denn ls er kam und zweifelnd fand die Braut, |
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Ward er voll Trotz; nicht trübe wollt' er scheinen, |
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Er sang und spielte, trank und lachte laut, |
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Um dann die Nacht hindurch zu weinen. |
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Wohl pocht' ein guter Engel an ihr Herz: |
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?Er ist doch treu, gib ihm die Hand, o gib!" |
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Wohl fühlt' auch er durch Bitterkeit und Schmerz: |
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?Sie liebt dich doch, sie ist ja doch dein Lieb. |
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Ein freundlich Wort nur sprich, ein Wort vernimm, |
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So ist der Zauber, der euch trennt, gebrochen." |
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Sie gingen - sahn sich - o, der Stolz ist schlimm |
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Das eine Wort blieb ungesprochen. |
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Da schieden sie. Und wie im Münsterchor |
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Verglimmt der Altarlampe roter Glanz |
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Erst wird er matt, dann flackert er empor |
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Noch einmal hell, und dann verlischt er ganz |
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Dann heiß zurückersehnt, und dann - vergessen, |
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Bis sie zuletzt, es sei ein Wahn, gemeint, |
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Daß sie sich je dereinst besessen. |
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Nur manchmal fuhren sie im Mondenlicht |
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Vom Kissen auf - von Tränen war es naß, |
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Und naß von Tränen war noch ihr Gesicht; |
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Geträumet hatten sie - ich weiß nicht was. |
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Dann dachten sie der alten schönen Zeit |
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Und an ihr nichtig Zweifeln, an ihr Scheiden, |
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Und wie sie nun so weit, so ewig weit. |
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O Gott, vergib, vergib den Beiden! |
Details zum Gedicht „Wie es geht“
Emanuel Geibel
4
31
243
1815 - 1884
Klassik,
Romantik,
Biedermeier
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Wie es geht“ stammt von Emanuel Geibel, einem deutschen Lyriker der Epoche des Biedermeier und der Spätromantik, der von 1815 bis 1884 lebte.
Beim ersten Lesen des Gedichts hinterlässt es einen melancholischen und etwas traurigen Eindruck. Es behandelt die universellen Themen Liebe, Missverständnisse und Stolz, die zu tragischen Konsequenzen führen.
Im Inhalt beschreibt das lyrische Ich die Geschichte einer von Stolz und Zweifeln geprägten Liebesbeziehung. Im ersten Teil des Gedichts glaubt die Frau, dass ihr Liebster sie nicht aufrichtig liebt, nachdem andere Leute ihr dies eingeredet haben. Dies führt dazu, dass sie sich zurückzieht, woraufhin der Mann, obwohl er das Gegenteil fühlt, eine Äußerung von Fröhlichkeit vorspielt, um seine wahren Gefühle zu verbergen. In der zweiten Strophe spricht ein „guter Engel“ jeweils zu den Liebenden und versucht, die Kluft zwischen ihnen zu überbrücken, scheitert jedoch am Stolz, der ein klärendes Wort verhindert. Danach trennen sich die beiden und ihre Liebe erlischt stufenweise, ähnlich wie eine Altarlampe in einem Münster, bis sie sich ihrer früheren Liebe nicht einmal mehr sicher sind. In der letzten Strophe erinnern sie sich in Träumen voller Bedauern an ihre gemeinsame vergangene Zeit und das „nichtig[e] Zweifeln“ und Scheiden, sind jedoch für immer voneinander getrennt.
Die Form des Gedichts ist, obwohl nicht in dem traditionellen Schema, streng strukturiert mit vier Strophen, die zwischen sieben und acht Verse haben. Die Sprache ist bildreich und verwendet viele bildhafte Beschreibungen, insbesondere Naturmetaphern, was für die romantische Literatur typisch ist. Die Fehlkommunikation zwischen den Liebenden wird durch den Gebrauch von direkter Rede verdeutlicht. Auch Elemente der Antithese, beispielsweise zwischen Fröhlichkeit und Traurigkeit oder dem guten Engel und dem Stolz, werden häufig verwendet.
Das Gedicht illustriert in einer metaphorreichen Sprache die verheerenden Folgen von Stolz und Missverständnissen in einer Liebesbeziehung und regt den Leser dazu an, die Rolle von Ehrlichkeit und Kommunikation in menschlichen Beziehungen zu überdenken. Auch wenn die Geschichte tragisch endet, kann aus ihr dennoch eine lehrreiche Botschaft gezogen werden.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Wie es geht“ ist Emanuel Geibel. 1815 wurde Geibel in Lübeck geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1831 bis 1884 entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus oder Naturalismus zuordnen. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das Gedicht besteht aus 31 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 243 Worte. Emanuel Geibel ist auch der Autor für Gedichte wie „Die beiden Engel“, „Zu spät“ und „Es brach schon manch ein starkes Herz“. Zum Autor des Gedichtes „Wie es geht“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 67 Gedichte vor.
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- Die beiden Engel
- Zu spät
- Es brach schon manch ein starkes Herz
- Nun die Schatten dunkeln
- Die stille Wasserrose
- Mahnung
- Liebesglück
- Herbstlich sonnige Tage
- An Georg Herwegh
- Mittagszauber
Zum Autor Emanuel Geibel sind auf abi-pur.de 67 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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