Männerjubel von Johann Christian Friedrich Hölderlin
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Erhabne Tochter Gottes! Gerechtigkeit, |
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Die du den Dreimalheilgen von Anbeginn |
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Umstrahltest, und umstrahlen wirst am |
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Tage der ernsten Gerichtsposaune. |
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Und du, o Freiheit! heiliger Überrest |
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Aus Edens Tagen! Perle der Redlichen! |
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In deren Halle sich der Völker |
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Kronen begrüßen, und Taten schwören. |
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Und du, der Geisterkräfte gewaltigste! |
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Du löwenstolze! Liebe des Vaterlands! |
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Die du auf Mordgerüsten lächelst, |
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Und in dem Blute gewälzt, noch siegest. |
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Wer wagts, zu türmen Riesengebirge sich, |
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Zu schaun den Anfang eurer Erhabenheit? |
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Wer gründt der Tiefen tiefste aus, nach |
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Euch sich zu beugen, vor euch, Erhabne? |
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Und wir - o tönet, tönet den Jubel nach, |
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Ihr ferne Glanzgefilde des Uranus! |
19 |
O beugt euch nieder, Orione! |
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Beugt euch! wir sind der Erhabnen Söhne. |
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Es glimmt in uns ein Funke der Göttlichen; |
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Und diesen Funken soll aus der Männerbrust |
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Der Hölle Macht uns nicht entreißen! |
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Hört es, Despotengerichte, hört es! |
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Ihn senkte, seine Welt zu verherrlichen, |
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Der Gott der Götter Adams Geschlecht ins Herz, |
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Des preisen wir den Gott der Götter! |
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Hört es, ihr Knechte des Lügners, hört es |
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Was überwiegt die Wonne, der Herrlichen, |
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Der Töchter Gottes würdiger Sohn zu sein? |
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Den Stolz, in ihrem Heiligtum zu |
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Wandeln, zu dulden um ihretwillen? |
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Und lärmten gleich dem hadernden Ozean |
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Despotenflüche geifernd auf uns herab, |
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Vergiftete das Schnauben ihrer |
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Rache, wie Syrias Abendlüfte |
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Und dräute tausendarmigter Pöbel, uns |
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Zu würgen, tausendzüngigte Pfaffenwut |
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Mit Bann den Neuerern; es lachen |
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Ihrer die Söhne der Töchter Gottes. |
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Und würden unsre Kinder vom Schwert verfolgt, |
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Zu heulen über uns in der Finsternis |
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Des Wolfs, und mit dem Löwen seine |
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Beute zu teilen, bei Kannibalen |
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Sich Väter, und im Sande von Afrika |
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Das Gastrecht aufzusuchen, sie dulden gern, |
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Verlachen eure Blutgerüste, |
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Folgen den Vätern zu Schwert und Folter. |
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Drum tönet, tönet, tönet den Jubel nach, |
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Ihr ferne Glanzgefilde des Uranus, |
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Drum beugt euch nieder, Orione! |
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Beugt euch! wir sind der Erhabnen Söhne |
Details zum Gedicht „Männerjubel“
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52
308
1770 - 1843
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Männerjubel“ wurde von Johann Christian Friedrich Hölderlin verfasst, der von 1770 bis 1843 lebte. Daher kann das Gedicht in die Zeit des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts, also in die Epoche des Sturm und Drangs beziehungsweise der Frühromantik eingeordnet werden.
Beim ersten Lesen sticht vor allem die erhabene, feierliche Sprache und der ausgeprägte Pathos ins Auge. Das Gedicht gibt den Eindruck eines hymnischen Loblieds wieder.
Inhaltlich richtet sich das Gedicht an drei abstrakte Begriffe: Gerechtigkeit, Freiheit und Vaterlandsliebe, allesamt durch weibliche Betitelungen personifiziert. Die erste Strophe preist die Gerechtigkeit als göttliche Tochter, die zweite feiert die Freiheit als heiligen Überrest aus dem paradiesischen Eden und die dritte erhebt die Vaterlandsliebe zur gewaltigsten aller geistigen Kräfte. Es folgen Betrachtungen zur Unerreichbarkeit und Unbegreiflichkeit dieser Ideale. Die weiteren Strophen betonen die innige Verbundenheit und Identifikation der „Männer“ mit diesen Idealen, sie sehen sich als „Erhabne[...] Söhne“, in deren Brust „ein Funke der Göttlichen“ glimmt. Die Männer stellen sich gegen Tyrannei und Despotie und sind bereit, für ihre Ideale zu leiden und zu sterben. Die Schlusstrophen wiederholen das Bild von der erhabenen Sohnschaft und enden mit einem erneuten Aufruf zum Jubel.
Die Bedeutung des Gedichts liegt in der stark betonten Glorifizierung von Gerechtigkeit, Freiheit und Vaterlandsliebe. Die identitätsstiftende Wirkung dieser Ideale wird besonders hervorgehoben, sie werden als göttlich und erhaben dargestellt. Der Kampf gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit wird als ehrenhafte Aufgabe und als Bereitschaft zum Opfer für die höheren Werte dargestellt.
Formal besteht das Gedicht aus 13 vierzeiligen Strophen. Die Sprache ist gehoben und pathetisch, mit vielen bildhaften und metaphorischen Ausdrücken. Es gibt viele Ausrufe und direkte Anreden, die das lyrische Ich als aktiv und emotional engagiert darstellen. Der Stil mit seinen langen, komplexen Sätzen und den feierlichen Anklängen entspricht dem idealistischen Pathos der Zeit, in der Hölderlin lebte. Es spiegelt die Aufbruchstimmung und das Streben nach höheren Idealen wider, die in dieser Zeit weit verbreitet waren.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Männerjubel“ des Autors Johann Christian Friedrich Hölderlin. Geboren wurde Hölderlin im Jahr 1770 in Lauffen am Neckar. Das Gedicht ist in der Zeit von 1786 bis 1843 entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zu. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das Gedicht besteht aus 52 Versen mit insgesamt 13 Strophen und umfasst dabei 308 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Christian Friedrich Hölderlin sind „An die Deutschen“, „An die Parzen“ und „An die jungen Dichter“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Männerjubel“ weitere 181 Gedichte vor.
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- An die Deutschen
- An die Parzen
- An die jungen Dichter
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- Das Schicksal
- Das Unverzeihliche
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Zum Autor Johann Christian Friedrich Hölderlin sind auf abi-pur.de 181 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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