Venus Adultera von Richard Dehmel

Komm, Schatz; komm, Katz; laß das Wimmern!
Nein, das darf dich nicht bekümmern,
daß ich nicht »treu« bin; rück nur her!
Komm, ich hab ein Dutzend Seelen;
wer kann all die Kammern zählen,
sechse stehn mir grade leer.
 
Sieh nicht auf den Ring an meinem Finger!
Hoh, mein Kind, ich bin viel jünger
als mein narbigtes Gesicht.
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Weißt du, die Runzeln und die Hiebe
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tun erst die Würze zu Ehre und Liebe!
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Ja, das nannt ich als Student schon Pflicht:
 
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Viel geliebt! noch mehr getrunken!
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kuscht euch, Unken und Hallunken!
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heida, wie der Schläger pfiff!
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Soll das Leben dir was nützen,
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lerne brav dein Blut versprützen:
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nicht gezuckt! los! blick und triff!
 
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Hast doch auch schon »Blut« verspritzt,
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oft - - hui, wie dein Auge blitzt:
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zürnst wohl gar dem frechen Buben?
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Was denn: Tränen?? o nicht doch! oh!
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Herzchen, so'was lernt man so
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in der Luft der Ehestuben!
 
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Komm: sei gut, Kind! gib mir die Hand!
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Hast ja Mut, Kind - und hast Verstand:
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nein, ich will dich nicht verführen.
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Aber gelt, du wärst gern Braut?
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Hier das Venushalsband deiner Haut
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läßt verhaltene Wünsche spüren.
 
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Sieh mich doch an, du: ich bin kein Dieb!
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habe das Halsband nur so lieb
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und deine dunkeln Augenringe.
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Sieh doch, mein Blick ist ein zündender Pfeil,
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sprühenden Fluges ein sausendes Seil:
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komm, durch Höllen und Himmel soll's uns schwingen!
 
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
 
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Ja - so wird aus Sehnsucht Sünde;
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Hölle, die den Himmel stürmt.
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Seele öffnet alle Schlünde,
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die der Geist rings mühsam übertürmte.
 
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Denn Natur schürt wieder alle Gluten,
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die der Mensch beherrschte in Gedanken;
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lüstern lecken ihre Lavafluten
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an dem Erzgerüst der heiligen Schranken.
 
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Wie es hinschmilzt! Wer kann's kalt beschauen?
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Nur der Mond in seiner Leichenpracht.
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Und die Seele badet sich im Grauen,
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und der Geist buhlt mit der Nacht.
 
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Bis er Frevel heckt wie Don Juan,
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der nur lüstern war aus Qualengier,
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ein vom Teufelswahn verlockter Gottesmann,
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freudeloser als ein Tier.
 
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Nein, nicht Lust war's, du Jungfräuliche,
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als ich deine Opferfreude schmeckte;
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ich genoß nur das Abscheuliche,
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zu entweihn dich Unbefleckte,
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28 KB)

Details zum Gedicht „Venus Adultera“

Anzahl Strophen
12
Anzahl Verse
57
Anzahl Wörter
339
Entstehungsjahr
1863 - 1920
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Venus Adultera“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Richard Dehmel. Dehmel wurde im Jahr 1863 in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1879 bis 1920 entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Der Schriftsteller Dehmel ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 339 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 57 Versen mit insgesamt 12 Strophen. Der Dichter Richard Dehmel ist auch der Autor für Gedichte wie „Büßende Liebe“, „Chinesisches Trinklied“ und „Dann“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Venus Adultera“ weitere 522 Gedichte vor.

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