Brentano, Clemens - Das Lied der Spinnerin (Gedichtanalyse)

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Clemens Brentano, Gedichtinterpretation, Interpretation, Analyse, Referat, Hausaufgabe, Brentano, Clemens - Das Lied der Spinnerin (Gedichtanalyse)
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Referat

Das Lied der Spinnerin

Der Spinnerin Nachtlied
von Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren
Wohl auch die Nachtigall,
Das war wohl süßer Schall,
Da wir zusammen waren.
 
Ich sing' und kann nicht weinen,
Und spinne so allein
Den Faden klar und rein
So lang der Mond wird scheinen.
 
Als wir zusammen waren
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Da sang die Nachtigall
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Nun mahnet mich ihr Schall
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Daß du von mir gefahren.
 
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So oft der Mond mag scheinen,
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Denk' ich wohl dein allein,
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Mein Herz ist klar und rein,
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Gott wolle uns vereinen.
 
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Seit du von mir gefahren,
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Singt stets die Nachtigall,
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Ich denk' bei ihrem Schall,
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Wie wir zusammen waren.
 
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Gott wolle uns vereinen
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Hier spinn' ich so allein,
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Der Mond scheint klar und rein,
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Ich sing' und möchte weinen.

(„Der Spinnerin Nachtlied“ von Clemens Brentano ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24.6 KB) zur Unterstützung an.)

Gliederung / Inhalt

Inhalt und Interpretation

Die erinnerte Liebe und das Spinnen als Symboltätigkeit

Das Gedicht „Das Lied der Spinnerin“ von Clemens Brentano führt uns in die Welt einer Protagonistin, die während ihrer nächtlichen Arbeit das Spinnen nutzt, um in Erinnerungen an die verlorene Liebe zu schwelgen. Der Akt des Spinnens, einer monotonen und einsamen Tätigkeit, wird zum Symbol für den inneren Prozess des Aufarbeitens und Ordnens von Gefühlen, der intensiven Beschäftigung mit der Vergangenheit. Das Lyrische Ich verknüpft das Spinnen mit der Vergangenheit, indem es seiner Liebe gedenkt, die es im gleichen Maße zu spinnen versucht wie den Flachs. Das Spinnrad, das sich ständig dreht, symbolisiert gleichzeitig den unaufhörlichen Lauf des Lebens, das trotz der Abwesenheit des Geliebten weitergeht.

Sehnsucht und Einsamkeit der Spinnerin

Die tiefe Sehnsucht und Einsamkeit der Spinnerin manifestieren sich in der Diskrepanz zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. Während in den ungeraden Strophen die erinnerte, glückliche Zeit mit dem Geliebten und der singenden Nachtigall beschrieben wird, stehen die geraden Strophen für die Gegenwart und das Alleinsein. Die Phrase „spinne so alleine“ verdeutlicht den Schmerz über das Alleinsein und gleichzeitig das Bewusstsein über die nunmehr klare und reine, jedoch von Einsamkeit geprägte Gegenwart. In dieser wird die Trennung zum zentralen Lebensthema der Spinnerin, die sich auch in der christlich-katholischen Weltsicht der Romantik widerspiegelt, in der sinnliche Liebe oft keine Erfüllung fand und somit nicht selten zu einem unerfüllten Sehnen wurde.

Die Nachtigall als wiederkehrendes Symbol der Vergangenheit

In „Das Lied der Spinnerin“ wird die Nachtigall zu einem wiederkehrenden Motiv, das als Bindeglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart dient. Die Nachtigall steht als Symbol für die romantische Liebe, deren Gesang die Spinnerin an die Zeiten der Einheit mit dem Geliebten erinnert. Diese Verknüpfung von Nachtigall und Liebe wird durch Erscheinungen des Vogels in der Nacht verstärkt, die als mahnender Schall beim Gedanken an den Verlust des Geliebten wirken. Ihre Melodie symbolisiert die unerfüllte Sehnsucht und lässt die Vergangenheit für Momente in der Gegenwart lebendig werden. Die Erinnerungen, die durch das Singen der Nachtigall hervorgerufen werden, zeichnen die emotionalen Schwingungen der Spinnerin nach und vertiefen ihre Empfindungen der Hoffnung und des Schmerzes.

