Kafka, Franz - Der Prozess (Interpretation 5. Kapitel Der Prügler )

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Referat

Franz Kafka: „Der Prozess“ – Interpretation und Analyse

Das „Kafkaeske“ - ein Begriff aus dem Englischen, der den einzigartigen und fast befremdlichen Schreibstil Franz Kafkas beschreiben soll. Das Werk Kafkas ist ein Phänomen der deutschen klassischen Literatur, seine Schriften erscheinen sehr rätselhaft und auf den ersten Blick undurchschaubar, was den Leser in ein gewisses Ohnmachtsgefühl versetzt. Dieses Empfinden beim Leser bekommt man in vielen seiner Werke, wie zum Beispiel in „Die Verwandlung“, „Das Urteil“ oder „Ein Hungerkünstler“.

„Der Prozess“ – Interpretation 5. Kapitel / Analyse der Szene „Der Prügler“

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das fünfte Kapitel namens „Der Prügler“ aus dem Romanfragment „Der Prozess“, das 1925 nach Kafkas Tod von Max Brod veröffentlicht wurde. Dabei geht es darum, wie der Protagonist Karl eines Tages entdeckt, dass seine Wächter in einer Rumpelkammer in der Bank verprügelt werden.

Meine Deutungshypothese ist, dass hier ein innerer psychischer Prozess dargestellt wird, insbesondere wird dabei das Gewissen und die Verarbeitung der Schuld thematisiert. Das fünfte Kapitel des Romans beginnt damit, dass der Protagonist K. die Tür einer Rumpelkammer öffnet, weil er ein Seufzen daraus hört. Diese Kammer befindet sich in der Bank, was seine Arbeitsstelle ist. Es stellt sich heraus, dass die Männer die sich dort befinden, die Wächter Franz und Wilhelm sind. Diese werden von einem sogenannten Prügler bestraft. Die beiden Wächter versuchen Mitleid bei K. zu erregen in dem sie ihre tragischen Umstände schildern.

Als der Hauptcharakter sieht wie viel Leid Ihnen zugefügt wird, bekommt er den Wunsch, die beiden zu befreien. Er versucht den Prügler mit Geld zu bestechen, was scheitert. Anschließend bittet Franz um seine alleinige Befreiung und erklärt, dass seine Braut auf ihn warte und er sich schäme.

Schließlich ertönt ein lauter, unmenschlicher Schrei von Franz, wodurch K erschrickt und ihm einen Tritt versetzt. Daraufhin schlägt er die Tür schnell zu und tut vor den anderen Mitarbeitern so als wäre das alles nicht passiert. Für die Schreie macht er den Hund auf dem Hof verantwortlich. Dieses Ereignis beschäftigt ihn, und als er nach der Arbeit nach Hause gehen möchte, findet er die Rumpelkammer wieder so vor, wie er sie verlassen hat. Die Handlung spielt im ganzen Kapitel an einem Ort: in der Rumpelkammer, die sich auf der alltäglichen Arbeit des Prokuristen K. befindet. Außerdem herrscht fast ausschließlich eine Zeitdeckung. Diese wird durch die Parenthesen und die detaillierten Beschreibungen der Umgebung durch Häufung von Adjektiven und Adverbien und die Verwendung von wörtlicher Rede erreicht. Die Einheit von Zeit und Ort nach dem aristotelischen Drama wird somit größtenteils erfüllt.

In diesem Werk ist ein neutraler Erzähler zu finden. Der Leser weiß zu keinem Zeitpunkt mehr als der Protagonist K., der Leser bekommt jedoch ein Einblick in K.s Gedanken und Gefühlswelt, indem seine Gedanken durch Einschübe geschildert werden, zum Beispiel „dann aber fasst ihn eine derart unstillbare Neugierde“. Der Schreibstil ist eher sachlich und nüchtern, was vermutlich durch Kafkas juristische Tätigkeit bei der Arbeiter-Unfallversicherung beeinflusst wurde. Diese kühle und äußerlich eher traditionelle Schale kontrastiert stark mit dem fantastischen und albtraumhaften Inhalt. Durch die vielfache Verwendung von Symbolik werden viele Lehrstellen gelassen, dies kreiert eine Spannung. Auch die sprachlichen Mittel die Kafka verwendet unterstützen die Hypothese. Auffällig ist die recht häufige Verwendung des Konjunktivs. Diese kafkaeske Darstellung der Alptraum Welt wird in einigen Stellen auch ironisch, da solche skurrilen Szenen so nüchtern und distanziert beschrieben werden und überhaupt nicht in die Arbeitswelt der Bank zu passen scheinen. Im Text verwendet Kafka ein hypotaktischen und parataktischen Satzbau.

