Kafka, Franz - Der plötzliche Spaziergang (Analyse)

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Franz Kafka, Analyse, Interpretation, Referat, Hausaufgabe, Kafka, Franz - Der plötzliche Spaziergang (Analyse)
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Referat

„Der plötzliche Spaziergang“ von Franz Kafka

Gliederung / Inhalt

Die Erzählung „Der plötzliche Spaziergang“

Der plötzliche Spaziergang

von Franz Kafka

Wenn man sich am Abend endgültig entschlossen zu haben scheint, zu Hause zu bleiben, den Hausrock angezogen hat, nach dem Nachtmahl beim beleuchteten Tische sitzt und jene Arbeit oder jenes Spiel vorgenommen hat, nach dessen Beendigung man gewohnheitsgemäß schlafen geht, wenn draußen ein unfreundliches Wetter ist, welches das Zuhausebleiben selbstverständlich macht, wenn man jetzt auch schon so lange bei Tisch stillgehalten hat, daß das Weggehen allgemeines Erstaunen hervorrufen müßte, wenn nun auch schon das Treppenhaus dunkel und das Haustor gesperrt ist, und wenn man nun trotz alledem in einem plötzlichen Unbehagen aufsteht, den Rock wechselt, sofort straßenmäßig angezogen erscheint, weggehen zu müssen erklärt, es nach kurzem Abschied auch tut, je nach der Schnelligkeit, mit der man die Wohnungstür zuschlägt, mehr oder weniger Ärger zu hinterlassen glaubt, wenn man sich auf der Gasse wiederfindet, mit Gliedern, die diese schon unerwartete Freiheit, die man ihnen verschafft hat, mit besonderer Beweglichkeit beantworten, wenn man durch diesen einen Entschluß alle Entschlußfähigkeit in sich gesammelt fühlt, wenn man mit größerer als der gewöhnlichen Bedeutung erkennt, daß man ja mehr Kraft als Bedürfnis hat, die schnellste Veränderung leicht zu bewirken und zu ertragen, und wenn man so die langen Gassen hinläuft, — dann ist man für diesen Abend gänzlich aus seiner Familie ausgetreten, die ins Wesenlose abschwenkt, während man selbst, ganz fest, schwarz vor Umrissenheit, hinten die Schenkel schlagend, sich zu seiner wahren Gestalt erhebt. Verstärkt wird alles noch, wenn man zu dieser späten Abendzeit einen Freund aufsucht, um nachzusehen, wie es ihm geht.

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Analyse

Die Erzählung „Der plötzliche Spaziergang“ von Franz Kafka (1883 - 1924) aus dem Jahr 1912 handelt von einer Betrachtung, sich dem Alltag zu entziehen und einen Spaziergang anzustreben. Dabei wird dieser Gedankengang von einer Person am Abend zu Tisch durchlaufen.

Der Text ist der Literaturepoche des Expressionismus (1905-1925) einzuordnen.

Es wird erzählt, wie man zuerst beschlossen hat, zu Hause zu bleiben. Dabei wird beschrieben, wie man bei schlechtem Wetter zusammensitzt und einer Aktivität nachgeht. Doch dann kommt die Überlegung des Spaziergangs ins Spiel. Es wird seine Familie verlassen und auf die Straße gegangen. Dort lebt man die Freiheit der Gasse aus. Nun wird die wahre Gestalt zum Vorschein gebracht. Zu Schluss kommt der Gedankengang, einen Freund zu besuchen.

Die ganze Erzählung wird in der „Man“- Perspektive erzählt und ähnelt einer Prosaskizze. Dies führt zu einer eher leserbezogenen Erzählweise und einer persönlichen Interpretation der Handlung während des Lesens. Auffallend ist, dass dieses Werk nur aus zwei Sätzen besteht. Der Erste verläuft bis zur Zeile 25, wobei dieser Hypotaktisch gebaut ist, welches sehr Stilistisch für Kafka ist. Dazu beginnt dieser mit einem "Wenn" (Z. 1). Darauf folgen acht weitere Konditionalhalbsätze mit „wenn“ (Z. 5, 7, 9, 10, 15, 18, 19, 22), welche wie eine Aufzählung einzelner Schritte klingen. Dazu kommen einige Epiphern mit „hat“ (Z. 2, 4, 7, 17). Dies führt zu einer immer weiteren Aufzählung irrelevanter Details der Gefühle. Auch stilistisch für Kafka ist der Bindestrich in Zeile 23, welcher einen neuen Abschnitt einleitet, welcher zurückblickend auf die Familie noch einmal die wesentlichen Vorteile des Spazierganges zusammenfasst. Der zweite Satz von Zeile 27 bis zum Ende ist wieder hypotaktischer Art und gleicht einem Hyperbaton.

