Bei Ueberreichung einer Turnerfahne von Luise Büchner

Hoch empor in blaue Lüfte,
Turner, laßt die Fahne wehen,
Hebt sie auf, daß weithin Alle
Ihre hohe Deutung sehen:
Wie ein Adler drauf erhebet
Sich zur Sonne stolz und groß,
Daß: frisch, fromm und frei und fröhlich
Ist des Turners hohes Loos.
 
Frisch und fromm und frei und fröhlich,
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Was die tiefen Worte künden,
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Diesen stolzen Sinn zu wahren
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Woll't euch, Turner, treu verbünden;
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Vor den Augen deutscher Frauen,
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Die euch heut' die Fahne weih'n,
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Schwöret Alle sie zu wahren
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Unverfälschet, treu und rein!
 
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Frisch, wie aus dem Felsenmunde
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Sich ein kühler Quell ergießet,
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Die Ermatteten zu trösten
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Durch versengte Thäler fließet,
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Also frisch zu jedem Werke,
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Frisch zu jeder ächten That
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Sei der Turner, doch vor allem,
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Wo die Freiheit flehend naht.
 
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Fromm, so heißt das Sprüchlein weiter,
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Aber fromm nach rechter Weise,
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Nicht ein Beter nur und Heuchler
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In der Pharisäer Kreise,
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Das Gesetz der Bruderliebe
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Sei des Turners höchste Lehre
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Schaut euch um im deutschen Lande
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Von den Alpen bis zum Meere,
 
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Korn und Wein auf allen Fluren,
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Eisen in der Berge Schachten,
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Stolze Wälder, reiche Wiesen
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Und so viele doch, die schmachten!
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Daß hinfort die deutsche Erde
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Jedem ihren Segen spende,
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Darum fromm zu jedem Opfer,
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Das der Menschheit frommen könnte!
 
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Fröhlich ist der Worte drittes,
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Fröhlich seid vor allen Dingen,
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Wo der volle Becher kreiset,
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Wo sich muntre Paare schwingen
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Bei Gesang und heitern Scherzen.
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Doch das starke Turnerherz
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Trage willig, frohen Muthes
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Auch des Lebens herbsten Schmerz.
 
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Frei, so endet sich das Sprüchlein
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Und die Herzen hör' ich schlagen,
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Und die Augen seh' ich flammend
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Zu dem Adler aufgeschlagen!
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Ein Gedanke stolz und kräftig
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Jede deutsche Brust durchbebet,
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Aecht und unverfälscht vor allem
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In des Turners Seele lebet:
 
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Daß hinfort aus deutscher Erde
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Eine stolze Eiche steige,
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Deren grüne Blätterkrone
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Ueber alle Lande reiche,
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Deren Stamm sich ungespalten
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Heb' empor, ein freier Mann,
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Weil die hohe, heil'ge Freiheit
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Nur in Einheit wurzeln kann.
 
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Bis dies hohe Ziel errungen,
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Freier Turner, raste nimmer,
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Sieh, durch dunkle Wetterwolken
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Leuchtet hell der Zukunft Schimmer,
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Bis die deutsche Eiche grünet,
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Bis im Staub die Feinde liegen,
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Laßt zu jedem rechten Streite
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Euch voran die Fahne fliegen!
 
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Folgt ihr, wo es gilt zu schützen
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Hof und Herd mit frohem Muthe,
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Folgt ihr, wenn die junge Freiheit
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Heischt von eurem bestem Blute:
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Darum weiht euch diese Fahne
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Eurer deutschen Schwestern Hand,
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Sie auch fühlen, sie auch leben
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Für's geliebte Vaterland!
 
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Aber, wenn die Schlacht geschlagen,
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Wenn sie steht, die stolze Eiche,
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Hänget dann die treue Fahne
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Auf an einem grünen Zweige,
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Als ein Zeichen, daß die Deutung
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Eures Spruchs erfüllet sei:
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Daß nun jede deutsche Seele
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Frisch und fröhlich, fromm und frei!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (30.6 KB)

Details zum Gedicht „Bei Ueberreichung einer Turnerfahne“

Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
88
Anzahl Wörter
443
Entstehungsjahr
1821 - 1877
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Bei Ueberreichung einer Turnerfahne“ stammt aus der Feder der Autorin bzw. Lyrikerin Luise Büchner. Geboren wurde Büchner im Jahr 1821 in Darmstadt. Zwischen den Jahren 1837 und 1877 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin kann der Text den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus zugeordnet werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das vorliegende Gedicht umfasst 443 Wörter. Es baut sich aus 11 Strophen auf und besteht aus 88 Versen. Luise Büchner ist auch die Autorin für das Gedicht „Weiche Luft, nach Sonnenbrande“, „Wenn diese Stirne trüb der Gram umdüstert“ und „Kam die Liebe in mein Herz gezogen“. Zur Autorin des Gedichtes „Bei Ueberreichung einer Turnerfahne“ haben wir auf abi-pur.de weitere 50 Gedichte veröffentlicht.

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