Hans Gerstenkorn von Robert Burns

Drei Kön’ge waren einst im Ost,
Voll Stolz und Machtgebot,
Die schwuren, fest und feierlich,
Hans Gerstenkorn den Tod.
 
Da ward er in die Erd’ gepflügt,
Wohl auf der Herr’n Gebot.
Sie schwuren fest und feierlich:
Hans Gerstenkorn sei todt.
 
Doch, als der Frühling wieder kam
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Und warmer Regenfall,
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Stand wieder auf Hans Gerstenkorn
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Und überrascht’ sie All’.
 
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Die schwüle Sommersonne kam
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Und er nahm mächtig zu,
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Sein Haupt trug manchen spitzen Speer,
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Daß Niemand Leid’s ihm thu’.
 
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Doch, als der milde Herbst erschien,
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Da ward er blaß und bleich,
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Der Rumpf ward matt, der Kopf ward müd’,
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Zu Ende ging sein Reich.
 
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Die Farbe bleichte immer mehr
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Und schrumpfte, alternd ein;
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Da drangen seine Feinde kühn,
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Todbringend auf ihn ein.
 
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Sie nahmen ein gar langes Schwert
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Und fällten ihn am Knie,
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Und banden ihn auf einen Karr’n,
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Mit wenig Kraft und Müh’.
 
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Sie legten auf den Rücken ihn,
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Zerschlugen seinen Leib,
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Und hängten ihn im Winde auf,
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Zu dessen Zeitvertreib.
 
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Sie füllten dann ein großes Faß,
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Mit klarem Wasser flink,
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Und warfen ’rein Hans Gerstenkorn:
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Nun schwimme oder sink’.
 
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Sie legten auf den Scheunflur ihn,
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Zu quälen ihn noch mehr,
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Und, wenn er Lebenszeichen gab,
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Stieß man ihn hin und her.
 
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Sie dörrten über Flammengluth,
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Sein schmerzendes Gebein,
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Dann nahm sich ihn ein Müller vor,
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Zerrieb ihn auf dem Stein.
 
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Dann tranken sie das Herzblut sein,
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Sie tranken’s in der Rund’,
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Jemehr man aber davon trank,
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Je froher ward der Mund.
 
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Ein Held war schier Hans Gerstenkorn
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Ein Recke, stark und gut,
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Denn, wer von seinem Blute trank,
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Dem wuchs und schwoll der Muth.
 
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Der Mann vergißt sein Weh dabei
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Und fühlt der Freude Hauch,
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Der Wittwe streicht es tröstend fort
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Die Thräne aus dem Aug’
 
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D’rum lebe hoch. Hans Gerstenkorn,
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Die Gläser in die Hand!
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Und daß sein Saame nimmer fehl’
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Dem alten Schottenland! –
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.9 KB)

Details zum Gedicht „Hans Gerstenkorn“

Autor
Robert Burns
Anzahl Strophen
15
Anzahl Verse
60
Anzahl Wörter
312
Entstehungsjahr
1782
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht ist von Robert Burns, einem schottischen Dichter, der von 1759 bis 1796 lebte. Auf den ersten Blick scheint es ein erzählendes Gedicht zu sein, das die Geschichte von „Hans Gerstenkorn“ verfolgt, wobei das gewählte Thema auf die bäuerlichen und ländlichen Wurzeln von Burns hinweist.

Im Inhalt des Gedichts stellt Burns Hans Gerstenkorn als einen Getreidepflanze dar, der mit der menschlichen Personifizierung durch die verschiedenen Phasen des landwirtschaftlichen Zyklus verfolgt wird - vom Pflanzen und Wachsen bis zum Ernten, Akklimatisieren und schließlich zum Bierbrauen. Das lyrische Ich charakterisiert Gerstenkorn als tapferen Helden, der zwar von den feindlichen Mächten besiegt wird, aber seinen Mut in diejenigen einflößt, die sein „Blut“, also das aus Gerste gebraute Bier, trinken. Er fordert letztendlich einen Toast auf Hans Gerstenkorn, um dessen Beitrag zur Freude und Trost zu feiern, den er den Menschen, insbesondere in Schottland, bringt.

Formal gesehen besteht das Gedicht aus einer Reihe von vierzeiligen Strophen, die einen stringenten Erzählfluss aufweisen, und ist in einem relativ einfachen, aber bildlichen Sprachstil gehalten, der den Leser durch die verschiedenen Stationen von Gerstenkorns Existenz führt. Burns nutzt auch reichen Sprachgebrauch, um kritische Phasen in Gerstenkorns Leben zu verdeutlichen, die sowohl Greuel als auch Bewunderung hervorrufen.

Sprachlich ist das Gedicht voller personifizierter Metaphern und kreisförmiger Narrationen, die die Härte des bäuerlichen Lebens und die Feier des Alkohols - ein damals häufiger Aspekt des ländlichen Lebens - darstellen. Es wird in relativ formelhaftem Deutsch abgefasst, um eine bestimmte Rhythmusstruktur zu erzielen. Burns erzeugt durch die konsequente Wiederholung von Phrasen und Handlungen ein kumulatives Gefühl der Entbehrung und Wiedergeburt, das ein zentrales Thema des Gedichts ist und die Huldigung an die Schönheit des simplen Landlebens und die zyklische Natur der Existenz widerspiegelt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Hans Gerstenkorn“ ist Robert Burns. Burns wurde im Jahr 1759 in Alloway (Ayrshire) geboren. Im Jahr 1782 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Berlin. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit oder Sturm & Drang kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das Gedicht besteht aus 60 Versen mit insgesamt 15 Strophen und umfasst dabei 312 Worte. Die Gedichte „An Herrn Cunningham“, „An Mary im Himmel“ und „An die Waldlerche“ sind weitere Werke des Autors Robert Burns. Zum Autor des Gedichtes „Hans Gerstenkorn“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 101 Gedichte vor.

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