Und die Sonne küßt den Schnee vom Dach von Richard Dehmel

1	Und die Sonne küßt den Schnee vom Dach,
2	und leise summt die Glut in den Kaminen.
3	Lächelnd tritt das Weib ins Turmgemach;
4	breit vom Morgenglanz beschienen
5	sinnt der Mann auf seine Arbeit nieder.
6	Er blickt nicht auf. Sie lächelt wieder.
7	Leise naht sie ihm in heller Freude,
8	weich umwogt vom Mutterhoffnungskleide:
9	Lukas - mir war so fröhlich eben:
10	ich saß und dachte in dich hinein:
11	der Name, den wir unserm Kind bald geben,
12	soll auch der Name deines Bergwerks sein.
13	Und mir kam ein Wort, das wie vom Himmel fiel:
14	nimm all dein Schicksal als Kinderspiel!
15	Denn gelt: den reichen Seelen
16	darf das Glück nicht fehlen,
17	das sie Andern zeigen als ein Ziel
18	Da blickt er auf - sie fühlt sich erbleichen:
19	seine Augen gleißen, Spott nistet drin.
20	Seine Hand weist auf einen Bauplan hin:
21	da liegt ein Brief mit seltsamen Zeichen.
22	Die Chiffern wogen ihr wie ein Meer.
23	Rauh kommt seine Stimme zu ihr her:
24	Ja, ein Spiel - nenn's Schicksal, nenn's Glück, Gott, Welt
25	nur: lerne verlieren, willst du gewinnen!
26	Ich werde mein Werk hier nicht beginnen.
27	Du wirst bald allein hier auf Namen sinnen;
28	was du ahntest, hat sich eingestellt,
29	Hier: aus alter Freundschaft hat man mir diesen
30	gnädigen Wink von »oben« verschafft:
31	binnen vier Wochen bin ich verhaftet
32	oder verbannt - auf amtsdeutsch: landesverwiesen.
33	Nun heißt es, stolz an neue Arbeit gehn,
34	damit wir vor dem Gott in uns bestehn!
35	Aus seinen Augen weicht aller Spott.
36	Zwei Menschen beugen sich vor Gott.

Details zum Gedicht „Und die Sonne küßt den Schnee vom Dach“

Gedicht-Analyse

Richard Dehmel ist der Autor des Gedichtes „Und die Sonne küßt den Schnee vom Dach“. Geboren wurde Dehmel im Jahr 1863 in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg. Zwischen den Jahren 1879 und 1920 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Der Schriftsteller Dehmel ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 246 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 36 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Richard Dehmel sind „Antwort“, „Auf der Reise“ und „Aufblick“. Zum Autor des Gedichtes „Und die Sonne küßt den Schnee vom Dach“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 522 Gedichte vor.

Weitere Gedichte des Autors Richard Dehmel (Infos zum Autor)

• An mein Volk
• Antwort
• Auf der Reise
• Aufblick
• Ballade vom Volk
• Bann
• Bastard
• Bitte
• Büßende Liebe
• Chinesisches Trinklied

Zum Autor Richard Dehmel sind auf abi-pur.de 522 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.