Tekinay, Alev - Dazwischen (Gedichtanalyse Vergleich mit dem Gedicht Alter Emigrant)

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Referat

Alev Tekinay – „Dazwischen“

Gliederung / Inhalt

Interpretation des Gedichts „Dazwischen“

Das vorliegende Gedicht „Dazwischen“ der türkischen Schriftstellerin Alev Tekinay, welches im Jahr 2001 veröffentlicht wurde, thematisiert die innere Zerrissenheit des lyrischen Ichs zwischen zwei Heimaten und die unendliche Suche nach einer Lösung.

Zu Beginn des Gedichts begrenzt sich das lyrische Ich bloß auf die Beschreibung des täglichen Kofferein- und Auspackens. Direkt in der zweiten Strophe wird die Problematik des Gedichts vorgestellt, in welcher das lyrische Ich die ständige Zerrissenheit zwischen Rückkehr und dem Verbleiben in seiner neuen Heimat anspricht. Kurz darauf bezweifelt der lyrische Sprecher den Bezug zu seiner Identität und weist dadurch Unsicherheit über sich selbst auf. Die vierte Strophe erläutert das ständige Heimweh, welches sich jedoch zu gleich in eine immer stärker ausgeprägte Akzeptanz des neuen Lebensumfelds entwickelt. In der letzten Strophe erreicht das lyrische Ich den Höhepunkt seines inneren Dilemmas und beschreibt dieses anhand einer imaginären Zugfahrt zwischen seinem Kleiderschrank und seinem Koffer.

Das Gedicht besteht aus fünf unregelmäßig langen Strophen, welche sich insgesamt aus 22 Versen zusammensetzen. Das unregelmäßige Metrum sowie auch der unregelmäßige Aufbau des gesamten Gedichts tragen dazu bei, dass eine gewisse Spannung sowie Hektik beim Leser entsteht, welche die Situation des Zwiespalts unterstreichen und verdeutlichen soll.

Die Motivik der Einsamkeit und des Fremdheitsgefühls in einer neuen Heimat wird im vorliegenden Gedicht durchgehend hervorgebracht anhand des genannten Koffers, welcher durchgehend ein und wieder ausgepackt wird. Die Ellipse in Vers 2 „und dann [packe ich ihn] wieder aus“ stellt die Motivik der Zerrissenheit ein weiteres Mal in den Vordergrund und bewirkt bei dem Leser eine gewisse Hektik, welche die schwere Lage des lyrischen Ich betont. Auffällig sind auch die zahlreichen Enjambements, welche das lyrische Ich nutzt, um seine Zweifel und Unentschlossenheit zu unterstreichen. Die sinnbildliche Beschreibung der Begriffe „Koffer“ und „Kleiderschrank“, welche einerseits seine Heimat und andererseits seinen neuen Wohnort beschreiben, erzeugen bei den Lesern ein Bild eines Zuhause, welches jedoch nie vollkommen erreicht werden kann. In Strophe 2 erfährt der Leser nun endlich, wo sich das lyrische Ich in diesem Moment aufhält (Vers 6) und lässt daher auch vermuten, dass die Türkei das eigentliche Vaterland des lyrischen Ichs ist. Der Identitätsverlust, welcher in Strophe 3 zum ersten Mal benannt wird, hat enorme Auswirkungen auf die emotionale Ebene des lyrischen Ichs. Denn während das lyrische Ich von sich selbst behauptet, dass es versucht sich zu ändern, kann es sich nicht an seine neue Lebenssituation anpassen und „bleibt doch gleich“. Die Bezeichnung „ich ändere mich und bleibe doch gleich“ ist im selben Augenblick auch eine Antithese, welche die Zerrissenheit, die Spannung und den starken Zwiespalt zwischen den zwei Heimaten zum Ausdruck bringt. Die vorletzte Strophe betont ein weiteres Mal wie „unwiderstehlich“ die Rückkehr für das lyrische Ich ist, dennoch steht das Dilemma wieder weit im Vordergrund. Die neue Heimat hält das lyrische Ich fest und führt dazu, dass sich auch das lyrische Ich immer wohler in dieser fühlt.

In der letzten Strophe steht die imaginäre Zugfahrt im Fokus, welche unfassbar entfernt erscheint („zweitausend Kilometer“) und gleichzeitig die Entscheidung umso schwerer gestaltet. Diese Unentschlossenheit wird sogar wörtlich benannt und mit einer ganzen Welt verglichen. Diese Welt wird selbstverständlich als Metapher für das Leben des lyrischen Ichs genutzt, erscheint jedoch für den Leser dadurch umso dramatischer und größer. Eine Entscheidung wird dadurch fast als unmöglich angesehen. Des Weiteren bewirkt auch die Metonymie „Koffer ein-/auspacken“, welche mit einer Heimkehr sowie dem Wunsch bleiben zu können, verglichen werden kann.

