Zur Stunde, die in Sehnsucht zagt von Clemens Brentano

Zur Stunde, die in Sehnsucht zagt,
Dem Schiffer tief das Herz beweget
Der Freunden heut Lebwohl gesagt,
Und Liebe in dem Pilger reget,
Hört er, wie ferne Abendglockenklänge scheinen
Den Tag, den sterbenden, wehklagend zu beweinen.
 
Da ward mein Herz so schwer, so schwer,
Ich schiffte einsam auf den Wogen,
Da hat dein Lied vom Felsen her
10 
Mich in die Brandung hingezogen
11 
Sirenenkind, ich mußt' an deinen Klippen stranden
12 
Mich lockten Flammen, die auf deinen Lippen brannten.
 
13 
Ich drang zu dir, ich rang zu dir
14 
Der Unerkannten, Tiefverwandten,
15 
Du wichst vor mir, du schlichst zu mir
16 
Und legtest mich gebannt in deine Banden,
17 
Da sank dein schlummernd Haupt an meines Herzens Wunde
18 
Und flüsterte dein heimlich Lied aus blühndem Munde.
 
19 
Sirene
 
20 
»Ach hätt' ich doch kein Schiff erblickt
21 
Ach wär' ich länger einsam blieben,
22 
Die Sehnsucht hat mir's hergeschickt,
23 
Mein Sehnen hat mir's zugetrieben,
24 
Die arme Liebe ruht mir selig in den Armen,
25 
Armselige du träumst, dich wieget mein Erbarmen!
 
26 
Wen ich könnt' lieben, hab' ich nicht,
27 
Der heiß mich liebt, ist nur mein eigen,
28 
Und meiner Liebe heimlich Licht
29 
Kann seiner Glut nur Mitleid zeigen
30 
Den Sternen send' ich meiner eignen Sehnsucht Qualen
31 
Die Lichtesküsse mir zu meinen Lilien strahlen.
 
32 
Ein Fruchtbaum ganz von Früchten schwer
33 
Senkt seinen Himmel zu der Erden,
34 
Kömmt stark ein Sturm von Osten her,
35 
Kann er nicht froh erschüttert werden
36 
Er schüttelt ab die Früchte und die schwachen Blüten,
37 
Und meine Träume, die mir nachts so heilig glühten.
 
38 
Der heiße Tag kühlt sich am Mond
39 
Doch Meer und Blut hat Flut und Ebbe,
40 
Kein Friede je der Liebe lohnt
41 
Trägt andrer Sehnsucht sie die Schleppe!
42 
Weh! träum' ich Liebe, muß den süßen Traum ich hassen,
43 
Denn ungeliebte Liebe kann mich nicht mehr lassen!«
 
44 
Der Schiffer
 
45 
So sang das Kind, ich hörte zu
46 
Und fleh', laß dich durch mich nicht stören,
47 
Mich singt dein Lied zur ew'gen Ruh,
48 
Dir will ich ew'gen Frieden schwören,
49 
Im letzten Augenblick sprichst du in Tränenbächen
50 
Er liebte mich allein bis Herz und Augen brechen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.8 KB)

Details zum Gedicht „Zur Stunde, die in Sehnsucht zagt“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
50
Anzahl Wörter
335
Entstehungsjahr
1778 - 1842
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Zur Stunde, die in Sehnsucht zagt“ des Autors Clemens Brentano. Geboren wurde Brentano im Jahr 1778 in Ehrenbreitstein (Koblenz). Zwischen den Jahren 1794 und 1842 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Der Schriftsteller Brentano ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hineinreichte. Insbesondere auf den Gebieten der Literatur, Musik oder der bildenden Kunst hatte diese Epoche umfangreiche Auswirkungen. Die Literaturepoche der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Literaturepoche der Romantik entstand in Folge politischer Krisen und gesellschaftlicher Umbrüche. Im gesamten Europa fand ein Übergang von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft statt. Gleichzeitig bildete sich ein bürgerliches Selbstbewusstsein heraus. Technologischer Fortschritt und Industrialisierung sind prägend für diese Zeit. Bedeutende Motive in der Lyrik der Romantik sind die Ferne und Sehnsucht sowie das Gefühl der Heimatlosigkeit. Andere Motive sind das Fernweh, das Nachtmotiv oder die Todessehnsucht. So symbolisierte die Nacht nicht nur die Dunkelheit, sondern auch das Geheimnisvolle, Mysteriöse und galt als Ursprung der Liebe. Merkmale der Romantik sind die Hinwendung zur Natur, die Weltflucht oder der Rückzug in Traumwelten. Insbesondere ist aber auch die Idealisierung des Mittelalters aufzuzeigen. Architektur und Kunst des Mittelalters wurden von den Vertretern der Romantik wieder geschätzt. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über den Inhalt als auch über die Form des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die festen Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken fällt auf.

Das Gedicht besteht aus 50 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 335 Worte. Clemens Brentano ist auch der Autor für Gedichte wie „Im Wetter auf der Heimfahrt“, „Die Abendwinde wehen“ und „14. Juli 1834“. Zum Autor des Gedichtes „Zur Stunde, die in Sehnsucht zagt“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 297 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Clemens Brentano

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Clemens Brentano und seinem Gedicht „Zur Stunde, die in Sehnsucht zagt“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Clemens Brentano (Infos zum Autor)

Zum Autor Clemens Brentano sind auf abi-pur.de 297 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.