Ringelnatz, Joachim - als eine Reihe von guten Tagen (Gedichtinterpretation)

Schlagwörter:
Joachim Ringelnatz, Gedichtanalyse, Interpretation, Streit, Gedicht, Ironie, Referat, Hausaufgabe, Ringelnatz, Joachim - als eine Reihe von guten Tagen (Gedichtinterpretation)
Themengleiche Dokumente anzeigen

Referat

Gedichtanalyse: „…als eine Reihe von guten Tagen“ von Joachim Ringelnatz

Einführung

Joachim Ringelnatz (1883–1934), mit bürgerlichem Namen Hans Gustav Böttcher, war ein deutscher Dichter, Kabarettist und Maler, der für seinen humorvollen, oft satirischen Stil bekannt ist. Sein Gedicht „…als eine Reihe von guten Tagen“, veröffentlicht 1928, gehört zur literarischen Moderne mit expressionistischen Einflüssen und bietet eine ironische Reflexion über die zyklische Natur von Streit und Versöhnung in zwischenmenschlichen Beziehungen. Diese Analyse untersucht den Inhalt, die Struktur, die sprachlichen Mittel, die Thematik sowie den historischen und biografischen Kontext des Gedichts.

...als eine Reihe von guten Tagen
von Joachim Ringelnatz

Wir wollen uns wieder mal zanken,
Auf etwas hacken wie Raben,
Daß unsre zufriednen Gedanken
Eine Ablenkung haben.
 
Wir wollen irgendein harmloses Wort
Entstellen,
Dann uns verleumden und zum Tort
Etwas tun; das schlägt dann Wellen.
 
Wir wollen dritte aufzuhetzen
10 
Versuchen,
11 
Dann unsere Freundschaft verfluchen,
12 
Einmal sogar ein Messer wetzen,
13 
Dann aber uns – in Blickweite –
14 
Auseinander zusammensetzen,
15 
Um superior jedem weiteren Streite
16 
Auszuweichen;
17 
Mit dem Schwur beiseite:
18 
Uns nimmermehr zu vergleichen.
 
19 
Dann wollen wir, jeder mit Ungeduld,
20 
Ein paar Nächte schlecht träumen,
21 
Dann heimlich eine gewisse Schuld
22 
Dem anderen einräumen,
23 
Dann lächeln, dann seufzen, dann stöhnen,
24 
Dann plözlich uns gründlich bezechen,
25 
Dann von dem vergänglichen, wunderschönen
26 
Leben sprechen.
 
27 
Und dann uns wieder einmal versöhnen.

(„...als eine Reihe von guten Tagen“ von Joachim Ringelnatz ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (25.4 KB) zur Unterstützung an.)

Das Gedicht umfasst 27 Verse, die in fünf Strophen unterteilt sind: Strophe 1 (4 Zeilen), Strophe 2 (4 Zeilen), Strophe 3 (10 Zeilen), Strophe 4 (8 Zeilen) und Strophe 5 (1 Zeile).

Struktur und Form

Die Struktur des Gedichts ist unregelmäßig, was die emotionale Dynamik des beschriebenen Zyklus von Streit und Versöhnung widerspiegeln könnte. Die kurzen ersten beiden Strophen legen die Grundlage und Intention des Streits, während die längere dritte Strophe die Eskalation detailliert beschreibt. Die vierte Strophe zeigt die emotionale Nachbearbeitung, und die abschließende einzeilige Strophe markiert die lakonische Rückkehr zur Harmonie.

  • Strophe 1 (Verse 1–4): Einführung der Absicht, sich zu streiten.
  • Strophe 2 (Verse 5–8): Planung der Eskalation durch Worte.
  • Strophe 3 (Verse 9–18): Höhepunkt des Konflikts mit Trennung.
  • Strophe 4 (Verse 19–26): Reflexion und emotionale Verarbeitung.
  • Strophe 5 (Vers 27): Versöhnung als Abschluss.

Das Reimschema variiert: Die ersten beiden Strophen folgen einem klaren AABB-Schema (z. B. „zank’n“ – „Gedanken“), während die dritte und vierte Strophe komplexere und unregelmäßigere Reimstrukturen aufweisen (z. B. „aufhetzen“ – „wetzen“). Die fünfte Strophe hat keinen Reim, was ihre Abgeschlossenheit betont. Diese formale Freiheit ist typisch für Ringelnatz’ Stil und die Moderne.

Sprachliche Mittel

Ringelnatz verwendet eine umgangssprachliche, teils dialektale Sprache (z. B. „woll’n“ statt „wollen“, „zank’n“ statt „zanken“), die dem Gedicht einen volkstümlichen, ironischen Ton verleiht. Diese Lockerheit steht im Kontrast zur Ernsthaftigkeit des beschriebenen Konflikts und verstärkt die satirische Wirkung.