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Vergleichende Analyse mit dem Gedicht „Alter Emigrant“ von Oskar Maria Graf

„Dazwischen“ ist ein Gedicht, welches die Zerrissenheit und die ewige Suche nach einer Heimat thematisiert. Ähnliche Motivik wird auch im Gedicht „Alter Emigrant“ vorgestellt, welche sich hauptsächlich mit der Thematik der Einsamkeit, des Leeregefühls und des Fremdheitsgefühls beschäftigt. Diese Zusammenhänge lassen sich verbinden und einzelne Gemeinsamkeiten aufgreifen.

Während in beiden Gedichten das lyrische Ich wegen unbekannten Gründen sein Vaterland verlassen musste, um in ein anderes Land ziehen zu müssen und dort vor die Herausforderung gestellt wird, sich nicht nur neu einzuleben, sondern gleichzeitig in diesem Land ein Ort aufzubauen, welches innerlich als zu Hause bezeichnet werden kann. Dennoch sind die zwei vorgestellten Fremdheitsgefühle in den zwei Gedichten unterschiedlich und an sich so komplex aufgebaut, dass man sie nur schwer miteinander vergleichen kann.

Während im ersten Gedicht „Alter Emigrant“ das lyrische Ich eindeutig keine andere Wahl hatte als in das neue Land zu emigrieren, entschied sich das lyrische Ich im zweiten Gedicht „Dazwischen“ höchstwahrscheinlich freiwillig zur Emigration. Im Fall der Heimatsuche spielt der eigene Wille eindeutig einen der ausschlaggebenden Punkte, denn nur der eigene Wille wird es uns möglich machen, ein neues Land als unsere Heimat akzeptieren zu können und dort unser Leben aufbauen zu können.

Des Weiteren ist der Begriff „Akzeptanz“ für das lyrische Ich im ersten Gedicht ein Fremdwort, denn die neue Umgebung und die Lebenssituation, in welcher sich der lyrische Spreche nun gefangen fühlt verspürt keinerlei Akzeptanz. Das lyrische Ich hat im Kontext des ersten Gedichts eindeutig nur eine Heimat und verbindet auch nur mit dieser ein positives und warmes Gefühl. Im Gegensatz dazu fühlt sich das lyrische Ich im zweiten Gedicht höchstwahrscheinlich in seiner neuen Heimat sehr wohl, dennoch zieht das Gefühl des Heimwehs ihn manchmal zurück in seine Heimat. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er ein Fremdheitsgefühl in seiner neuen Heimat verspürt. Das lyrische Ich verweist im zweiten Gedicht sogar selbst darauf, dass er sich jeden Tag ein Stückchen mehr an die neue Heimat gewöhnt. Dies lässt vermuten, dass die Emigration erst in jüngster Vergangenheit stattgefunden hat und das Gefühl eines neuen zu Hause sich noch nicht vollkommen ausgeprägt hat.

Stark auffallend sind die Stimmungen, welche die Gedichte prägen. Während das erste Gedicht („Alter Emigrant“) voller Trauer, Mitleid und Spannung gestaltet ist, wirkt das zweite Gedicht („Dazwischen“) viel entspannter, harmonischer und etwas realistischer auf den Leser ein. Die zwei Welten der lyrischen Sprecher liegen unfassbar weit voneinander entfernt und erzeugen dadurch einen enormen Kontrast zwischen Pessimismus und Realismus.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass selbst wenn der Oberbegriff beider Gedichte „Fremdheitsgefühl in einer neuen Heimat“ lauten könnte, die Gefühle der lyrischen Sprecher kontrastreich aufgezeigt worden sind. Ein Mensch hat unterschiedliche Gründe und Ziele an einem neuen Wohnort, doch die Gefühle die diesen Menschen verfolgen können nicht unterschiedlicher sein. „Alter Emigrant“ und „Dazwischen“ sind zwei Gedichte die diese Spaltung eines Menschen in einem neuen Land aufgreifen und auf zwei unterschiedliche Art und Weisen ausbauen. Während das Fremdheitsgefühl in beiden Gedichten vorhanden ist, spielen die Anteile in den beiden Gedichten unterschiedliche Rollen und erzeugen dadurch konträre Bilder, welche jedoch beide der Realität entsprechen können.

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