Eichendorff, Joseph von - Das zerbrochene Ringlein (ausführliche Gedichtinterpretation)

Schlagwörter:
Joseph von Eichendorff, Analyse, Interpretation, Romantik, Gedichtinterpretation, Gedichtanalyse, Suizid, Selbstmord, Referat, Hausaufgabe, Eichendorff, Joseph von - Das zerbrochene Ringlein (ausführliche Gedichtinterpretation)
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Referat

Das zerbrochene Ringlein (ca. 1815) – Joseph von Eichendorff (Gedichtanalyse)

Das zerbrochene Ringlein
von Joseph von Eichendorff

In einem kühlen Grunde
Da geht ein Mühlenrad,
Mein Liebste ist verschwunden,
Die dort gewohnet hat.
 
Sie hat mir Treu versprochen,
Gab mir ein'n Ring dabei,
Sie hat die Treu gebrochen,
Mein Ringlein sprang entzwei.
 
Ich möcht als Spielmann reisen
10 
Weit in die Welt hinaus,
11 
Und singen meine Weisen,
12 
Und gehn von Haus zu Haus.
 
13 
Ich möcht als Reiter fliegen
14 
Wohl in die blutge Schlacht,
15 
Um stille Feuer liegen
16 
Im Feld bei dunkler Nacht.
 
17 
Hör ich das Mühlrad gehen:
18 
Ich weiß nicht, was ich will –
19 
Ich möcht am liebsten sterben,
20 
Da wärs auf einmal still!

(„Das zerbrochene Ringlein“ von Joseph von Eichendorff ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24.5 KB) zur Unterstützung an.)

Das Gedicht „Das zerbrochene Ringlein“ von Joseph von Eichendorff wurde 1815 in der Epoche der Romantik verfasst und thematisiert eine verlorene Liebe des lyrischen Ichs, das nun von Sehnsucht, Trauer, Liebesschmerz und Einsamkeit geplagt ist.

Es lässt sich die Deutungshypothese aufstellen, dass das lyrische Ich durch einen Ehebruch von seiner Liebsten verlassen wurde. Das lyrische Ich will weit weg von dem, was es an sie erinnert und zieht es in Betracht, den Suizid als Ausweg für sein Elend zu nehmen. Die Atmosphäre des Gedichts wirkt sehr kühl, einsam, sehnsüchtig und unentschlossen.

Das vorliegende Gedicht besteht aus fünf Strophen mit jeweils vier Versen, woraus sich schließen lässt, dass die Strophenform eine Volksliedstrophe ist. Das Reimschema besteht aus einem Kreuzreim (abab,cdcd,…), der jedoch bei Vers eins und drei sowie Vers 21 und 23 einen unreinen Reim aufweist. Als Metrum ist ein durchgängiger dreihebiger Jambus mit einem wechselnden Versausgang zwischen männlicher und weiblicher Kadenz zu erwähnen. Somit ist festzustellen, dass es sich um einen monotonen und einheitlichen Aufbau des Gedichts handelt. Joseph von Eichendorff hat die Perspektive eines lyrischen Ichs gewählt.
Die Situation des lyrischen Ichs umfasst Trauer, Einsamkeit und Sehnsucht. Es ist sehr unentschlossen und hin- und hergerissen, was es für Unternehmungen machen möchte. Sein Leben war an seine Liebste gebunden, doch jetzt, wo sie weg ist, hat es seinen Mittelpunkt im Leben verloren und findet nun keinen Anhaltspunkt mehr.

Die zentralen Themen der Strophen beschäftigen sich mit den Motiven der Einsamkeit, der Sehnsucht sowie der Todessehnsucht, der Natur und dem Eskapismus (auch Realitätsflucht, Wirklichkeitsflucht oder Weltflucht).

In der ersten Strophe wird zunächst der Ort beschrieben, an dem die Geliebte des lyrischen Ichs gewohnt hat. Sie hat in einem kühlen Grunde (V. 1) in einem Mühlrad gewohnt (V. 2).

Danach berichtet das lyrische Ich in der zweiten Strophe, dass seine Liebste ihm ihre Treue mit einem Ring versprochen hat (V. 5/6). Jedoch hat sie diese Treue gebrochen, sodass sein Ringlein in zwei sprang (V. 7/8).

Die dritte Strophe beschäftigt sich mit Wunschvorstellungen, die das lyrische Ich erleben möchte. Es möchte als Musiker weit in die Welt hinaus reisen (V. 9/10) und von Haus zu Haus seine Lieder verbreiten (V. 11/12).

Bei der nächsten Strophe handelt es sich um eine Fortsetzung der dritten, denn dort erzählt das lyrische Ich, es möchte als Reiter in die blutige Schlacht ziehen (V. 13/14). In diesen beiden Strophen (3 & 4) wird der sogenannte Eskapismus deutlich. Eskapismus bedeutet, dass das lyrische Ich seinem Alltag entfliehen möchte.

