Am Tage der Freundschaftsfeier von Johann Christian Friedrich Hölderlin

Am Tage
der Freundschaftsfeier
 
Ihr Freunde! mein Wunsch ist, Helden zu singen,
Meiner Harfe erster Laut,
Glaubt es, ihr Freunde!
Durchschleich ich schon so stille mein Tal,
Flammt schon mein Auge nicht feuriger,
Meiner Harfe erster Laut
War Kriegergeschrei und Schlachtengetümmel.
 
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Ich sah, Brüder! ich sah
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Im Schlachtengetümmel das Roß
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Auf röchelnden Leichnamen stolpern,
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Und zucken am sprudelnden Rumpf
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Den grausen gespaltenen Schädel,
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Und blitzen und treffen das rauchende Schwert,
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Und dampfen und schmettern die Donnergeschütze,
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Und Reuter hin auf Lanzen gebeugt,
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Mit grimmiger Miene Reuter sich stürzen
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Und unbeweglich, wie eherne Mauren,
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Mit furchtbarer Stille
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Und todverhöhnender Ruhe
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Den Reutern entgegen sich strecken die Lanzen.
 
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Ich sah, Brüder! ich sah
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Des kriegrischen Suezias eiserne Söhne
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Geschlagen von Pultawas wütender Schlacht.
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Kein wehe! sprachen die Krieger,
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Von den blutiggebißnen Lippen
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Ertönte kein Lebewohl
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Verstummet standen sie da,
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In wilder Verzweiflung da
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Und blickten es an, das rauchende Schwert,
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Und schwangen es höher, das rauchende Schwert,
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Und zielten - und zielten
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Und stießen es sich bitterlächelnd
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In die wilde brausende Brust.
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Noch vieles will ich sehen,
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Ha! vieles noch! vieles noch!
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Noch sehen Gustavs Schwertschlag,
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Noch sehen Eugenius Siegerfaust.
 
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Doch möcht ich, Brüder! zuvor
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In euren Armen ausruhn,
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Dann schweb ich wieder mutiger auf,
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Zu sehen Gustavs Schwertschlag,
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Zu sehen Eugenius Siegerfaust.
 
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Willkommen, du!
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Und du! - Willkommen!
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Wir drei sinds?
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Nun! so schließet die Halle.
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Ihr staunt, mit Rosen bestreut
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Die Tische zu sehen, und Weihrauch
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Am Fenster dampfend,
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Und meine Laren
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Den Schatten meiner Stella,
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Und Klopstocks Bild und Wielands,
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Mit Blumen umhängt zu sehen.
 
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Ich wollt in meiner Halle Chöre versammeln
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Von singenden rosichten Mädchen
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Und kränzetragenden blühenden Knaben,
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Und euch empfangen mit Saitenspiel,
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Und Flötenklang, und Hörnern, und Hoboën.
 
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Doch - schwur ich nicht, ihr Freunde,
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Am Mahle bei unsers Fürsten Fest,
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Nur Einen Tag mit Saitenspiel
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Und Flötenklang, und Hörnern und Hoboën,
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Mit Chören von singenden rosichten Mädchen,
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Und kränzetragenden blühenden Knaben
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Nur Einen Tag zu feiren?
 
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Den Tag, an dem ein Weiser
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Und biedere Jünglinge,
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Und deutsche Mädchen
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Zu meiner Harfe sprächen:
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Du tönst uns, Harfe, lieblich ins Ohr,
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Und hauchst uns Edelmut,
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Und hauchst uns Sanftmut in die Seele.
 
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Aber heute, Brüder!
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O, kommt in meine Arme!
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Wir feiern das Fest
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Der Freundschaft heute.
 
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Als jüngst zum erstenmal wieder
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Der Mäher des Morgens die Wiese
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Entkleidete, und der Heugeruch
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Jetzt wieder zum erstenmal
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Durchdüftete mein Tal:
 
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Da war es, Brüder!
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O da war es!
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Da schlossen wir unsern Bund,
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Den schönen, seligen, ewigen Bund.
 
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Ihr hörtet so oft mich sprechen,
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Wie lang es mir werde,
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Bei diesem Geschlechte zu wohnen,
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Ihr sahet den Lebensmüden
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In den Stunden seiner Klage so oft.
 
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Da stürmt ich hinaus in den Sturm,
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Da sah ich aus der vorüberjagenden Wolke
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Die Helden der eisernen Tage herunterschaun.
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Da rief ich den Namen der Helden
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In des hohlen Felsen finstres Geklüft,
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Und siehe! der Helden Namen
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Rief ernster mir zurück
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Des hohlen Felsen finstres Geklüft.
 
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Da stolpert ich hin auf dornigten Trümmern
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Und drang durchs Schlehengebüsch in den alternden
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Turm
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Und lehnte mich hin an die schwärzliche Wände
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Und sprach mit schwärmendem Auge an ihm hinauf:
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Ihr Reste der Vorzeit!
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Euch hat ein nervigter Arm gebaut,
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Sonst hätte der Sturm die Wände gespalten,
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Der Winter den moosigten Wipfel gebeugt;
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Da sollten Greise um sich
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Die Knaben und Mädchen versammlen
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Und küssen die moosigte Schwelle,
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Und sprechen: Seid wie eure Väter!
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Aber an euren steinernen Wänden
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Rauschet dorrendes Gras herab,
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In euren Wölbungen hangt
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Zerrißnes Spinnengewebe
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Warum, ihr Reste der Vorzeit,
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Den Fäusten des Sturmes trotzen, den Zähnen des
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Winters.
 