Metaphern und Symbole
  • „Auf etwas hacken wie Raben“ (Vers 2): Die Metapher vergleicht den Streit mit dem Verhalten von Raben, die auf etwas einhacken – ein Bild für zerstörerisches, schmarotzendes Verhalten.
  • „Ein Messer für alle Fälle wetzen“ (Vers 12): Das Messer symbolisiert die potenzielle Gewalt und die Bereitschaft zur Eskalation, bleibt jedoch ironisch, da der Streit letztlich harmlos bleibt.
Reim und Rhythmus
  • Die Reime (z. B. „Wort“ – „Tort“, „entstell’n“ – „Wellen“) verleihen dem Gedicht eine musikalische Qualität und betonen die Absurdität des Streits.
  • Alliterationen wie „Schimpf und Schande“ (Vers 7) verstärken die klangliche Wirkung und unterstreichen die emotionale Intensität.
Ironie und Satire

Die Ironie liegt in der bewussten Planung eines Streits („Wir woll’n uns wieder mal zank’n“) und der absurden Übertreibung (Messer wetzen, Freundschaft verfluchen), die in der banalen Versöhnung endet. Dies spiegelt Ringelnatz’ typischen Humor wider, der oft das Lächerliche im Menschlichen entlarvt.

Inhaltliche Analyse

Das Gedicht erzählt die Geschichte eines geplanten Konflikts zwischen zwei Personen, die aus Langeweile oder Routine heraus Streit suchen. Sie verdrehen Worte, hetzen Dritte auf, trennen sich mit großem Drama, nur um nach Reflexion und schlechtem Gewissen wieder zusammenzukommen. Der Zyklus ist bewusst übertrieben dargestellt, was auf eine satirische Kritik an der menschlichen Neigung hinweist, Drama zu erzeugen und wieder aufzulösen.

  • Strophe 1: Die Absicht, sich zu streiten, wird als Ablenkung von „zufriednen Gedanken“ beschrieben – ein Hinweis auf die Monotonie, die sie durchbrechen wollen.
  • Strophe 2: Ein harmloses Wort wird zum Auslöser, was die Banalität des Streitanlasses betont.
  • Strophe 3: Die Eskalation erreicht ihren Höhepunkt mit der Trennung und dem Schwur, sich nie zu versöhnen – ein melodramatischer Akt, der ironisch gebrochen wird.
  • Strophe 4: Die Nachwirkungen (Träume, Schuld, Seufzen) zeigen die emotionale Tiefe, die der Streit hinterlässt, trotz seiner Künstlichkeit.
  • Strophe 5: Die Versöhnung erfolgt fast beiläufig, was den Zyklus schließt.

Thematische Interpretation

Zyklische Natur von Beziehungen

Das zentrale Thema ist der wiederkehrende Zyklus von Konflikt und Versöhnung. Ringelnatz zeigt, wie Menschen Konflikte bewusst heraufbeschwören, nur um sie wieder zu lösen, was auf eine tiefere Sehnsucht nach emotionaler Intensität oder Verbindung hindeuten könnte.

Ironie des Titels

Der Titel „…als eine Reihe von guten Tagen“ ist ironisch, da die beschriebenen Tage voller Streit und Drama sind. Doch die Versöhnung am Ende könnte sie retrospektiv „gut“ machen – eine paradoxe Sichtweise, die typisch für Ringelnatz’ Humor ist. Das „…“ im Titel deutet auf etwas Unvollständiges oder Fragmentarisches hin, was die Zyklen als Teil eines größeren Ganzen andeuten könnte.

Satire auf menschliches Verhalten

Das Gedicht kritisiert spielerisch die Tendenz, aus Nichtigkeiten Konflikte zu schaffen, und zeigt die Absurdität dieses Verhaltens durch Übertreibung (z. B. Messer wetzen). Es könnte auch eine Reflexion über die Weimarer Republik sein, eine Zeit voller sozialer Spannungen und Versöhnungsversuche.

Expressionistische Elemente

Als Teil der Moderne mit expressionistischen Zügen betont das Gedicht emotionale Subjektivität und innere Konflikte. Die Dramatik der dritten Strophe und die Reflexion in der vierten spiegeln die expressionistische Suche nach Tiefe und Authentizität wider.

Historischer und Biografischer Kontext

Das Gedicht entstand 1928 in der Weimarer Republik, einer Zeit politischer Instabilität und kultureller Blüte. Ringelnatz, der als Seemann und Kabarettist ein bewegtes Leben führte, brachte seine Erfahrungen in seine Werke ein. Seine Verbindung zu satirischen Kreisen (z. B. „Simplicissimus“) und sein Hang zur Übertreibung prägen das Gedicht. Die Thematik von Konflikt und Versöhnung könnte auch die gesellschaftlichen Spannungen seiner Zeit widerspiegeln.

Fazit

„…als eine Reihe von guten Tagen“ ist ein vielschichtiges Werk, das durch seine ironische Sprache, unregelmäßige Struktur und satirische Tiefe besticht. Es beleuchtet die menschliche Neigung, Drama zu erzeugen und wieder aufzulösen, und bietet gleichzeitig einen humorvollen Kommentar zu Beziehungen. Ringelnatz vereint hier Kabarett-Humor mit expressionistischer Emotionalität, was das Gedicht zeitlos und universell macht.

Zurück