Gryphius, Andreas - Ebenbild unseres Lebens (Gedichtanalyse)

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Andreas Gryphius, Gedichtinterpretation, Gedichtanalyse, Interpretation, Analyse, Dreißigjähriger Krieg, Referat, Hausaufgabe, Gryphius, Andreas - Ebenbild unseres Lebens (Gedichtanalyse)
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Referat

Andreas Gryphius „Ebenbild unseres Lebens“ (Interpretation & Analyse)

Ebenbild unseres Lebens
von Andreas Gryphius

Der Mensch, das Spiel der Zeit, spielt, weil er allhie lebt
im Schauplatz dieser Welt; er sitzt, und doch nicht feste.
Der steigt, und jener fällt, der suchet die Paläste
und der ein schlechtes Dach; der herrscht, und jener webt.
 
Was gestern war, ist hin; was itzt das Glück erhebt,
wird morgen untergehn; die vorhin grüne Äste
sind nunmehr dürr und tot; wir Armen sind nur Gäste,
ob den′ ein scharfes Schwert an zarter Seide schwebt.
 
Wir sind zwar gleich am Fleisch, doch nicht vom gleichem Stande:
10 
Der trägt ein Purpurkleid, und jener gräbt im Sande,
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bis nach entraubtem Schmuck der Tod uns gleiche macht.
 
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Spielt denn dies ernste Spiel, weil es die Zeit noch leidet,
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und lernt, dass wenn man vom Bankett des Lebens scheidet,
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Kron, Weisheit, Stärk und Gut sei eine leere Pracht!

(„Ebenbild unseres Lebens“ von Andreas Gryphius ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24.4 KB) zur Unterstützung an.)

Im 17. Jahrhundert gab es infolge des Dreißigjährigen Krieges eine große Spanne zwischen Adel und Volk. Anhand dieser massiven Unterschiede thematisiert Andreas Gryphius in seinem 1663 verfasstem Gedicht „Ebenbild unseres Lebens“ die Vanitas, also die Vergänglichkeit aller materiellen Dinge und des irdischen Lebens.

Das lyrische Ich beschreibt erst die unterschiedlichen Lebenssituationen der Menschen, dann geht es darauf ein, dass alles vergänglich ist. Also, dass im Jenseits jeder Mensch gleich ist. Andreas Gryphius verdeutlicht in seinem Werk, dass nicht nur das menschliche Leben temporär ist, sondern auch all der Reichtum und materielle Gegenstände. Es handelt sich um ein Sonett, dieses besitzt 14 Verse, welche in zwei Quartette und zwei Terzette gegliedert sind.

