Die Muße von Johann Christian Friedrich Hölderlin

Sorglos schlummert die Brust und es ruhn die
strengen Gedanken.
Auf die Wiese geh ich hinaus, wo das Gras aus der
Wurzel
Frisch, wie die Quelle, mir keimt, wo die liebliche
Lippe der Blume
Mir sich öffnet und stumm mit süßem Othem mich
anhaucht,
Und an tausend Zweigen des Hains, wie an
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brennenden Kerzen
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Mir das Flämmchen des Lebens glänzt, die rötliche
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Blüte,
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Wo im sonnigen Quell die zufriednen Fische sich
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regen,
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Wo die Schwalbe das Nest mit den törigen Jungen
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umflattert,
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Und die Schmetterlinge sich freun und die Bienen, da
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wandl ich
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Mitten in ihrer Lust; ich steh im friedlichen Felde
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Wie ein liebender Ulmbaum da, und wie Reben und
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Trauben
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Schlingen sich rund um mich die süßen Spiele des
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Lebens.
 
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Oder schau ich hinauf zum Berge, der mit
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Gewölken
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Sich die Scheitel umkränzt und die düstern Locken im
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Winde
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Schüttelt, und wenn er mich trägt auf seiner kräftigen
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Schulter,
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Wenn die leichtere Luft mir alle Sinne bezaubert
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Und das unendliche Tal, wie eine farbige Wolke,
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Unter mir liegt, da werd ich zum Adler, und ledig des
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Bodens
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Wechselt mein Leben im All der Natur wie Nomaden
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den Wohnort.
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Und nun führt mich der Pfad zurück ins Leben der
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Menschen,
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Fernher dämmert die Stadt, wie eine eherne Rüstung
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Gegen die Macht des Gewittergotts und der Menschen
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geschmiedet,
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Majestätisch herauf, und ringsum ruhen die Dörfchen;
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Und die Dächer umhüllt, vom Abendlichte gerötet,
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Freundlich der häusliche Rauch; es ruhn die sorglich
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umzäunten
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Gärten, es schlummert der Pflug auf den gesonderten
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Feldern.
 
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Aber ins Mondlicht steigen herauf die
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zerbrochenen Säulen
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Und die Tempeltore, die einst der Furchtbare traf, der
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geheime
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Geist der Unruh, der in der Brust der Erd und der
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Menschen
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Zürnet und gärt, der Unbezwungne, der alte Erobrer,
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Der die Städte, wie Lämmer, zerreißt, der einst den
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Olympus
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Stürmte, der in den Bergen sich regt, und Flammen
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herauswirft,
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Der die Wälder entwurzelt und durch den Ozean
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hinfahrt
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Und die Schiffe zerschlägt und doch in der ewigen
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Ordnung
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Niemals irre dich macht, auf der Tafel deiner Gesetze
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Keine Silbe verwischt, der auch dein Sohn, o Natur,
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ist,
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Mit dem Geiste der Ruh aus Einem Schoße geboren.
 
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Hab ich zu Hause dann, wo die Bäume das Fenster
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umsäuseln
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Und die Luft mit dem Lichte mir spielt, von
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menschlichem Leben
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Ein erzählendes Blatt zu gutem Ende gelesen:
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Leben! Leben der Welt! du liegst wie ein heiliger
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Wald da,
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Sprech ich dann, und es nehme die Axt, wer will, dich
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zu ebnen,
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Glücklich wohn ich in dir.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Die Muße“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
75
Anzahl Wörter
413
Entstehungsjahr
1770 - 1843
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Muße“ stammt von Johann Christian Friedrich Hölderlin, einem der wichtigsten deutschen Lyriker der deutschen Romantik. Er lebte von 1770 bis 1843.

Bei der ersten Lesung erzeugt das Gedicht den Eindruck tiefer Naturverbundenheit und innerer Ruhe. Es zeichnet ein idyllisches und harmonisches Bild des Einsseins mit der Natur und der Schönheit und Vielfalt des Lebens.

Hölderlins lyrisches Ich betont die erfrischende und erhebende Wirkung der Natur auf den Geist. Die idyllische Natur mit ihren Blumen, Bäumen, Tieren und Landschaften wird als Ort des inneren Friedens, der Freude und Vitalität dargestellt. Diese Naturerfahrung ermöglicht es dem lyrischen Ich, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und gleichzeitig inneren Frieden zu finden.

Das lyrische Ich erscheint als Beobachter und Teilnehmer am natürlichen Geschehen und beschreibt ausführlich, wie das Leben in all seinen Facetten - vom einfachsten Grashalm bis zum majestätischen Berg - sich entfaltet. Es bringt seine Bewunderung für die ungezähmte Kraft der Natur zum Ausdruck, die sich in den Ruinen alter Tempel und zerstörter Städte manifestiert.

Im letzten Teil des Gedichts erfährt der Leser, dass das lyrische Ich ein begeisterter Leser ist, der in der Literatur eine weitere Quelle der Inspiration und des Trostes findet.

Formal und sprachlich zeichnet sich das Gedicht durch eine komplexe Architektur, eine reiche und bildhafte Sprache und einen melodischen Rhythmus aus, der zum meditativen Charakter des Gedichts beiträgt. Hölderlin macht intensiven Gebrauch von Metaphern und personifiziert die Natur, um ihre lebendige und dynamische Qualität betonen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Hölderlins „Die Muße“ ein lebendiges Panorama des Lebens und der Natur zeichnet und die heilende und inspirierende Wirkung der Muße, des Eintauchens in die Natur und der Lektüre betont. Es ist somit ein poetischer Ausdruck der romantischen Ideale der Naturverbundenheit, der inneren Freiheit und der tiefen menschlichen Gefühle.

Weitere Informationen

Johann Christian Friedrich Hölderlin ist der Autor des Gedichtes „Die Muße“. Im Jahr 1770 wurde Hölderlin in Lauffen am Neckar geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1786 bis 1843 entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das vorliegende Gedicht umfasst 413 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 75 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Christian Friedrich Hölderlin sind „Abendphantasie“, „An Ihren Genius“ und „An die Deutschen“. Zum Autor des Gedichtes „Die Muße“ haben wir auf abi-pur.de weitere 181 Gedichte veröffentlicht.

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