Es war ein frommer Ordensmann von Clemens Brentano
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Es war ein frommer Ordensmann |
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Gar treu in allen Dingen |
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Der Mutter Gottes zugetan, |
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Im Beten und im Singen |
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In aller Rede fort und fort, |
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War stets sein erst und letztes Wort: |
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Gegrüßt seist du Maria! |
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Gar lieb war ihm ein Vögelein, |
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Das jung ihm zugeflogen, |
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Und er im kleinen Körbelein |
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Gelehrt und aufgezogen |
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Und lieblich sang es früh und spat |
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Wie es von ihm gehöret hat: |
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Gegrüßt seist du Maria! |
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Nun war das kleine Körbelein |
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Baufällig und zerbrochen, |
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Da ist das kluge Vögelein |
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Zuletzt herausgekrochen, |
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Und als es in die Freiheit kam, |
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Fieng fröhlich es zu singen an: |
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Gegrüßt seist du Maria! |
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Der fromme Mann dem Vögelein |
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Ist lange nachgegangen |
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Und hielt ihm dar das Körbelein, |
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Es wieder einzufangen. |
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Doch dies von Baum zu Baum sich schwang |
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Und immerfort sein Liedlein sang: |
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Gegrüßt seist du Maria! |
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Das Vöglein einst auf dürrem Zweig |
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Sich wollt' sein Nestchen bauen |
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Da stürzt' auf es ein Geier gleich, |
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Trug's fort in seinen Klauen, |
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Da schrie das kleine Vögelein |
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Wohl in den höchsten Nöten sein: |
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Gegrüßt seist du Maria! |
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Da kam ein Blitz in höchster Not |
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Aus hellem Himmel nieder, |
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Und schlug den bösen Geier tot, |
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Frei flog das Vöglein wieder, |
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Und zu Mariä Ehren sang |
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Das Vöglein mit noch hellerm Klang: |
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Gegrüßt seist du Maria! |
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Der fromme Mann im Garten stand, |
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Sah zu mit Angst und Bangen, |
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Frisch und gesund ihm auf die Hand |
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Flog's Vöglein, ließ sich fangen, |
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Heim trug er's in dem Körbelein |
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Und sang mit seinem Vögelein: |
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Gegrüßt seist du Maria! |
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Hat nun, o liebste Mutter mein, |
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Bei dir so viel erworben |
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Ein unvernünftig Vögelein, |
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Daß es nicht bös gestorben, |
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Wirst du mich auch verlassen nicht, |
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Der dich verehrt und herzlich spricht: |
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Gegrüßt seist du Maria! |
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So will ich, liebste Mutter rein, |
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Dich grüßen mit Vertrauen, |
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Daß du mich allen Feinden mein |
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Mögst reißen aus den Klauen. |
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So sing' ich dir im Tränental |
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Noch hundertmal und tausendmal: |
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Gegrüßt seist du Maria! |
Details zum Gedicht „Es war ein frommer Ordensmann“
Clemens Brentano
9
63
321
1778 - 1842
Romantik
Gedicht-Analyse
Clemens Brentano ist der Autor des Gedichtes „Es war ein frommer Ordensmann“. Brentano wurde im Jahr 1778 in Ehrenbreitstein (Koblenz) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1794 und 1842. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Bei Brentano handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.
Die Romantik ist eine Epoche der Kunstgeschichte, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19. Jahrhundert hinein die Literatur, Musik, Kunst und Philosophie prägte. Auf die Literatur beschränkt betrachtet reichen die Auswirkungen der Epoche lediglich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hinein. Bis in das Jahr 1804 hinein spricht man in der Literatur von der Frühromantik, bis 1815 von der Hochromantik und bis 1848 von der Spätromantik. Die Literaturepoche der Romantik entstand in Folge politischer Krisen und gesellschaftlicher Umbrüche. In ganz Europa fand ein Übergang von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft statt. Gleichermaßen bildete sich ein bürgerliches Selbstbewusstsein heraus. Technologischer Fortschritt und Industrialisierung sind prägend für diese Zeit. Wesentliche Motive in der Lyrik der Romantik sind die Ferne und Sehnsucht sowie das Gefühl der Heimatlosigkeit. Weitere Motive sind das Fernweh, das Nachtmotiv oder die Todessehnsucht. So symbolisierte die Nacht nicht nur die Dunkelheit, sondern auch das Geheimnisvolle, Mysteriöse und galt als Quelle der Liebe. Merkmale der Romantik sind die Hinwendung zur Natur, die Weltflucht oder der Rückzug in Traumwelten. Insbesondere ist aber auch die Idealisierung des Mittelalters aufzuzeigen. Architektur und Kunst des Mittelalters wurden von den Vertretern der Romantik wieder geschätzt. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Texten und Gedichten. Phantasie ist für die Schriftsteller der Romantik das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Wissenschaft und Poesie, zwischen Wirklichkeit und Traum soll durchbrochen werden. Die Schriftsteller der Romantik streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es, alle Lebensbereiche zu poetisieren.
Das Gedicht besteht aus 63 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 321 Worte. Clemens Brentano ist auch der Autor für Gedichte wie „Die Abendwinde wehen“, „14. Juli 1834“ und „Als ich in tiefen Leiden“. Zum Autor des Gedichtes „Es war ein frommer Ordensmann“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 297 Gedichte vor.
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