Andenken von Johann Christian Friedrich Hölderlin
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Der Nordost wehet, |
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Der liebste unter den Winden |
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Mir, weil er feurigen Geist |
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Und gute Fahrt verheißet den Schiffern. |
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Geh aber nun und grüße |
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Die schöne Garonne, |
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Und die Gärten von Bourdeaux |
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Dort, wo am scharfen Ufer |
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Hingehet der Steg und in den Strom |
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Tief fällt der Bach, darüber aber |
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Hinschauet ein edel Paar |
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Von Eichen und Silberpappeln; |
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Noch denket das mir wohl und wie |
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Die breiten Gipfel neiget |
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Der Ulmwald, über die Mühl, |
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Im Hofe aber wächset ein Feigenbaum. |
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An Feiertagen gehn |
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Die braunen Frauen daselbst |
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Auf seidnen Boden, |
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Zur Märzenzeit, |
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Wenn gleich ist Nacht und Tag, |
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Und über langsamen Stegen, |
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Von goldenen Träumen schwer, |
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Einwiegende Lüfte ziehen. |
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Es reiche aber, |
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Des dunkeln Lichtes voll, |
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Mir einer den duftenden Becher, |
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Damit ich ruhen möge; denn süß |
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Wär unter Schatten der Schlummer. |
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Nicht ist es gut, |
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Seellos von sterblichen |
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Gedanken zu sein. Doch gut |
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Ist ein Gespräch und zu sagen |
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Des Herzens Meinung, zu hören viel |
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Von Tagen der Lieb, |
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Und Taten, welche geschehen. |
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Wo aber sind die Freunde? Bellarmin |
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Mit dem Gefährten? Mancher |
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Trägt Scheue, an die Quelle zu gehn; |
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Es beginnet nämlich der Reichtum |
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Im Meere. Sie, |
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Wie Maler, bringen zusammen |
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Das Schöne der Erd und verschmähn |
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Den geflügelten Krieg nicht, und |
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Zu wohnen einsam, jahrlang, unter |
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Dem entlaubten Mast, wo nicht die Nacht |
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durchglänzen |
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Die Feiertage der Stadt, |
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Und Saitenspiel und eingeborener Tanz nicht. |
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Nun aber sind zu Indiern |
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Die Männer gegangen, |
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Dort an der luftigen Spitz |
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An Traubenbergen, wo herab |
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Die Dordogne kommt, |
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Und zusammen mit der prächtgen |
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Garonne meerbreit |
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Ausgehet der Strom. Es nehmet aber |
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Und gibt Gedächtnis die See, |
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Und die Lieb auch heftet fleißig die Augen, |
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Was bleibet aber, stiften die Dichter. |
Details zum Gedicht „Andenken“
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1770 - 1843
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang
Gedicht-Analyse
Das im 19. Jahrhundert verfasste Gedicht „Andenken“ stammt von Johann Christian Friedrich Hölderlin. Hölderlin zählt zu den bedeutendsten Lyrikern der deutschen Romantik.
Bereits beim ersten Lesen des Gedichts wird deutlich, dass es Hölderlins tiefe Verbundenheit mit der Natur und der Romantik widerspiegelt. Die Gedanken des lyrischen Ichs führen den Leser auf eine beruhigende und gleichzeitig sehnsuchtsvolle Reise durch verschiedene Landschaften.
Im ersten Teil des Gedichts preist das lyrische Ich den Nordostwind und sendet Grüße an die schöne Garonne und die Gärten von Bordeaux. Es führt die Leser dann an das scharfe Ufer eines Steges und lässt sie die Aussicht auf ein Paar von Eichen und Silberpappeln genießen. Der zweite Teil des Gedichts birgt Erinnerungen an breite Ulmenwipfel, eine Mühle, einen Feigenbaum und Frauen, die auf seidnem Boden wandeln. Im dritten Teil des Gedichts drückt das lyrische Ich seinen Wunsch nach Ruhe und Schlaf aus mit einem metaphorischen Bezug auf einen duftenden Becher. Danach äußert es den Wunsch nach Gespräch und Austausch, Verweisend auf vergangene Tage voller Liebe und geschehene Taten. Im vierten und fünften Teil des Gedichts, beklagt das lyrische Ich das Fehlen von Freunden und weist auf Reisen in ferne Länder wie Indien und deren Einfluss auf Erinnerungen und Liebe hin.
Die Romantik ist bekannt für ihre Emotionen und Gefühle, die Auseinandersetzung mit dem Tod, die Naturverbundenheit und die idealisierten Erinnerungen. Und diese Merkmale finden sich in Hölderlins „Andenken“ wieder, vor allem das Fernweh und die Sehnsucht nach Verständnis und menschlichem Austausch.
Formal besteht das Gedicht aus fünf Strophen mit unregelmäßiger Versanzahl, was eine gewisse Freiheit und Spontaneität ausdrückt, die typisch für die Romantik ist. Die Sprache ist poetisch und bildhaft mit zahlreichen Metaphern und natürlichen Bildern. Doch trotz der komplexen Satzstrukturen und der in die Tiefe gehenden Gedanken und Emotionen, bleibt die Sprache klar und verständlich. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Hölderlins „Andenken“ ein meisterhaftes Beispiel für romantische Poesie ist, das die menschlichen Empfindungen von Liebe, Sehnsucht, Erinnerung und Naturverbundenheit eindrucksvoll zum Ausdruck bringt.
Weitere Informationen
Johann Christian Friedrich Hölderlin ist der Autor des Gedichtes „Andenken“. Hölderlin wurde im Jahr 1770 in Lauffen am Neckar geboren. Zwischen den Jahren 1786 und 1843 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das 279 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 60 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Der Dichter Johann Christian Friedrich Hölderlin ist auch der Autor für Gedichte wie „Abendphantasie“, „An Ihren Genius“ und „An die Deutschen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Andenken“ weitere 181 Gedichte vor.
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