Eichendorff, Joseph von - Der frohe Wandersmann (Gedichtinterpretation)

Schlagwörter:
Joseph von Eichendorff, Analyse, Interpretation, Romantik, Gedichtinterpretation, Referat, Hausaufgabe, Eichendorff, Joseph von - Der frohe Wandersmann (Gedichtinterpretation)
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Referat

„Der frohe Wandersmann“ von Joseph von Eichendorff (Gedichtanalyse)

Der frohe Wandersmann
von Joseph von Eichendorff

Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt;
Dem will er seine Wunder weisen
In Berg und Wald und Strom und Feld.
 
Die Trägen, die zu Hause liegen,
Erquicket nicht das Morgenrot,
Sie wissen nur von Kinderwiegen,
Von Sorgen, Last und Not um Brot.
 
Die Bächlein von den Bergen springen,
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Die Lerchen schwirren hoch vor Lust,
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Was sollt ich nicht mit ihnen singen
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Aus voller Kehl und frischer Brust?
 
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Den lieben Gott laß ich nur walten;
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Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
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Und Erd und Himmel will erhalten,
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Hat auch mein Sach aufs best bestellt!

(„Der frohe Wandersmann“ von Joseph von Eichendorff ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24.2 KB) zur Unterstützung an.)

Eckdaten:

  • 4 Strophen
  • 16 Verse
  • 1-4, 2-4, 3-4, 4-4
  • Metrum: Jambus
  • Reim: Kreuzreim
  • Kadenzen: Alternierende Kadenzen

Interpretation

Das Gedicht „Der frohe Wandersmann“ von Joseph von Eichendorff aus dem Jahre 1823 lässt sich aufgrund von typischen inhaltlichen sowie formalen Aspekten der Epoche der Romantik zuordnen. Das zentrale Thema des Gedichts ist das Reisen durch die Natur sowie die Einheit mit dieser zu schaffen. Insbesondere die Schönheit dieser wird verdeutlicht.

Das lyrische Ich, das von Leidenschaft der Natur als Schöpfung Gottes geprägt ist, ist der Sprecher des Gedichts.

In der ersten Strophe wird die Verbundenheit zu Gott herausgestellt, indem Gottes Schöpfung der Natur als Wunder angesehen wird. Zudem wird das Reisen durch die Natur positiv bewertet. Die zweite Strophe geht auf die Menschen ein, die die Möglichkeit des Reisens nicht nutzen und denen daher viele positive Erfahrungen verwehrt bleiben. Begründet wird dies mit Sorgen und Ängsten der Gesellschaft sowie deren Gewohnheiten. Die Natur wird daher vom lyrischen Ich als positiv bewertet, da die Naturelemente einen gewissen Vorbildcharakter aufweisen. Die Sehnsucht, in die Natur zu reisen und das Gefühl nach Einheit mit dieser werden hier deutlich. Auch die vierte Strophe weist Elemente des Gottvertrauens auf. Das lyrische Ich vertraut in dieser sein eigenes Leben Gott an. Auch durch den formalen Aufbau wird der Höhepunkt des Gedichts kenntlich gemacht.

Das Gedicht besteht aus vier Strophen zu je vier Versen, wobei jede Strophe genau einen Satz darstellt. Die erste und vierte Strophe weisen inhaltliche Gemeinsamkeiten auf und sind von den mittleren Strophen zu differenzieren. Außerdem liegt durchgängig das Reimschema eines Kreuzreimes vor. In diesen wird das Gottvertrauen besonders betont. Formal weist das Gedicht das Metrum eines vierhebigen Jambus auf. Die Kadenzen, mit weiblichen beginnend, wechseln regelmäßig, was auf eine inhaltliche und formale Strukturierung deutet, die vorwiegend die Gewohnheiten der Menschen darstellt. Die Reise steht in direktem Kontrast zu den Gewohnheiten und wird mit den abwechselnden Kadenzen insofern begründet, als ein Appell des Aufbruchs vorliegt.

