Und Kerzen wehn noch in den hellen Tag von Richard Dehmel

Und Kerzen wehn noch in den hellen Tag;
entzückte Lippen glühn, verschämte Wangen.
Geburtstagsblumensträuße prangen.
Das Kind hat seinen Glückwunsch aufgesagt;
nun darf's mit Gärtnersmann und Magd
und mit dem riesigen Rosinenkuchen
wohlgemut das Weite suchen.
Und während draußen Tanz und Trubel lacht,
nimmt zart der Mann des Weibes Blick gefangen:
 
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Komm, Seele - weißt du noch? heut jährt sich's grad,
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als ich, ein Lohnmensch, vor dich trat
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und deinen Blick empfing, der Ketten sprengte.
 
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Und nun, in diesem freien Turmgemach,
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an diesem lichterloh gekrönten Tag,
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der dir und mir dein Leben schenkte,
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der jedes Wort belebt zum Dankausruf,
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daß uns die Welt zu denkenden Wesen schuf,
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daß wir uns nicht mehr dumpf im Urnebel drehn,
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daß wir zu weinen und zu lachen verstehn,
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nicht mehr in Sümpfen uns ungetümlich plagend,
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nicht mehr wie Brüllaffen mondsüchtig klagend,
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auch nicht mehr wie solch Kindlein handelnd,
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das sich, von jeder Laune betört,
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sein eignes Himmelreich verstört
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wir, Adam und Eva, gen Eden wandelnd:
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Komm -: Siehst du dort den Schieferberg im Tann?
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da ließ dein Ururahn sechs Knechte henken!
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Willst du mir diesen kahlen Berg heut schenken,
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der hundert freie Menschen nähren kann,
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wenn wir sie mitmenschlich zum Werk anlenken?!
 
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Sie blickt den Berg, sie blickt den Himmel an:
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er scheint sich in ein Zukunftsland zu senken.
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Sie blickt zu Tal, wie übermannt vom Denken
 
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sie lacht: hab Dank, mein Herr und Lehensmann!
 
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Und talher prangt voll Sonnengold der Fluß.
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Zwei Menschen tauschen einen Festtagskuß.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27 KB)

Details zum Gedicht „Und Kerzen wehn noch in den hellen Tag“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
243
Entstehungsjahr
1863 - 1920
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Richard Dehmel ist der Autor des Gedichtes „Und Kerzen wehn noch in den hellen Tag“. 1863 wurde Dehmel in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. Im Zeitraum zwischen 1879 und 1920 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Dehmel ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 243 Worte. Weitere Werke des Dichters Richard Dehmel sind „Ballade vom Volk“, „Bann“ und „Bastard“. Zum Autor des Gedichtes „Und Kerzen wehn noch in den hellen Tag“ haben wir auf abi-pur.de weitere 522 Gedichte veröffentlicht.

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