Einem Kleingiftigen von Joachim Ringelnatz
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Vielleicht, daß ein Unverstandenes |
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Oder ein gar nicht Vorhandenes |
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Dich verdroß. |
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Und nun möchtest du heimlich erschießen |
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Und noch den Schrei genießen: |
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„Das war Tells Geschoß!“ |
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Aber ein Pup ist kein Blitz. |
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Du mußt dich schon anders entladen. |
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Du mußt deinen eigenen Schaden |
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Riskieren und Mut verraten |
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Oder wenigstens Witz. |
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War’s aber eine erkannte, bestimmte |
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Angelegenheit, die dich ergrimmte, |
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Etwa was Ungerechtes – – – |
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Ach, wieviel Schlechtes |
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Tatest du?! |
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Und klapptest stillschweigend den Deckel zu. |
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Hau doch in den Kartoffelsalat, |
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Daß die Sauce spritzt. |
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Das ist ein schlechter Soldat, |
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Der Blut erträumt |
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Und Rache schwitzt |
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Und vor Wut schäumt |
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Und dabei auf dem Lokus sitzt. |
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Oder leg’ deinen Zorn, wenn du willst, |
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Als ewas Echtes, wenn auch nicht Stubenreines. |
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An deine eigene Brust, daß du ihn stillst, |
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Wie eine Mutter ihr Kleines. |
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Nach eines Jahrmarkts letzter Nacht |
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Ist in wenigen Stunden |
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Eine ganze Stadt voll blendender Zauberpracht |
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Kläglich verschwunden. |
Details zum Gedicht „Einem Kleingiftigen“
Joachim Ringelnatz
6
32
148
1928
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Einem Kleingiftigen“ wurde von dem deutschen Schriftsteller und Kabarettisten Joachim Ringelnatz verfasst, der von 1883 bis 1934 lebte und zu den Vertretern der literarischen Moderne in Deutschland zählt. Das Gedicht kann zeitlich in die Weimarer Republik eingestuft werden, einer politisch und gesellschaftlich sehr bewegten Phase, die zwischen den beiden Weltkriegen lag.
Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht recht sarkastisch und humorlos und enthält sowohl direkte als auch versteckte Kritik. Inhaltlich richtet sich das Gedicht an eine Person („Kleingiftigen“), die offenbar beleidigt oder verärgert ist und über eine obsessive Rachephantasie verfügt. Diese Person wird aufgefordert, ihre negativen Gefühle auf andere, weniger destruktive Weise zu entladen, statt ihre Wut in Rachefantasien zu investieren.
Das lyrische Ich scheint die Rachephantasien des Kleingiftigen zu kritisieren und ihm Ratschläge zu geben, wie er mit seiner Wut umgehen sollte. Dieser Appell könnte interpretiert werden als eine Aufforderung, menschlicher und verantwortungsbewusster zu handeln, anstatt in destruktiven Emotionen gefangen zu bleiben.
Formal gesehen besteht das Gedicht aus sechs Strophen mit unterschiedlicher Versanzahl, wobei die Verse in Kreuzreimen strukturiert sind. Die Sprache des Gedichts ist ziemlich direkt und volkstümlich, was möglicherweise eine Art von Satire darstellen könnte. Die bildhaften Ausdrücke wie „Hau doch in den Kartoffelsalat“, „auf dem Lokus sitzt“, unterstreichen den humoristischen Aspekt des Gedichts, während gleichzeitig eine tiefere, ernstere Botschaft vermittelt wird.
Ringelnatz' Gedicht scheint eine Kritik an der fehlgeleiteten Wut und dem Kleinmütigen zu sein, der lieber hinterhältig handelt anstatt seine Probleme direkt zu adressieren. Dies könnte als Hinweis auf Ringelnatz‘ kritische Haltung gegenüber bestimmten Aspekten der Gesellschaft in der Weimarer Republik, wie etwa politischem Kleinmütigtum und Rückgratlosigkeit, verstanden werden.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Einem Kleingiftigen“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. Der Autor Joachim Ringelnatz wurde 1883 in Wurzen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1928 entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Berlin. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 148 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz sind „Afrikanisches Duell“, „Alone“ und „Alte Winkelmauer“. Zum Autor des Gedichtes „Einem Kleingiftigen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.
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