In der fünften und letzten Strophe wird das lyrische Ich wieder von seinen Erinnerungen an seine Liebste eingeholt, als es das Mühlenrad hört (V. 17). Direkt weiß es nicht mehr, was es will (V. 18). Doch am liebsten würde es sterben, denn dann würden ihn seine Erinnerungen und die Einsamkeit nicht mehr quälen (V. 19/20).

Inhaltlich auffällig sind die Wiederholungen der Wörter „Mühlrad“ (V. 1, 17) und „Treue“ (V. 5, 7). Daraus lässt sich schließen, dass diese eine besondere Bedeutung und Intension im Gedicht einnehmen. Ebenfalls auffallend ist der Gedankenstrich in Vers 22, der die Funktion hat bestimmte Teile zu betonen, zu trennen und somit Spannung aufzubauen. In Vers 18/19 liegt eine Antithese vor, was bedeutet, dass Gegensätzliches miteinander verbunden wird. „Ich weiß nicht, was ich will - ich möchte am liebsten sterben“ drückt die Zerrissenheit und Unentschlossenheit des lyrischen Ichs aus. Zunächst sagt es, es weiß nicht, was es will, doch dann tätigt es eine ausdruckstarke und für das Gedicht bedeutende Aussage, dass es den Suizid in Betracht zieht (V. 19/20).

Der Titel „Das zerbrochene Ringlein“ nimmt eine besondere Rolle im Gedicht ein, da es sich auf verschiedenen Ebenen interpretieren lässt und in enger Verbindung mit der zweiten Strophe steht. Zum einen kann gedeutet werden, dass damit die gebrochene Ehe beschrieben wird. Zum anderen beschreibt es das Herz des lyrischen Ichs, das durch seinen Liebesschmerz in zwei geteilt ist. Beide Interpretationsansätze haben trotzdem eine ähnliche Intention, dass das lyrische Ich seine Liebste sehnsüchtig vermisst.

Der letzte Vers verleiht dem Gedicht bzw. dem Ende des Gedichts eine ausdrucksvolle und nachdenkliche Wirkung, denn das lyrische Ich zieht den Suizid als Ausweg seines Elends hervor. Dadurch, dass diese Aussage mit einem Ausrufezeichen versehen wurde, wird der Appell des lyrischen Ichs stärker verdeutlicht. Außerdem wurde dem Gedicht eine Rahmenkomposition verliehen. Diese Rahmenkomposition bildet sich aus dem zweiten Vers und dem 17ten Vers. Inhaltlich werden in diesen das „Mühlrad“ aufgegriffen, das für das lyrische Ich von großer Bedeutung ist. Es setzt damit tiefgründige Gefühle, wie Trauer, Sehnsucht nach seiner Liebsten und Einsamkeit in Verbindung.

Joseph von Eichendorff hat einen hypotaktischen Strophenaufbau gewählt. Dem letzten Vers hat er ein Ausrufezeichen angefügt, was die Aussage des lyrischen Ichs betont. In Vers fünf und Vers sieben liegt ein Parallelismus vor „Sie hat die Treu versprochen, sie hat die Treu gebrochen“. Hier wird verstärkt deutlich, dass das lyrische Ich davon ausging, für immer bis zum Tod mit seiner Liebsten zusammen zu sein. Dadurch schmerzt ihn die Einsamkeit noch mehr. Die Anapher „Ich möchte…“ (V. 9, 13, 19) hebt besonders hervor, was das lyrische Ich für Wunschvorstellungen hat, um seinem Elend zu entkommen.

Zudem wurde das Gedicht hauptsächlich in einer modernen, einfachen Sprache verfasst. Es steht im Indikativ, jedoch ist an manchen Stellen der Konjunktiv II aufzufinden (vgl. V. 20), was bedeutet, dass an dieser Stelle Wunschvorstellungen von dem lyrischen Ich getätigt werden, die aber bislang nicht der Realität entsprechen. Das Tempus der ersten Strophe ist Präsens und bezieht sich auf gegenwärtige Geschehnisse und Selbstwahrnehmungen des lyrischen Ichs. Im Gegensatz dazu steht die zweite Strophe in Perfekt und spricht die Vergangenheit an. Strophe drei und vier beziehen sich auf Vorstellungen und Wünsche des lyrischen Ichs in Bezug auf dessen Zukunft. Die letzte Strophe ist wie die erste Strophe ebenfalls in Präsens verfasst, was die Rahmenkomposition zusätzlich unterstreicht. Ebenfalls ausfällig in der Wortwahl sind viele Adjektive, wie „dunkel“ (V. 16), „kühl“ (V. 1), „still“ (V. 20), die eine negative Atmosphäre ausstrahlen. Die damit verbunden Verben, wie „verschwunden“ (V. 3) verdeutlichen die starke Sehnsucht und Trauer des lyrischen Ichs.

Eine besondere Bedeutung für das Gedicht hat das Symbol des Rings (V. 6, 8), denn ein Ring symbolisiert die Ehe und Treue, bis einen der Tod scheidet. Dadurch, dass seine Liebste diese Treue gebrochen hat, ist sein „Ringlein“ (V. 8) in zwei gesprungen. In diesem Vers befinden sich zwei Bildhaftigkeiten. Zum einen die Metapher, dass der Ring des lyrischen Ichs in zwei Teile gesprungen ist, was im übertragenden Sinne bedeutet, dass es stark verletzt wurde.