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Formale Aspekte

Strophengliederung und Reimschema

Das Gedicht „Das Lied der Spinnerin“ von Clemens Brentano ist strukturell in sechs Strophen gegliedert, die jeweils vier Verse umfassen. Diese klare und regelmäßige Strophengliederung verleiht dem Gedicht Ordnung und Rhythmus. Das durchgängige Reimschema folgt der Form des umarmenden Reims (abba), was eine umschließende und wiederkehrende Bewegung suggeriert. Diese Form unterstreicht die zyklische und repetitive Natur des Spinnens und die obsessive Gedankenschleife der Spinnerin hinsichtlich ihrer verlorenen Liebe. Die Besonderheit, dass sich jeweils die erste, dritte und fünfte Strophe sowie die zweite, vierte und sechste Strophe reimen, sorgt für eine melodische Harmonie, die die Netzartigkeit des Webspinns und die verbundenen Erinnerungen an die vergangene Liebe nachbildet.

Musikalität durch den dreihebigen Jambus

In der Metrik folgt das Gedicht dem dreihebigen Jambus, der durch seine regelmäßigen Hebungen eine musikalische Qualität und einen gleichmäßigen Takt in das Gedicht einführt. Jede Strophe bildet einen eigenen Satz, was das Gedicht sprachlich flüssig und harmonisch macht. Die Leichtigkeit des dreihebigen Jambus spiegelt die monoton wiederkehrende Tätigkeit des Spinnens wider und erzeugt gleichzeitig eine träumerische Atmosphäre. Diese regelmäßige Metrik lädt zum Mitempfinden der Stimmungen und Gefühle der Spinnerin ein, die durch das Gedicht hindurch schwingen.

Wechsel zwischen Präteritum und Präsens im Gedichtaufbau

Interessant ist der wiederkehrende Wechsel zwischen den Zeitebenen, der sich in der Verwendung von Präteritum in den ungeraden und Präsens in den geraden Strophen manifestiert. Durch diese zeitliche Strukturierung entsteht ein „Vorher-Nachher-Effekt“, der den Kontrast zwischen der erfüllten Vergangenheit und der sehnsuchtsvollen Gegenwart hervorhebt. Die erste Strophe führt direkt in die Stimmung der Spinnerin ein und etabliert eine sehnsüchtig-träumerische Atmosphäre, die durch die Nachtigall symbolisiert wird. Wohingegen die Gegenwart der Spinnerin in der zweiten Strophe, welche das Präsens nutzt, von Einsamkeit und Trauer geprägt ist. Dieser Wechsel führt zu einer dynamischen Spannung im Gedicht, die das emotionale Auf und Ab der Spinnerin zwischen Erinnerung und aktuellem Erleben nachvollziehbar macht. Dabei vermittelt der Wechsel auch die Unveränderlichkeit ihrer Gefühle und Hoffnungen, die trotz des Zeitenablaufs beständig bleiben.

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Symbolik und Motive der Romantik

Spinnrad und Nachtigall als romantische Symbole

Das Gedicht „Das Lied der Spinnerin“ von Clemens Brentano nutzt charakteristische Symbole der Romantik, um tiefergehende Bedeutungen zu vermitteln. Besonders prägnant ist dabei die Verwendung des Spinnrads und der Nachtigall. Das Spinnrad steht in der Romantik oft für den unaufhörlichen Lauf des Lebens und das Schicksal des Menschen. In Brentanos Gedicht symbolisiert das eintönige Drehen des Spinnrads den monotonen Alltag der Spinnerin, welcher durch die Einsamkeit und den Verlust einer einstigen Partnerschaft geprägt ist. Gleichzeitig steht das Spinnen für eine ruhige, innengeleitete Tätigkeit, die Raum für Erinnerungen und Sehnsüchte öffnet.