Weitere seltsame Satzkonstellationen finden wir in Zeile 1 bis 2 und Zeile 12 bis 13. In Zeile 13 finden wir außerdem das eher umgangssprachliche Wort „tut“. Hier führe ich weitere stilistische Merkmale vor:

Es gibt einige Alliterationen wie: „endgültig entschlossen“(Z. 1), „nach dem Nachtmahl“ (Z. 1 f.), „beim beleuchten“ (Z. 2), „sofort straßenmäßig“ (Z. 11 f.), „besonderer Beweglichkeit beantworten“ (Z. 17 f.), „einen Entschluss aller Entschlussfähigkeiten"(Z. 18 f.), „Schenkel schlagend, sich“(Z. 25 f.). Diese führen zu einer bestimmten Klangfigur, welche einen Rhythmus in die Erzählung bringt.

Weiterhin gibt es einige Hyperbeln zum Beispiel: „endgültig entschlossen“ (Z. 1), „plötzlichen Unbehagen“ (Z. 11), „weggehen zu müssen“ (Z. 12), „kurzem Abschied“ (Z. 13), „besonderer Beweglichkeit“ (Z. 17), „mehr Kraft als Bedürfnis“ (Z. 20 f.), „schnellste Veränderung“ (Z. 21), „langen Gassen“ (Z. 22), „schwarz vor Umrissenheit“ (Z. 25), „späten Abendzeit“ (Z. 27). Diese bauen Spannung in der Kurzprosa auf und helfen die Situation zu dramatisieren.

Zudem gibt es auch einige Personifikationen: „schnellste Veränderung“ (Z. 21), „unfreundliches Wetter“ (Z. 6). Diese bringen Leben in die Geschichte.

Der Text besitzt keine wörtliche Rede, doch dieser ähnelt einem inneren Monolog des Protagonisten. Die Zeit in der diese Erzählung spielt, ist der Entstehungszeit gerecht, da damals nach der Nachtruhe die Haustüren von einem Hausmeister zu geschlossen wurden und man somit nicht ständig hinauskommt, zudem würden wir heute nicht mehr als Aktivität abends Spiele und Arbeit nennen, sondern eher Fernsehen und andere moderne Tätigkeiten aufzählen. Zudem können wir hier den veralteten Dativ erkennen, da dieser in „Tische“ (Z. 3) ein „e“ anhängt. Somit spielt dieser in der Vergangenheit. Der Ort und die Zeit, in der die Parabel geschrieben ist, beruht sich auf dem „Abend“ (Z. 1) und dem „zu Hause“ (Z. 2) des Protagonisten. Weitere Orte wie der „Tisch“ (Z. 6) und die „Gasse“ (Z. 15) kommen auch vor. Die Zeit beruht in der inneren Handlung auf einige Stunden, da hier vom „Abend“ (Z. 1) bis zum „späten Abend[…]“ (Z. 27) die Rede ist. Da auch die Haustür schon verschlossen ist, kann man die Zeit auf neun oder zehn Uhr abends bis etwas vor Mitternacht (vgl. Z. 10) schätzen. Die äußere Zeit bezieht sich nur auf den Gedankengang des Protagonisten und kann somit auf wenige Minuten eingegrenzt werden. Die erzählende Zeit wiederum beläuft sich auf ungefähr zwei bis drei Minuten, in der man die Erzählung lesen kann. Somit sind die erzählte Zeit und die erzählende Zeit ungefähr derselben Länge. Die inhaltliche Stimmung ist erst bedrückt und hoffnungslos, doch durch den Gedanken an die draußen liegende Freiheit, kommt Hoffnung in die Erzählung und die Stimmung heitert auf. Dies ist selten bei Kafka zu finden, da seine Werke meist des Lebens pessimistisch sind. Von Außen gesehen ist die überwiegende Stimmung eher des Lebens pessimistisch, obwohl ab einem gewissen Wendepunkt Hoffnungsaspekte sichtbar werden, aber das Ganze nur ein Gedankenspiel des Autors ist.

Das Thema ist Ausbrechen und Selbstfindung. Kafka wollte mit dieser Erzählung seine Gefühle verarbeiten und sein Scheitern verstehen, um es zu rechtfertigen. Zudem möchte er dazu anregen, nicht nur von etwas zu träumen, sondern sich auch trauen, dies zu machen oder es zumindest zu versuchen. Denn wenn man nur davon schwärmt, kommt man seinem Ziel nicht näher.