Bereits in der ersten Strophe wird die Verbindung zu Gott betont, was unter anderem durch positiv konnotierte Wörter wie „rechte Gunst“ (vgl. V. 1), sowie durch die Alliterationen wie „Wunder weisen“ (vgl. V. 3) deutlich wird. Auffällig ist auch die vorliegende hypotaktische sowie elliptische Satzstruktur. Diese sollen den Leser auf die Schöpfung des allmächtigen Gottes aufmerksam machen und auf deren Komplexität hindeuten (vgl. V. 3). Das Reisen wird in dem Gedicht positiv herausgearbeitet, da es als Geschenk Gottes angesehen wird. Es stellt somit einen Vorteil gegenüber den Nichtreisenden dar. Verschiedene Aufzählungen (vgl. V. 14), die sogenannte Asyndeta oder Enumerationen, arbeiten das positive Verhältnis sowie die Grundeinstellung des lyrischen Ichs zur Natur heraus und machen den Appell an die „Trägen, die zu Hause liegen“ (vgl. V. 5) deutlich. Im Kontrast zur ersten und letzten Strophe stehen die zweite und die dritte Strophe. In diesen wird das Verhältnis zur Natur stark betont, während zuvor eher auf Gott als den Schöpfer dieser eingegangen wird. Den Gegensatz dazu stellen die Kreuzreime sowie die regelmäßigen Abweichungen der Kadenzen dar. Auch dass die einzelnen Strophen aus jeweils einem Satz bestehen, unterstützt die formale sowie inhaltliche Abgrenzung der einzelnen Strophen. In den beiden mittleren Strophen wird der Appell, in die Natur zu gehen und zu reisen, durch Aufzählungen verschiedener Naturelemente wie den „Bächlein [die] von den Bergen springen" (vgl. V. 9) unterstützt. Auch das „Morgenrot“ (vgl. V. 6) als „Wunder“ (vgl. V. 3) deutet auf diesen hin. Unterstützend wird auch die Farbe „[R]ot“ verwendet. Diese kann sowohl als Liebe als auch als Blut charakterisiert werden. In diesem Falle stellt die Farbe die Liebe zur Natur, in dieser Strophe nebensächlich, und auch zu Gott dar. Sie kann außerdem als Symbol des Blutes dafür dienen, die Natur als Teil des Menschen darzustellen und die innere Verbindung erneut zu betonen. Den Menschen, die zu Hause bleiben, bleibt diese innere Verbindung allerdings verwehrt, da sie ihren Alltagsgewohnheiten und Sorgen unterliegen (vgl. V. 7 f.).

Ähnlich wie zuvor beschrieben geht auch die dritte Strophe inhaltlich auf die Schönheit der Natur ein. Diese wird insbesondere durch die Assonanz der Vokale „e“und „i“ sowie das Stilmittel des Diminutivs betont. Letzteres soll überdies auf die mögliche Flucht vor der zerrütteten Alltagswelt hinweisen. Die somit durchbrochenen Strukturen lassen sich in die Abgrenzung der beiden mittleren Strophen von den äußeren einordnen. Diese Wahrnehmung des Fluchtmotivs wird erneut durch Bewegungsverben wie „springen“ (vgl. V. 9) deutlich. Gleichzeitig wird die Natur dort als Vorbild charakterisiert. Der Appell an die Menschen, zu reisen und sich wie die immer in Bewegung bleibende Natur zu verhalten, wird als Leitmotiv und Hinweis auf die Epochenzugehörigkeit der Romantik hervorgehoben. Besonders der Bezug zum Titel kann an dieser Strophe ausgemacht werden, da in diesem das Leitmotiv des Wanderns sowie die positive Grundstimmung durch die Lust am Reisen deutlich werden. Positiv konnotierte Wörter, die diese positive Stimmung verdeutlichen, sind auch im Gedicht häufig zu finden (vgl. V. 11 f.) und verdeutlichen besonders in der rhetorischen Frage (vgl. V. 11 f.) die Kritik am zu Hause bleiben.