Die Nachtigall ist ein wiederkehrendes Motiv, das in der Romantik häufig als Symbol für die unerfüllte Liebe und die Sehnsucht nach dem Unendlichen und Erhabenen verwendet wird. Im „Lied der Spinnerin“ erinnert der Gesang der Nachtigall an die vergangenen glücklichen Momente der Liebe und verknüpft somit die Vergangenheit mit der Gegenwart der Leidenden. Weiterhin betont die Nachtigall die Kluft zwischen der damals erlebten Liebe und der jetzigen Einsamkeit, was prägend für die romantisierende Verklärung der Vergangenheit ist.

Das Verhältnis von Liebe und Schmerz in der Epoche

Im Kontext der Romantik ist das Verhältnis von Liebe und Schmerz von entscheidender Bedeutung. Das emotionale Spektrum der Liebenden erstreckt sich von höchster Glückseligkeit bis zu tiefstem Leid, wobei Liebe häufig als unerreichbar oder verloren dargestellt wird. Brentanos Gedicht fängt diese Dualität ein, indem es die Zerrissenheit der Spinnerin schildert, die zwischen Erinnerung an glückliche Zeiten und der Realität ihrer gegenwärtigen Einsamkeit schwankt. Die Epoche der Romantik zeichnet sich durch eine Intensivierung des Gefühlslebens aus, und Brentano nutzt dies, um den Schmerz der unerfüllten Liebe hervorzuheben. Das katholische Weltbild der Zeit trug zudem dazu bei, dass sinnliche Liebe oft als unerreichbar und ungelebt blieb, was die Spinnerin in ihrer Sehnsucht und ihrem Leid zusätzlich bestärkt.

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Emotionale Wirkung und Resonanz

Der Wechsel zwischen Hoffnung und Verzweiflung

In „Das Lied der Spinnerin“ wird die emotionale Achterbahnfahrt von Hoffnung und Verzweiflung, die mit dem Verlust der Liebe einhergeht, deutlich spürbar. Das Gedicht zeichnet sich durch den starken Kontrast zwischen den Erinnerungen an eine vergangene Liebe und der trüben Gegenwart aus. Im ständigen Wechsel zwischen den Vergangenheits- und Gegenwartsepisoden stellt Brentano eine Achse des emotionalen Wechselspiels dar. Die Erinnerungen an die schönen gemeinsamen Momente im Mondlicht erzeugen eine Atmosphäre von Hoffnung und süßer Melancholie. Diese wird jedoch jäh von der Gegenwart abgelöst, in welcher die Spinnerin von der Einsamkeit und der eindringlichen Sehnsucht nach Vereinigung mit dem Verlorenen überwältigt wird.

Die Funktion der Naturmetaphorik

Die Natur in Brentanos Gedicht spielt eine wichtige Rolle als Spiegelfläche menschlicher Emotionen. Besonders die Nachtigall wird zum Symbol der erinnerten Liebe und der damit verbundenen Sehnsucht. Mit ihrem Gesang stellt sie die Verbindung zur Vergangenheit her und ruft in der Protagonistin Gefühle wach, die zwischen sehnsuchtsvoller Erinnerung und schmerzhafter Gegenwart oszillieren. Doch nicht nur die Nachtigall, auch das leise Spinnrad und der scheinende Mond werden eingesetzt, um die stille, innere Welt der Spinnerin widerzuspiegeln und ihren emotionalen Zustand zu unterstreichen.

Die Sehnsucht nach Vereinigung in der Lyrik Brentanos

Clemens Brentanos Gedicht thematisiert tiefgehend die Sehnsucht nach einer Vereinigung, die über die physische Ebene hinausgeht. Es ist die Sehnsucht nach einer verlorenen spirituellen und seelischen Einheit mit dem Geliebten, die das lyrische Ich umtreibt. Die Spinnerin erfährt eine Art von Erlösung in der Vorstellung einer göttlichen Fügung, die die Seelen wieder zusammenführen könnte. Diese Sehnsucht nach einer transzendenten Vereinigung steht emblematisch für Brentanos Poesie und die romantische Lyrik allgemein, in welcher das Irdische nur als Vorstufe oder Spiegelbild eines höheren, oft unerreichbaren Ideals verstanden wird.

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