Der Protagonist K ist Prokurist einer Bank und nimmt dort eine recht hohe Position ein. Er ist sehr mit seiner Karriere beschäftigt, was in Zeile zwei deutlich wird. Er ging diesmal fast als der letzte nach Hause. K verbringt so viel Zeit bei der Arbeit, da scheint es sehr paradox, dass er scheinbar nicht mit den Räumlichkeiten dort vertraut ist und die besagte Rumpelkammer angeblich nie gesehen hat zusätzlich erkennt er die Wächter Franz und Wilhelm zuerst nicht, was ein weiteres Indiz dafür ist, dass er Wahrnehmungsstörungen hat, die auch an anderen Stellen des Romans zum Vorschein kommen. Sein Verhalten scheint sich also seit dem Beginn des Romans nicht gebessert zu haben, schon im ersten Kapitel wird diese Eigenschaft kritisiert. Erst als K die Rute sieht, beginnt er Mitleid und Schuldgefühle zu entwickeln und versucht die Wächter durch Bestechung zu befreien. Durch den Konjunktiv in Zeile 105 beschreibt K eine weitere Möglichkeit die Wächter zu befreien. Dies hat er jedoch nicht wirklich in Betracht gezogen, da die Meinung seines Umfeldes (Z. B. Die Diener) ihm wichtiger sind als womöglich das Leid von Franz und Wilhelm zu verhindern, was sehr egoistisch und unreflektiert wirkt. Zusammenfassend kann man sagen, dass er ein typischer Antiheld ist, also ein Durchschnittsmensch mit teils mangelhaften Qualitäten.

Der Prügler ist eine sehr skurrile Figur, die scheinbar wie ein Henker in ganz schwarz gekleidet ist (Z. 14 – 15). Der Leser erfährt seinen Namen nicht, er scheint keine Identität außerhalb seines Berufes zu haben. Seine Funktion ist es, die Bestraften mit einer Route zu schlagen, und er lässt sich in seine Aufgabe durch K.s Besprechungen nicht beirren: „Ich bin zum Prügeln angestellt, also prügle ich.“ (Z. 65 – 66). Er genießt seine Macht Position und stellt diese auch nicht infrage. Er spottet sehr viel über die Wächter Franz und Willem, er bezeichnet sie als „schwachsinnig“ (Z. 49). Dadurch wirkt er sehr empathielos und sadistisch. Auch erteilt er den beiden Befehle.

Die beiden Wächter Franz und Wilhelm sind dem Prügler untergeordnet, wodurch ein Machtgefälle entsteht. Sie verhalten sich K. gegenüber unterwürfig, in dem sie ihm mit dem Ausruf „Herr“ (Z. 16) ansprechen. Dies stellt einen großen Unterschied zu ihrem Verhalten im ersten Kapitel dar, wobei sie sich in einer gewissen Machtposition befanden, als sie Josef K verhaften.

Sie versuchen daraufhin Mitleid bei dem Protagonisten durch die Umstände zu erregen (Zeile 22 f.). Sie sind sich ihres Verhaltens bewusst: „[…] Verboten, so zu handeln, es war Unrecht […].“(Z. 26). Dennoch verübeln sie K., dass er die Klage öffentlich geäußert hat, denn die Strafe wäre laut ihnen vermeidbar gewesen. Die beiden Wächter haben eine so große Angst vor den Prüglern und der Rute und Franz weint. Er wird außerdem sehr gedemütigt gezeigt, da er sogar niederkniet (Z. 69).

Da es bei Franz Kafkas Werken eine Fülle an verschiedensten Deutungen gibt, ist die ausgewählte Interpretation gewissermaßen subjektiv. Weitere mögliche Deutungen sind die biografische, die religiöse, die philosophische Deutung – nur um einige davon zu nennen. Diejenige Deutungshypothese, die hier in den Fokus tritt, ist die psychoanalytische, die sich nach der Analyse des fünften Kapitels bestätigt hat. Das Gericht steht symbolisch für die moralische Instanz des Menschen, dass Über-Ich. Es übt Kritik an dem Realitätsprinzip, dem Ich, beziehungsweise Josef K aus. Denn das Ich ist an seiner Aufgabe, zwischen Über-Ich und dem triebhaften „es“ zu vermitteln, gescheitert. Ein Anhaltspunkt dafür, dass es sich nicht um ein echtes Gericht handeln kann, ist, dass es scheinbar überall ist und es K. Gewissermaßen überallhin, sogar in seiner Arbeit, „verfolgt“. Die Rumpelkammer steht symbolisch für K.s Gewissen, denn dort wird seine Schuld verarbeitet und „bestraft“. Bis zu diesem Zeitpunkt des Romans hat sich der Protagonist Josef K. noch nie aktiv mit seiner Schuld auseinandergesetzt oder den Prozess vorangetrieben. Er lässt alle anderen für ihn arbeiten, sie sollen sich um den Prozess kümmern, nicht er. So ist ein Beispiel dafür, dass K. nicht einmal die Idee bekommt, sich um einen Advokaten zu kümmern, sondern dass dies sein Onkel Albert übernehmen muss, in dem Kapitel „Der Prügler“ bekommt er erst mal Schuldgefühle, weil er sich seiner Schuld bewusst ist.