In der vierten Strophe wird erneut der religiöse Glaube des lyrischen Ichs aufgegriffen. Auch hier finden sich verschiedene Diminutive sowie eine Wiederholung des Diminutivs „Bächlein“ (vgl. V. 13) wieder. Dieser hat die Funktion, die Schönheit der Natur mit dem Gottesvertrauen zu verbinden. Das lyrische Ich zeigt in dieser Strophe besonders seine Achtung vor der Schöpfung und vertraut Gott sein Leben an. Dies ist erneut ein Zeugnis großem Vertrauens und stellt somit den Höhepunkt des Gedichts dar. Neben der Natur wird somit nun auch der Mensch, der auf Reisen geht und Gott vertraut, als Vorbild angesehen.

Das Gedicht stellt insgesamt den Verlauf des Reisens dar, auf welcher das lyrische Ich in seinem positiven Bild der Schöpfung bestätigt wird. Auch die Verbindung sowie das Gottesvertrauen wird durch diese gestärkt. Epochal kann das Gedicht der Epoche der Romantik zugeordnet werden. Nicht nur aus zeitlicher Perspektive, sondern auch durch verschiedene formale sowie inhaltliche Aspekte. Insbesondere das Reisemotiv und die Darstellung der Natur als Vorbild sind ein Indiz dafür, dass es sich um die Epoche der Romantik handelt. Neben der Natur spielt auch das Gottesvertrauen eine bedeutende Rolle. Aufgrund verschiedener historischer Aspekte wie den Kriegen Napoleons und der Erneuerung der alten Staatsordnung, leben die Menschen dieser Zeit unter Einfluss verschiedener negativer Faktoren, die das Leben erschweren. Etwa die fortschreitende Industrialisierung lässt die Menschen vom Land in die Stadt siedeln. Die sogenannte Urbanisierung hat zur Folge, dass es schlechtere Lebensbedingungen, keine sozialen Absicherungen oder Ähnliches gibt. Die Menschen sind durch die wenigen Handgriffe leicht ersetzbar. Neben den schlechten Lebensbedingungen, die sich vordergründig durch den Mangel an Strom, fließend Wasser und Sanitäranlagen sowie dem Verlust von Privatsphäre und Freizeit bemerkbar machen, werden auch die Arbeitsbedingungen immer schlechter. Selbst Kinder müssen ab einem Alter von sechs Jahren arbeiten, verdienen aber, wie die Frauen, weniger. Da die Familien trotzdem auf die Löhne aller Familienmitglieder angewiesen sind und teilweise sogar Untermieter in ihren kleinen Wohnungen aufnehmen, kommt es zu einer bildungsfremden Gesellschaft. Die immer unzufriedener werdenden Menschen versuchen durch die Gründung der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, der SPD, Unterstützung zu fordern. Eine Flucht vor diesem Alltag ist allerdings lange Zeit nur der Oberschicht sowie den Unternehmern möglich. Der Appell und die Aufbruchsstimmung in eine neue Zeit deuten darauf hin, dass Eichendorff den Umgang mit der sozialen Frage, der Massenverelendung, kritisiert und die Menschen dazu auffordert, ihre psychische Verfassung durch Spaziergänge in die Natur sowie den Ausbruch aus Gewohnheiten des Alltags zu verändern.

Dieses Gedicht kann außerdem auf die heutige Zeit übertragen werden. Auch wenn es mittlerweile eine Sozialgesetzgebung gibt, die gewisse Grundbedürfnisse absichert, gibt es auch aktuell eine hohe Anzahl an psychisch erkrankten Menschen, die unter der Leistungsgesellschaft sowie dem Leistungsdruck leiden. Dazu trägt nicht nur die Überbevölkerung, sondern auch die Missachtung des Einzelnen in der Gesellschaft bei. Der Appell, dem Alltag zu entfliehen und sich seiner psychischen Verfassung zu widmen, kann insofern auf die aktuelle Situation übertragen werden, als dass Auszeiten und der Ausbruch aus den alltäglichen Gewohnheiten bei der Selbstfindung behilflich sein können.

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