In dem ersten Quartett (V. 1-4) gibt es einen Vergleich zwischen den Lebensweisen der Menschen, die einen leben in Armut und Zerstörung, die anderen genießen ihr Dasein in prunkvollen Palästen. Das lyrische Ich beginnt seine Darlegungen mit der Aussage: „Der Mensch, das Spiel der Zeit, spielt, weil er allhie lebt“ (V. 1) diese metaphorische Aussage beschreibt den Menschen mit der Parenthese „das Spiel der Zeit“ (V. 1) näher. Dabei stellt „das Spiel“ den Wettkampf zwischen den Klassen dar und es wird die Vergänglichkeit in Form der begrenzten Zeit deutlich. Es folgt die Aussage: „Im Schauplatz dieser Welt, er sitzt doch nicht feste“ (V. 2), so wird erneut versinnbildlicht, dass jeder Mensch einen Platz auf dieser Welt hat, doch dieser nicht für ewig ist. Dabei ist es nicht mehr wichtig, wie viel Reichtum jeder einzelne besitzt. „Der steigt und jener fällt“ (V. 3), mit dieser Antithese leitet der lyrische Sprecher die antithetische Gegenüberstellung der Wohnsituation der Menschen ein: „der suchet die Paläste und der ein schlechtes Dach“ (V. 3 f.). Durch das Relativpronomen „der“ wird dabei die Unterschiedlichkeit der Menschen betont. Aber dennoch sind sie alle auf der Suche, was durch das Prädikat „suchet“ ausgedrückt wird. Sie suchen den Sinn des Lebens und das, was für sie realistisch ist. In dem nunmehr folgenden zweiten Quartett (V. 5-8) werden die Vergänglichkeit und der Tod thematisiert. Diese Unbeständigkeit wird bereits am Anfang der Strophe artikuliert: „Was gestern war, ist hin“ (V. 5). Es folgt die antithetische Darstellung: „was itzt das Glück erhebt, Wird morgen untergehen“ (V. 5 f.). Dabei stehen besonders die Temporaladverbien „itzt“, was jetzt bedeutet, und „morgen“ im Kontrast zueinander und heben die Vergänglichkeit des Glückes und die damit verbundene Nichtigkeit hervor. Darauf folgt die kontrastierende Aussage: „Die vorhin grünen Äste Sind nunmehr dürr und tot“ (V. 6 f.). Der Pleonasmus „grünen Äste“ steht hierbei besonders im Kontrast zu dem Hendiadyoin „dürr und tot“. Durch diesen Gegensatz und das Temporaladverb „vorhin“ wird eine Schnelllebigkeit aufgezeigt und so auf die kurze Lebensdauer der Menschen hingewiesen. Die darauffolgende metaphorische Darstellung: „ob den` ein scharfes Schwert an zarter Seide schwebt.“ (V. 6) weist erneut auf diese Nähe zum Tod hin. Die „Seide“ symbolisiert dabei das Menschenleben und das „Schwert“ den Tod. Er ist also nicht weit entfernt und kann zu jeder Zeit sowohl die Oberschicht, als auch die Unterschicht treffen. Beide Quartette sind durch den umarmenden Reim gekennzeichnet. Es gibt viele Enjambements, wodurch ein Hakenstil entsteht. Dieser verdeutlicht das Hineinsteigern des lyrischen Ich in diese Thematik.

In den folgenden zwei Terzetten (V. 9-14) wird vordergründig darüber gesprochen, dass alle Menschen dasselbe Schicksal haben, den Tod, welcher das gesamte Volk homogenisiert. Mit der Darlegung: „Wir sind zwar alle gleich an Fleisch, doch nicht von gleichem Stande“ (V. 9) schildert der lyrische Sprecher, mit der Metonymie „Fleisch“, die Gleichheit aller Menschen. Die Metonymie steht dabei für die Unwichtigkeit, das Fleisch, also einen Köper, besitzt jeder. Was sie unterscheidet, ist nur ihr Reichtum. Das elendige Leben der Unterschicht wird auch mit der folgenden metaphorischen Antithese: „Der trägt ein Purpurkleid und jener gräbt im Sande“ (V. 10) verdeutlicht. Das Demonstrativpronomen „jener“ verstärkt dabei die Antithese. Doch die großen Gegensätze sind nur im Diesseits von Bedeutung, wie in der letzten Aussage des ersten Terzettes: „Bis nach entraubten Schmuck der Tod uns gleiche macht“ (V. 11) anschaulich wird. Nach dem Tod ist das gesamte Volk gleichwertig. In dem zweiten Terzett wird wieder das „Spiel der Zeit“ (V. 1) aufgegriffen: „Spielt denn dies ernste Spiel, weil es die Zeit noch leitet“ (V. 12). Dem Spiel, welches eigentlich Spaß machen sollte, wird das Adjektiv „ernst“ entgegengesetzt. Es handelt sich hierbei um ein Oxymoron, welches deutlich macht, dass man im Leben immer wieder hin und her gestoßen wird. Die Zeit wird personifiziert, sie „leitet“ das Spiel, wenn die Zeit um ist, ist man also Tod. Niemand kann voraussagen, wann dieser Zeitpunkt kommt oder ihn hinauszögern. Somit ist die Zeit der „Spielleiter“ des Lebens. So wird wieder die Vergänglichkeit deutlich. Am Ende akkumuliert das lyrische Ich: „Kron, Weisheit, Stärk und Gut sei ein geborgter Pracht.“ (V. 14), so wird bildhaft versinnbildlicht, dass alles Materielle nach dem Tod wertlos ist. Nach dem Tod hat ein reicher, adliger Mensch also genauso wenig Besitz wie ein normaler Bürger. Dadurch wird eine Nichtigkeit veranschaulicht. Die Finalstruktur der vierten Strophe wird durch Enjambements gekennzeichnet. Das zeigt ein Hineinsteigern des lyrischen Ich auf. Die Terzette sind durch den Schweifreim verbunden, dadurch kann die letzte Aussage der jeweiligen Strophe besonders hervorgehoben werden. Das Metrum des Alexandriners durchzieht das gesamte Werk, so entsteht eine Parallelität, es wird die Gleichheit des gesamten Volkes nach dem irdischen Leben betont.