Die Überschrift „Der plötzliche Spaziergang“ entspricht dem Gedanken des Protagonisten, welcher plötzlich in ihm aufkommt, als er „bei[…] Tische“ (Z. 3) sitzt. Der Spaziergang wird zur Sehnsucht und verkörpert das Bedürfnis der Selbstverwirklichung und des Sozialen. Außerdem steht die Überschrift für das Thema und den Inhalt. Dazu lässt sie die Frage aufkommen, ob der Protagonist nun wirklich diesen Weg angegangen ist und es geschafft hat.

Den Text kann man in vier Absetze einteilen. Der Erste verläuft von Zeile 1 bis Zeile 15. Dort wird beschrieben, welche Widrigkeiten es zu überwinden gibt. Dazu ist dies eine Aufzählung von Gründen, nicht hinauszugehen. Zudem findet man einige Motive in diesem Abschnitt, auf welche ich im Weiteren eingehe.

Gleich zu Beginn finden wir das Motiv der Zeit mit dem „Abend“ (Z. 1) und „Lange bei Tisch“ (Z. 7), dies gibt nicht nur die Zeit, in der die Erzählung spielt an, sondern ist auch sehr entscheidend für die Situation, da abends nach neun Uhr im Winter oder zehn Uhr im Sommer, draußen sein nicht sehr angebracht war, da man dann dort von Gesindel sprach. Ein weiteres Motiv ist das Motiv des Ortes, „zu Hause“ (Z. 2) und „beim […] Tische“ (Z. 3), diese beschreiben nicht nur den Ort der Handlung, sondern auch die Gefühle, die man mit diesem Ort verbindet. Ein Zuhause ist eigentlich ein Ort, an dem man sich wohlfühlt und den man nicht unbedingt verlassen will. Somit steht dieses „zu Hause“ (Z. 2) als Kontrast zu dem Verständnis, was wir mit Zuhause verbinden. Nun am Ende ist es offensichtlich das Motiv des Hindernisses zu finden. Das gesperrte „Haustor“ (Z. 10), das unfreundliche „Wetter“ (Z. 6) der „Ärger“ (Z. 15) der Familie und der „Hausrock“ (Z. 2), stehen dem Protagonisten als Hindernis bevor und es gilt diese Hindernisse zu überwinden.

Jetzt kommen wir zum zweiten Abschnitt, von Zeile 15 bis Zeile 22. Dort schwärmt der Protagonist von der „Freiheit“ (Z. 16) und „Beweglichkeit“ (Z. 17) auf der „Gasse“ (Z. 15), welche draußen auf ihn wartet. Hier finden wir wieder das Motiv des Ortes, die „Gasse“ (Z. 15) welche in Kontrast zum Haus steht. Außerdem finden wir das Motiv der Weite, welches mit der „Gasse“ in Verbindung steht, in Zeile 15. Diese ist auch ein Kontrast zur Enge im Haus und somit gibt es noch das Motiv der Enge, welche mit dem „zu Hause“ (Z. 2) verbunden ist. Darauf folgt das Motiv der Hoffnung und der Freiheit. Mit dem Betreten der „Gasse“ (Z. 15) wird die Hoffnung erweckt, dass der Ausbruch aus dem Haus wirklich möglich ist. Die Freiheit wird nun in vieler Art und Weise ausgedrückt. Wir finden sie in „Freiheit“ (Z. 16), Beweglichkeit (Z.17) und der „Kraft“ (Z. 20).

Zunächst verläuft ein weiterer Abschnitt von Zeile 23 bis Zeile 26. Dort wird die Selbstfindung des Protagonisten beschrieben. Das Lösen von der Familie und das darauffolgende Erscheinen des wahren Ichs. Wir finden hier die Motive der Freiheit wieder, im Kontrast zur „Familie“ (Z. 23), welche für den Zwang steht, die „wahre Gestalt“ (Z. 26).

Zuletzt gibt es den etwas anderen Abschnitt von Zeile 27 bis zum Ende der Erzählung. Dort kommt ein neuer Gedanke auf, einen „Freund“ (Z.28) zu besuchen. Dieser Abschnitt steht für etwas Neues und einen Neuanfang, da dieser wie ein Schnitt zum vorherigen ist. Hier ist das Motiv der Zeit wiederzufinden mit „Abendzeit“ (Z. 27). Außerdem finden wir hier das Motiv des Sozialen, der „Freund“ (Z. 28).

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