Zum anderen ist „Ringlein“ ein Diminutiv (Verniedlichung / Verkleinerung). Ein weiteres Symbol ist das „Mühlrad“ (V. 2, 17). Es symbolisiert zum einen den Ort (V. 2), an dem seine Liebste gewohnt hat, zum anderen aber auch einen Lebenskreislauf. In Vers 17 symbolisiert das Mühlrad einen „Erinnerungspunkt“ für das lyrische Ich, denn sobald es das Mühlrad gehen hört, holen ihn seine Gedanken und Erinnerungen direkt ein. Somit hat das Mühlrad in diesem Gedicht verschiedene Bedeutungen. In der vierten Strophe sind die Pleonasmen (Dopplungen) „Dunkle Nacht“ (V. 16) sowie „Blutige Schlacht“ (V. 15) sehr auffallend. Diese verdeutlichen den Zustand bzw. die Atmosphäre und lassen diese emotionaler und bildhafter wirken. Die Metapher „als Reiter fliegen“ (V. 14) unterstreicht das Streben und Verlangen des lyrischen Ichs nach Freiheit. In seiner Vorstellung würde es gerne so sein, wie es in Strophe drei und vier beschreibt. Es möchte unabhängig nach Freiheit streben und weiterziehen, ohne an seine Geliebte denken zu müssen. Als letztes sprachliches Gestaltungsmittel lässt sich die Alliteration „die dort“ (V. 4) anführen. Der gleiche Anlaut zwei aufeinander folgenden Wörter trägt zur akustischen Gestaltung eines Verses bei.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Gedicht „Das zerbrochene Ringlein“ von Joseph von Eichendorff von einem lyrischen Ich handelt, das durch Trauer, Einsamkeit und Sehnsucht geprägt ist, da seine Liebste ihn verlassen hat. Das lyrische Ich versucht seinen Gefühlen und der Erinnerung an sie zu entfliehen und zieht daher verschiedene Auswege in Betracht, wie das Entfliehen in die weite Ferne und in die Freiheit, aber auch den Suizid.

Dementsprechend lässt sich Deutungshypothese des Anfangs bestätigen. Das lyrische Ich wurde von seiner Liebsten verlassen und strebt dem Gedanken des Suizids nach, da es droht an den Gefühlen der Sehnsucht und Einsamkeit zu zerbrechen. Der Grund für das Verlassen seiner Liebsten wird jedoch nicht genau deutlich.

Das Gedicht lässt sich der Epoche der Romantik zuordnen. Es weist sehr viele epochentypische Motive und Themen auf, sowie Merkmale der romantischen Kunstauffassung. Die Motive der Sehnsucht und Einsamkeit werden aufgegriffen. Ein weiteres Merkmal ist die Wanderlust in die weite Unendlichkeit der Natur. Hinzu kommt, dass das lyrische Ich seinem Alltag entfliehen möchte, was bedeutet, dass ein Eskapismus vorliegt. Ein weiteres Anzeichen ist die einfache, schlichte und monotone Gestaltung des Gedichts. Die sogenannte Volksliedstrophe ist insbesondere typisch für die Romantik.

Joseph von Eichendorff wurde 1788 geboren und starb im Jahr 1857. Er war ein Vertreter der Romantik. Typisch für seine Lyrik war die Thematik der Natur, der Wanderlust und der Sehnsucht nach der Vergangenheit. Er hat immer aus einer träumerischen Seelenstimmung heraus gedichtet, was bedeutet, dass er sich möglicherweise mit dem lyrischen Ich identifizieren konnte und seine Gefühle so zum Ausdruck gebracht hat. Er hatte eine starke Verbindung zur Natur, da er in seiner Kindheit, nach der er sich sehr sehnt, sich oft in der Natur aufgehalten hat. In seinen Gedichten, wie auch in diesem, drückt er daher seine Sehnsucht zur Natur und seiner Kindheit aus.

Persönlich empfinde ich das Gedicht als sehr gelungen, denn zum einen hat Joseph von Eichendorff eine ausgeprägte bildhafte Sprache verwendet, die dem Leser die Situation und Atmosphäre näherbringt. Zum anderen wurde das Gedicht so gestaltet, dass der Leser den Inhalt einfach verstehen kann, aber ihm trotzdem noch ein großer Interpretationsraum gelassen wurde.

Außerdem kann man sich als Leser gut mit dem lyrischen Ich identifizieren, da dessen Gefühle durch die sprachliche Gestaltung deutlich zum Ausdruck gebracht werden.

Abschließend lassen sich die letzten Verse besonders positiv hervorheben, da diese einen ausdrucksstarken Appell beinhalten, was das Ausrufezeichen ebenso verstärkt. Da das lyrische Ich aber keine genaue Antwort liefert, ob es den Suizid wirklich begehen möchte, bleibt eine gewisse Spannung offen, die die Leser zum Nachdenken anregt.

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