Madonna von Paul Haller

Eine Mutter wandelt mit Glanz im Gesicht,
Trägt froh ihren Säugling, ein lebend Gedicht;
So stolz und voll Demut, so liebreich entzückt,
Das Kind im wohligsten Schlaf entrückt.
Still wandelt sie hin durch den Menschentrott,
So weiß und so selig wie Engel vor Gott.
Und die Menschen trotten und traben vorbei,
Ahnt keiner, daß Gott auf der Erde sei.
Ein Einziger schaut, in die Ecke geschmiegt,
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Das Kind und die Mutter, wie wonnig sie’s wiegt.
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Ihm packt das Herz eine himmlische Hand
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Und zieht ihn hinüber zum Straßenrand
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Und drückt ihn dort, wo die Mutter ging,
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In den Staub, der der Schwebenden Tritt empfing.
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Roh lacht das Gedräng: der Kerl ist verrückt!
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Er kniet noch und fern nach der Mutter blickt.
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Und tagelang trägt er die Seligkeit
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Und ein tiefes unfaßbares Sehnsuchtsleid.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „Madonna“

Autor
Paul Haller
Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
18
Anzahl Wörter
133
Entstehungsjahr
nach 1898
Epoche
Naturalismus

Gedicht-Analyse

Das vorgestellte Gedicht „Madonna“ wurde von Paul Haller verfasst, der zwischen 1882 und 1920 lebte. Dies deutet eine zeitliche Einordnung in die Epoche des Expressionismus hin, doch die klare, eindringliche Sprache und religiösen Bezüge erinnern auch an die frühere Romantik.

Auf den ersten Blick fällt die Stimmung des Gedichts auf - eine Kombination von Erhabenheit und Alltäglichkeit, die durch das Bild einer Mutter, die ihr Kind trägt, entsteht.

Der Inhalt des Gedichts lässt sich als eine Beschreibung dieser Mutter, die ihr Kind liebevoll durch den Menschenstrom trägt, zusammenfassen. Interessanterweise nimmt das lyrische Ich dabei eine distanzierte Rolle ein, als Beobachter mehr als als Teilnehmer. Es scheint die Mutter und ihr Kind als etwas übernatürliches oder göttliches zu sehen, was durch die Bezeichnung „Madonna“ noch unterstrichen wird.

Mit Bezug auf Form und Sprache des Gedichts lässt sich zunächst feststellen, dass es aus einer einzigen Strophe besteht, die 18 Verse umfasst. Die Sprache ist klar und strukturiert, reich an Bildern und mit einer gewissen Rhythmus und Reim, die das Gedicht flüssig und lesbar machen.

Das lyrische Ich in dem Gedicht scheint eine tiefe Bewunderung und Ehrfurcht für die Mutter und ihr Kind auszudrücken. Es scheint zu suggerieren, dass in solch alltäglichen Szenen eine spirituelle Tiefe versteckt ist, die oft übersehen wird - und dass es eine gewisse Art von Erleuchtung bietet, diese zu erkennen. Dieses „Sehnsuchtsleid“, das im letzten Vers erwähnt wird, könnte die Sehnsucht nach dieser Art von tieferer Wahrheit oder Verbindung zum Göttlichen sein.

Die Metapher des Kindes als „ein lebend Gedicht“ verleiht dem Ganzen eine poetische Dimension und zeigt die Schönheit und Ehrfurcht, die das lyrische Ich in dieser Szene sieht. Die Wahl des Titels „Madonna“ spielt auf die christliche Ikonographie an, in der die Mutter Maria oft mit dem Jesuskind dargestellt wird, und fügt eine weitere Schicht von Bedeutung und Symbolik hinzu.

Im Großen und Ganzen ist das Gedicht „Madonna“ von Paul Haller eine geschickte Verwebung von Alltagsbildern mit spirituellen und poetischen Themen, die zu einer tieferen Betrachtung und Wertschätzung des Gewöhnlichen anregen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Madonna“ ist Paul Haller. 1882 wurde Haller in Rein bei Brugg geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1898 und 1920. Erschienen ist der Text in Aarau. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Naturalismus zuordnen. Der Schriftsteller Haller ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 133 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 18 Versen. Paul Haller ist auch der Autor für Gedichte wie „An die blasse Sonne I“, „An die blasse Sonne II“ und „An die strahlende Sonne“. Zum Autor des Gedichtes „Madonna“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 65 Gedichte vor.

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