Poetischer (bürgerlicher) Realismus (1848-1890)
Historischer Hintergrund
- Die Zeit ist gekennzeichnet einerseits durch eine rasante wirtschaftliche und technische Entwicklung sowie den Materialismus, andererseits durch politische Stagnation.
Kennzeichen
- vielfältige Wirklichkeitserfassung
- genaue Beobachtung und Schilderung von Erscheinungen des Lebens
- Zurückdrängen der Meinung und der Gefühle des Autors
- Offene Haltung gegenüber Gut und Böse
Stil
- Der Humor wurde verwendet, um sich der Unzulänglichkeit und Tristesse der Existenz zu erwehren.
- Detailtreue ist eine der obersten Forderungen. In der Schilderung von historischen Themen oder gesellschaftlichen Verhältnissen soll die Wirklichkeit möglichst genau mittels der Mimesis nachgeahmt werden.
- Das Schönheitsempfinden wird als subjektiv angesehen. Während in vorhergehenden Epochen die Schönheit meist als ein objektiver Wert betrachtet wurde, verleiht im Realismus vielmehr erst der Autor den Dingen ihre Schönheit.
Schlüsselbegriffe
- poetische Verklärung
- Läuterung
- Natur
- Resignation
Ziel
- Die Wirklichkeit sollte durch die literarischen Werke des bürgerlichen Realismus poetisch verklärt und geläutert werden.
Gattungen
- vor allem Romane, Novellen und Erzählungen, aber auch die Lyrik
Autoren und Werke
- Theodor Fontane (1819-1898): Irrungen Wirrungen, Effi Briest
- Friedrich Hebbel (1813-1863): Maria Magdalena
- Theodor Storm (1817-1888): Der Schimmelreiter
- Gottfried Keller (1819-1890): Die Leute von Seldwyla
- Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898): Gedichte
- Gustav Freytag („Soll und Haben“ Roman 1855)
- Wilhelm Raabe („Der Hungerpastor“ Roman 1864)
Literarisches Beispiel
- „Nein. Es liegt nicht in mir die Welt herauszufordern und ihr und ihren Vorurteilen öffentlich den Krieg zu erklären; ich bin durchaus gegen solche Donquichotterien. Alles, was ich wollte, war ein verschwiegenes Glück,…Und nun soll ich heraus aus diesem Glück…Und warum? Einer Adelsvorstellung, einer Standesmarotte zuliebe, die mächtiger war als alle Vernunft,…“
(Quelle: Reclam 8971, Theodor Fontane, „Irrungen, Wirrungen“ erschienen 1888, S.101f.)
Sind diese Werke unfriedlich?
- Auch wenn sie für unsere Zeit eher gewöhnlich wirken, so waren sie zum Zeitpunkt ihres Erscheinens ein Tabubruch.
Die Idee einer „klassenübergreifenden“ Liebe, die in dem zitierten Roman das Zentrale Thema darstellt und damit der Zerfall der Ständegesellschaft, war ein unerhörter Vorgang. Fontane wurde für sein Werk stark kritisiert und war mit ihm gleichzeitig auch ein Vordenker unserer heutigen gleichberechtigten Gesellschaft. Dieses Motiv des Romans, als etwas Unvorstellbares aber doch Reales, veränderte den Blick auf die Gesellschaft und war dadurch unfriedlich.
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