Venus Creatrix von Richard Dehmel
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O meine bleiche Braut! du blasse Wolke |
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im Arm des Sturms! du bebend Haupt, |
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an meine Brust geneigt aus deinen Schleiern: |
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erbleichst, erbebst du mir? |
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O nun erglühst du, heimlich Willige du, |
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nun öffnest du die herzverklärten Augen, |
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nun ringt sich von den Lippen dir mein Name, |
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und inniger küss ich dich - wir sind allein. |
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Allein. O komm, das Licht der Ampel |
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wirft Schatten; komm! heut soll kein Schatten sein, |
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heut sollen alle, alle Lichter leuchten, |
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in einer See von Licht sollst du mir schwimmen, |
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du weiße Möwe meine! Flüchte nicht: |
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sieh, selbst dem keuschen Himmel noch verwehr ich |
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zu lauschen - horch: der Vorhang rauscht, o komm! |
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und jeden Spalt verschließ ich faltenschwer, |
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daß nicht die Nacht, die silbern blauende, |
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erröte, muß sie deine Schönheit dulden, |
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daß nicht der Sterne reine Glut |
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sich neidisch trübe, sehn sie Deine Reinheit. |
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Tu ab die Myrtenkrone, den Gürtel, komm, |
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du bist allein! Die jungen Rosen nur, |
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schlaftrunken über unser Bett gebeugt, |
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spinnen duftbange Träume |
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von purpurner Entfaltung scheuer Knospen; |
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die Rosen nur - und ich. |
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Und wie in Träumen, wie auf Düften leicht, |
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von Licht zu Licht mit leuchtenden Händen gleit'ich |
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und winke - und du kommst. |
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Da sinken und schwinden |
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hell von uns weg die irdischen Hüllen alle: |
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aus seidnen Wogen steigst du her zu mir, |
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und Brust an Brust gedrängt von blendenden Schauern, |
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von goldnen Dunkelheiten weit umwölkt, |
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wiegen uns fernhintastende Schwingen |
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Schooß an Schooß hinüber |
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in die Gärten der Ewigkeit. |
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Flammen der Sehnsucht wachsen da, |
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glühende Bäche voller Erfüllung treiben |
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da in Eins die einsam pulsenden Seelen, |
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Puls in Puls in Glanz ergossen verbluten |
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heimwehwild die zuckenden Wünsche, |
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hoch auf strudelt todesselig der Wille, |
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dürstend umsaust ihn der Odem der Allmacht, |
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und den weltdurchfurchenden Fittig senkt die Inbrunst, |
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auszuruhn vom Fluge am Herzen Gottes: |
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still in matter Hand |
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beut sie die funkelnden Tropfen |
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seinem befruchtenden Anhauch dar: ich fühle |
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fühlst du? Geliebte - die Quellen des Lebens rinnen! |
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Mund an Mund Ihm: trinke! Trunken |
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stamml'ich nach |
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das Schöpferwort. |
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . |
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O Geheimnis der Empfängnis: |
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einen Schleier wollt ich lüften, |
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und Verhängnis hangend um Verhängnis |
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schwillt aus Auferstehungsgrüften. |
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Wie erfass ich euch, Gewalten: |
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Welt, die schicksalvolle Nebel ballt, |
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bis sich Hirngespinste draus entfalten, |
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Mummenschanz der Allgewalt! |
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Helft mir, Sterne! Hüter ihr des Zwanges, |
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den ich einst als Freiheit pries, |
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feurige Führer meines Überschwanges, |
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ja, ihr schürt das Paradies |
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himmelstürmenden Schöpferwahns mir wieder, |
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und mein Haupt wie damals reckend |
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Blitze stürzten um mich nieder |
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fühl ich, wie ich mich am Schrecken |
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meiner glutgeblendeten Braut berauschte |
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und mich selbst als Gott besang, |
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der mit keinem andern tauschte, |
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weil ihn Deine Glut bezwang, |
Details zum Gedicht „Venus Creatrix“
Richard Dehmel
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429
1863 - 1920
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Venus Creatrix“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Richard Dehmel. Dehmel wurde im Jahr 1863 in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. Im Zeitraum zwischen 1879 und 1920 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Dehmel ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 429 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 74 Versen mit insgesamt 11 Strophen. Richard Dehmel ist auch der Autor für Gedichte wie „Bastard“, „Bitte“ und „Büßende Liebe“. Zum Autor des Gedichtes „Venus Creatrix“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 522 Gedichte vor.
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Zum Autor Richard Dehmel sind auf abi-pur.de 522 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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