An der alten Elster von Joachim Ringelnatz

Wenn die Pappeln an dem Uferhange
Schrecklich sich im Sturme bogen,
Hu, wie war mir kleinem Kinde bange! –
Drohend gelb ist unten Fluß gezogen.
 
Jenseits, an der Pferdeschwemme,
Zog einmal ein Mann mit einer Stange
Eine Leiche an das Land.
Meine Butterbemme
Biß ein Hund mir aus der Hand. –
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O wie war mir bange,
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Als der große Hund plötzlich neben mir stand!
 
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Längs des steilen Abhangs waren
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Büsche, Höhlen, Übergangsgefahren. –
 
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Dumme abenteuerliche Spiele ließen
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Mich nach niemand anvertrauten Träumen
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Allzuoft und allzulange
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Schulzeit, Gunst und Förderndes versäumen. –
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Hulewind beugte die Pappelriesen.
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O wie war mir bange!
 
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Pappeln, Hang und Fluß, wo dieses Kind
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So viel heimlichstes Erleben hatte,
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Sind nicht mehr. Mir spiegelt dort der glatte
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Asphalt Wolken, wie sie heute sind.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „An der alten Elster“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
23
Anzahl Wörter
122
Entstehungsjahr
1929
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An der alten Elster“ stammt von Joachim Ringelnatz, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettisten, der von 1883 bis 1934 lebte. Das Gedicht lässt sich daher in die literarische Epoche der Moderne, konkret in die Weimarer Republik einordnen.

Beim ersten Eindruck scheint das Gedicht die Erinnerungen des lyrischen Ichs an seine Kindheit an einem Flussufer zu schildern. Es wird eine Bilderwelt geschaffen, die von Spannung und Gefahr geprägt ist, aber auch vom Abenteuer und geheimen Träumen.

Der Inhalt des Gedichts kann vereinfacht so wiedergegeben werden: Es beschreibt die Erinnerungen an die Kindheitsorte des lyrischen Ichs, insbesondere an die Uferlandschaft eines Flusses. Dort erlebte es Stürme, erschreckende Vorfälle wie das Herausziehen einer Leiche aus dem Wasser und die Konfrontation mit einem großen Hund. Darüber hinaus sind die Spiele und Träume an Diesem Ort angesiedelt, die das Ich jedoch zur Vernachlässigung seiner Pflichten verführten. Zuletzt wird betont, dass dieser Ort nicht mehr existiert und durch eine asphaltierte Straße ersetzt wurde.

Das lyrische Ich scheint mit seinen Worten die vergangenen Zeiten und Erlebnisse zu bewältigen und das Geschehene aufzuarbeiten. Es wird ein Bild von Abenteuer und zugleich Angst geschaffen. Der Verlust seiner Kindheit und Jugend scheint das Ich stark zu bedrücken.

Formal hat das Gedicht keine konkrete Reimstruktur und variiert in der Länge der Verse und Strophen, was typisch für die Moderne ist. Die Sprache ist einfach gehalten und nutzt gezielte Adjektive und Vergleiche, um die eindringlichen Erinnerungen des lyrischen Ichs hervorzuheben. Die wiederholte Phrase „O wie war mir bange!“ erzeugt einen Leitmotivcharakter und unterstreicht die emotional geladene Atmosphäre. Sie betont den retrospektiven Charakter des Gedichts und die ambivalente Stimmung zwischen Angst und Abenteuerlust.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ringelnatz in „An der alten Elster“ eine intensive und emotionale Rückschau auf Kindheitserlebnisse präsentiert. Dabei schwingt auch gesellschaftskritische Töne mit, die den Verlust der natürlichen Kindheitsumgebung durch den Fortschritt und die Urbanisierung bemängeln.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „An der alten Elster“ ist Joachim Ringelnatz. 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1929 entstanden. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Der Schriftsteller Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das 122 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 23 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz sind „Abschied von Renée“, „Abschiedsworte an Pellka“ und „Afrikanisches Duell“. Zum Autor des Gedichtes „An der alten Elster“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.

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