Jedoch versucht er nicht, sich selbst zu bessern oder sich selbst „zu opfern“. Er versucht sich lediglich durch Geld von seiner Schuld „freizukaufen“, was ihm eindeutig misslingt. Als er Franz tritt, kommt seine triebhafte und impulsive Seite wieder zum Vorschein, was ein weiterer Punkt dafür ist, dass er aus dem Prozess nichts gelernt hat, es findet ein psychischer Prozess bei K. statt, eine sogenannte Verdrängung. Dies kann damit begründet werden, dass er seine Schuld nicht aktiv einsehen will. „[…] dass es ihm nicht gelungen war, das Prügeln zu verhindern, aber es war nicht seine Schuld, dass es nicht gelungen war[…]“ (Z. 89 f.). Deshalb verändert sich die Situation in der Rumpelkammer auch nicht, nachdem Josef K. die Tür zuschlägt. Denn nur er selbst ist dafür verantwortlich und kann dies vermeiden. Er ist aber zu feige dazu, sich mit den unangenehmen Gefühlen zu befassen, die für eine Veränderung der Verhaltensweisen nötig sind.

Vergleich mit dem Roman „Anna Karenina“ von Lew Tolstoi

Ein Werk was sich ebenfalls mit dem Motiv der Schuld auseinandersetzt, wäre „Anna Karenina“ aus dem russischen Realismus, was 1878 von Lew Tolstoi veröffentlicht wurde. Dieser Roman wird im folgenden mit Franz Kafkas Fragment „Der Prozess“ im Hinblick auf das Motiv der Schuld verglichen im Gegensatz zu Kafkas Roman ist bei Anna Karenina die Schuld der Protagonisten bekannt. Die Schuld wird intern als auch extern verarbeitet. Nicht nur Anna ist schuldig, dass sie ihren geliebten Ehemann betrügt, sondern auch die Gesellschaft, die gewisse Erwartungen an junge Mädchen hat und einen immensen Druck auf die Hauptfigur ausübt. Anna ist sich stets ihrer Tat und ihrer Schuld bewusst, während der Prokurist K. Aus „der Prozess“ bis zum Romanende nicht weiß worin seine Schuld eigentlich besteht. Eine Gemeinsamkeit, die die beiden aufweisen, ist, dass sie versuchen vor ihren Problemen wegzurennen, anstatt sich aktiv mit ihrer Schuld auseinanderzusetzen. Ihre ignoranten Lebensweisen werden ständig kritisiert, Sie bekommen auch Möglichkeiten sich zu bessern, aber sie tun dies trotzdem nicht. Sie geben beide häufig dem Lustprinzip beziehungsweise „es“ nach und verhalten sich eher triebhaft. Sie suchen vergeblich Hilfe bei dem jeweils anderen Geschlecht, in der Hoffnung, dass diese Person sie retten könnten.

Dadurch bekommen sie psychische Probleme und leiden unter Warnung und Wahrnehmungsstörungen. Der Druck, der durch ihr Gewissen beziehungsweise das über – ich ausgeübt wird, treibt sie in den Wahnsinn und sie stürzt sich auch in den Tod, in dem sie sich vor einen Zug wirft und diesem letzten Moment bereut, während K an seinem 31. Geburtstag hingerichtet wird. Eine weitere Übereinstimmung in den beiden Roman ist das Motiv der Beobachtung. Während bei K etwa ältere Menschen durch sein Fenster in seine Wohnung blicken, um ihn zu beobachten und sich dabei jedoch still verhalten, verfolgen Moskau und St. Petersburg die Ereignisse in Annas Leben. Was jedoch zusätzlich unbedingt zu erwähnen ist, ist, dass sie erfährt in ihrem Leben stets viel Leid, und um sich daraus zu befreien, verletzt sie andere Menschen ihrem Umfeld, was ihr vorher nicht bewusst war. Dadurch kann der Leser auch Mitleid für die Hauptfigur empfinden. Bei K ist das nicht möglich, da seine genauen Umstände nicht bekannt sind. Bei beiden Figuren scheint es eine gewisse Ausweglosigkeit zu geben. Sie haben etwas falsch gemacht und müssen dafür büßen.

Abschließend kann man sagen: Das fünfte Kapitel ist essenziell für den weiteren Verlauf des Romans. Der Grund dafür ist, dass hier Josef K. das erste Mal mit seinen Schuldgefühlen konfrontiert wird, sich aber weigert sich weiter mit ihnen zu beschäftigen. So bleibt sein Verhalten im gesamten Roman. Weitere Hinweise des Gerichtsmalers Titorelli oder des Gefängniskaplans, der ihn mit der Parabel beziehungsweise der Legende auf den richtigen Weg lenken will, ignoriert K. Weiterhin steht es schlecht um seinen Prozess und das endet damit, dass er schließlich ein Jahr nach seiner Verhaftung von zwei Männern hingerichtet wird und diesen Ausgang auch als richtig empfindet.

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