Treuliebchens Tod von Wilhelm Hertz

O Liebster, sag', welch süßer Ton,
So mächtig und so lind?
?Die Kirchenglocken klingen schon,
Du armes, armes Kind."
 
Dazwischen schallt so hold und klar
Gesang aus Engelsmund.
?Sie rufen uns bald zum Traualtar,
Bald, bald bist du gesund."
 
Bald, Liebster, bald! Sie rufen all'
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In fernes, fremdes Land.
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Du hörst ihn nicht, den süßen Schall;
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Komm, reich' mir deine Hand!
 
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Mein Haupt wird frei, mein Aug' wird licht,
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Vom Herzen schwand das Weh;
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Siehst du das seltsame Gesicht,
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Das ich durchs Fenster seh'?
 
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Da liegt ein Grab in Einsamkeit
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Mit Blumen bunt und klar;
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Die windest du der fremden Maid
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Als Brautkranz in das Haar.
 
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Wer gab sie dir zu Scherz und Lust?
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Was störst du mein stilles Haus?
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Nicht starb meine Liebe in toter Brust,
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Lenzblumen wurden daraus.
 
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Die blühn für dich. - Drum nimm sie hin!
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Gott segne deine Braut!
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Nie mag bereun dein heit'rer Sinn,
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Was ich im Tod geschaut.
 
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Die Stunde schlägt, die Glocke schallt
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Mit sanfter Himmelsmacht;
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Mein Aug' ist müd', - der Ton verhallt,
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Herzliebster, gute Nacht!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.2 KB)

Details zum Gedicht „Treuliebchens Tod“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
174
Entstehungsjahr
1835 - 1902
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Treuliebchens Tod“ stammt von dem deutschen Dichter und Germanisten Wilhelm Hertz, der zwischen 1835 und 1902 lebte. Es kann deshalb in die Epoche des literarischen Realismus datiert werden.

Bei der ersten Lektüre des Gedichts entsteht ein sentimentaler und tragischer Eindruck. Es geht um eine im Sterben liegende Geliebte, die sich von ihrem Geliebten verabschiedet. Die Protagonistin spricht aus der Perspektive eines Sterbenden und richtet ihre Worte sowohl an ihren Liebsten als auch an den Hörer der Kirchenglocken.

Der Inhalt des Gedichts in einfacheren Worten ist folgende: Die sterbende Liebende hört die Kirchenglocken und interpretiert sie als Ruf in ein weit entferntes Land. Sie fordert ihren Geliebten auf, ihr die Hand zu reichen und die klangliche Vision zu teilen. Sie sieht ein Grab in der Ferne und bittet ihn, sich einer anderen Frau zuzuwenden, nachdem sie gestorben ist. Sie betont jedoch, dass ihre Liebe nicht mit ihrem Tod enden wird, sondern wie Frühlingsblumen weiter blüht. Sie wünscht ihm Glück und sendet ihren Segen, bevor sie sich mit einer letzten „Gute Nacht“ verabschiedet.

In Bezug auf Form und Sprache folgt das Gedicht einer strengen Struktur mit acht Strophen zu je vier Versen. Die Sprache ist einerseits streng und formell, andererseits aber auch sehr emotional und bildlich. Besonders auffällig sind die wiederkehrenden Motive der Kirchenglocken und der Blumen, die die Themen Tod, Abschied, aber auch Erneuerung und kontinuierliche Liebe symbolisieren. Der Ton des Gedichtes ist wehmütig und doch hoffnungsvoll, was durch die sanften und liebevollen Worte des lyrischen Ichs unterstützt wird. Zusammenfassend ist das Gedicht „Treuliebchens Tod“ ein eindrucksvolles Beispiel für die sentimentale und doch formstreng gestaltete Lyrik des literarischen Realismus, geprägt von tief empfindsamen und stark imaginierten Darstellungen von Tod und Liebe.

Weitere Informationen

Wilhelm Hertz ist der Autor des Gedichtes „Treuliebchens Tod“. Geboren wurde Hertz im Jahr 1835 in Stuttgart. Zwischen den Jahren 1851 und 1902 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zuordnen. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das 174 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 8 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Wilhelm Hertz sind „Am Grabe meiner Mutter“, „Geist der Jugend“ und „Am Sarge eines jungen Mädchens“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Treuliebchens Tod“ weitere 11 Gedichte vor.

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