Bei dem Gedicht handelt es sich um ein Rollengedicht, das heißt, der Autor legt dem lyrischen Sprecher seine Worte in den Mund. Er wusste genau, wovon er sprach. Der 1616, in Glogau, geborene Verfasser Andreas Gryphius hatte ein Leben, welches von Leid und Elend geprägt war. Ein Großteil seines Lebens war er den Qualen des Dreißigjährigen Krieges ausgesetzt und es gab religiöse Konflikte. Sein Vater war evangelischer Geistlicher, weswegen seine Familie von Katholiken drangsaliert wurde. Er verlor seine Eltern früh. Zwei Jahre nach seiner Flucht kehrte er in seine Heimatstadt Glogau zurück und übernahm dort ein hohes politisches Amt im Fürstentum, wodurch er nach einer Zeit voller Leid Karriere machen kann. Ein Jahr vor seinem Tod reflektierte er über das menschliche Leben und verfasste so das Gedicht „Ebenbild unseres Lebens“. 1664 verstarb er in seiner Heimatstadt. Er hinterließ zahlreiche Gedichte, wodurch er heute als einer der bedeutendsten Dichter des Barock gilt. Diese Epoche erstreckt sich über den Zeitraum von 1600 bis 1720 und war von Gegensätzen gekennzeichnet. Einerseits gab es eine Kette von Kriegen, Hexenverfolgungen und Aberglaube. Dem gegenüber standen viele bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse. Durch diese Gegensätzlichkeit entstanden auch große Unterschiede in der Bevölkerung, wie in obiger Beweisführung deutlich wird. Diese scharfen Gegensätze und die damit verbundene Unsicherheit des Volkes begründen das barocke Zeitmotiv, die Vanitas. Diese beschreibt das Lebensgefühl der Menschen, welches vom Gedanken der Vergänglichkeit geprägt war. Sie waren sich stets ihrer Sterblichkeit bewusst, weswegen ihnen das irdische Leben bedeutungslos erschien. Diese Nähe zum Tod wird besonders im zweiten Quartett deutlich. Aus diesem Motiv entstanden zwei widersprüchliche Lebenseinstellungen, welche sich jedoch bedingen. Einmal „Memento Mori“, was übersetzt „Denke daran, dass du sterben wirst“ heißt. Diese Einstellung beschreibt die Vergänglichkeit der gesamten weltlichen Pracht und des irdischen Lebens und die damit verbundene Nichtigkeit. Daher fokussieren die Menschen sich auf das Jenseits, welches dem Leben einen Sinn gebe. Die andere Einstellung nennt sich „Carpe Diem“, was übersetzt „Nutze den Tag heißt. Hierbei herrscht eine bewusste Diesseitigkeit. Demzufolge gibt es eine Gier nach Lebensgenuss und prunkvoller Repräsentation. Diese zwei Gegensätze bilden das barocke Lebensgefühl. Um dem Kontrast entgegenzuwirken, gab es in der Kunst und Literatur eine strenge Ordnung. So wie „Ebenbild unseres Lebens“ wurden auch viele andere Gedichte in Sonettform geschrieben, so konnte man die Widersprüchlichkeit in dieser Zeit in eine Form bringen und somit das Verlangen nach Ordnung stillen.

Nach der Textanalyse hat sich meine Deutungshypothese bestätigt. Das Gedicht behandelt die Vergänglichkeit aller lebendigen und materiellen Dinge. Die Menschen waren sich dieser Nichtigkeit bewusst und legten ihren Fokus auf das Leben im Jenseits, was für manche auch ein Ausweg aus ihrem, von Elend und Leid geprägtem, irdischen Leben war, da laut ihrer Ansicht im Jenseits jeder Mensch den gleichen Besitz hat.

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