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O Brüder! Brüder!
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Da weinte der Schwärmer blutige Tränen,
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Auf die Disteln des Turmes,
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Daß er vielleicht noch lange
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Verweilen müsse unter diesem Geschlechte,
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Da sah er all die Schande
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Der weichlichen Teutonssöhne,
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Und fluchte dem verderblichen Ausland,
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Und fluchte den verdorbnen Affen des Auslands,
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Und weinte blutige Tränen,
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Daß er vielleicht noch lange
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Verweilen müsse unter diesem Geschlechte.
 
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Doch siehe, es kam
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Der selige Tag
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O Brüder, in meine Arme!
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O Brüder, da schlossen wir unsern Bund,
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Den schönen, seligen, ewigen Bund.
 
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Da fand ich Herzen,
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Brüder, in meine Arme!
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Da fand ich eure Herzen.
 
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Jetzt wohn ich gerne
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Unter diesem Geschlechte,
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Jetzt werde der Toren
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Immer mehr! immer mehr!
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Ich habe eure Herzen.
 
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Und nun - ich dachte bei mir
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An jenem Tage,
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Wann zum erstenmal wieder
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Des Schnitters Sichel
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Durch die goldene Ähren rauscht,
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So feir ich ihn, den seligen Tag.
 
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Und nun - es rauschet zum erstenmal wieder
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Des Schnitters Sichel durch die goldene Saat,
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Jetzt laßt uns feiren,
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Laßt uns feiren
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In meiner Halle den seligen Tag.
 
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Es warten jetzt in euren Armen
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Der Freuden so viel auf mich,
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O Brüder! Brüder!
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Der edlen Freuden so viel.
 
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Und hab ich dann ausgeruht
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In euren Armen,
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So schweb ich mutiger auf,
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Zu schauen Gustavs Schwertschlag,
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Zu schauen Eugenius Siegerfaust.

Details zum Gedicht „Am Tage der Freundschaftsfeier“

Anzahl Strophen
23
Anzahl Verse
165
Anzahl Wörter
801
Entstehungsjahr
1770 - 1843
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Am Tage der Freundschaftsfeier“ wurde von Johann Christian Friedrich Hölderlin geschrieben, einem deutschen Dichter der Weimarer Klassik und der Romantik. Hölderlin wurde 1770 geboren und starb 1843. Dieses Gedicht kann der frühen Schaffensphase des Dichters zugeordnet werden, d.h. dem ausgehenden 18. Jahrhundert, noch vor Hölderlins berühmten „Hymnen“.

Beim ersten Lesen wird schnell die starke Betonung von Freundschaft und Heldentum deutlich. Das lyrische Ich redet von einer Freundschaftsfeier, von heroischen Kriegern und heldenhaften Taten. Es werden intensive, emotionale Bilder von Schlachtfeldern und Kriegermut gezeichnet.

Inhaltlich teilt das lyrische Ich seine Wunschvorstellung mit, Heroen in seinem Gesang zu besingen. Es erzählt von dramatischen Kriegsszenen und Heldentaten, erwähnt speziell Gustav (einen schwedischen König und Heerführer) und Eugenius (Prinz Eugen von Savoyen, einen österreichischen Feldherrn). Gleichzeitig ist die Freundschaft ein zentrales Element des Gedichts. Es beschreibt das enge Band, das es mit seinen Freunden verbindet, und wie sie gemeinsam den Tag der Freundschaftsfeier begehen.

Sprachlich und formal ist das Gedicht geprägt von einer großen Intensität und Dramatik. Hölderlin bedient sich einer kraftvollen, bilderreichen Sprache und wechselt häufig zwischen epischen Erzählungen und persönlichen, emotionalen Ausbrüchen. Der Wechsel zwischen langen und kurzen Versen erzeugt einen dynamischen Rhythmus.

Das lyrische Ich scheint zwischen dem heroischen Ideal und der realen Welt hin- und hergerissen zu sein. Einerseits hat es den Wunsch, sich von diesem Zeitalter abzuwenden und den „weichlichen Teutonssöhnen“ und „verdorbnen Affen des Auslands“ zu entfliehen. Andererseits scheint es eine tiefe Verbundenheit mit seinen Freunden zu empfinden und findet Trost in deren Arme. Es nimmt also die Rolle des einsamen Helden ein, der gleichzeitig ein tiefes Bedürfnis nach menschlicher Verbindung hat.

Letztendlich könnte Hölderlin mit diesem Gedicht ein Spannungsfeld zwischen der heroischen Idealwelt und der realen Welt abbilden, in der Krieg und Heldentum durchaus ambivalente Phänomene sind. Die Ambivalenz wird durch die engen Freundschaftsbande ausgedrückt, die sowohl Trost bieten, als auch ein Element des Aufbegehrens gegen die 'verweichlichte' Gesellschaft darstellen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Am Tage der Freundschaftsfeier“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Christian Friedrich Hölderlin. Im Jahr 1770 wurde Hölderlin in Lauffen am Neckar geboren. In der Zeit von 1786 bis 1843 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das Gedicht besteht aus 165 Versen mit insgesamt 23 Strophen und umfasst dabei 801 Worte. Der Dichter Johann Christian Friedrich Hölderlin ist auch der Autor für Gedichte wie „Das Unverzeihliche“, „Dem Genius der Kühnheit“ und „Der Gott der Jugend“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Am Tage der Freundschaftsfeier“ weitere 181 Gedichte vor.

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