Gryphius, Andreas - Abend (Analyse)

Schlagwörter:
Andreas Gryphius, Analyse, Sonett, Barock, Referat, Hausaufgabe, Gryphius, Andreas - Abend (Analyse)
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Referat

Andreas Gryphius „Abend“

Abend
von Andreas Gryphius

Der schnelle Tag ist hin / die Nacht schwingt ihre Fahn /
Und führt die Sternen auff. Der Menschen müde Scharen
Verlassen feld und werck / Wo Thier und Vögel waren
Trawert itzt die Einsamkeit. Wie ist die zeit verthan!
 
Der port naht mehr und mehr sich / zu der glieder Kahn.
Gleich wie diß licht verfiel / so wird in wenig Jahren
Ich / du / und was man hat / und was man siht / hinfahren.
Diß Leben kömmt mir vor alß eine renne bahn.
 
Laß höchster Gott mich doch nicht auff dem Lauffplatz gleiten
10 
Laß mich nicht ach / nicht pracht / nicht lust / nicht angst verleiten.
11 
Dein ewig heller glantz sei vor und neben mir /
 
12 
Laß / wenn der müde Leib entschläfft / die Seele wachen /
13 
Und wenn der letzte Tag wird mit mir abend machen /
14 
So reiß mich auß dem thal der Finsterniß zu dir.

(„Abend“ von Andreas Gryphius ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24.6 KB) zur Unterstützung an.)

Das Gedicht von Andreas Gryphius aus dem Jahr 1637 ist ein Sonett aus der Barockzeit. Das Gefühlsbild und das Lebensgefühl der Menschen aus der Barockzeit ist geprägt von Hoffnungslosigkeit, dem Gedenken an den Tod, dem 30-Jährigem Krieg sowie Hungersnot. Auch hier im Gedicht wird dieses Lebensgefühl deutlich.

In dem Gedicht von Andreas Gryphius zeigt das lyrische Ich in kleinen Schritten die Vergänglichkeit und das allgemeine Gefühlsbild. Das lyrische Ich beschreibt die Stimmung, die jene Menschen der Barockzeit bestimmte, an einem alltäglichen Abend und überträgt die Vergänglichkeit auf alles irdische Dasein. Man kann inhaltlich einen „Strich“ zwischen den ersten beiden Quartetten und den letzten beiden Terzetten ziehen. Denn im ersten Teil beschreibt das lyrische Ich die Stimmung eines Abends, und im zweiten Teil wird Gott angesprochen, also die letzten beiden Strophen drehen sich um die Bitten an Gott, die das lyrische Ich stellt, um „aus dem Tal der Finsternis zum Gott gerissen werden zu können“. Es ist jedoch zu sagen, dass die beiden Abschnitte im Sonett im Sinne verbunden werden können, denn es wird vorerst der Aspekt des Lebens beleuchtet und anschließend wird die Beziehung des lyrischen Ichs zur Kirche erläutert.

Das Sonett besteht aus zwei Quartetten und zwei Terzetten, d.h. beide Quartette beinhalten jeweils vier Verse und die Terzette beinhalten jeweils drei Verse. Die Quartette sind in einem umarmendem Reim verfasst und letztere sind, wie es für die Gedichtform und Autor typisch ist, in einem Schweifreim verfasst. Überdies ist die Versart ein Alexandriner, welcher sich durch einen sechshebigen Jambus in einer Mittelzäsur auszeichnet.

Die erste Strophe führt auf die Hauptmetapher „Abend“ des Gedichtes hin. Sofort im ersten Vers, „der schnelle Tag“ personifiziert der Autor den Tag. Die Wirkung dieser Personifikation ist, dass der Tag dadurch unwichtig wirkt oder, dass man den Tag nutzen sollte, weil er schnell vorübergeht, aber am ehesten denke ich, dass der Autor meint, dass der „schnelle Tag“ den Menschen aus der Puste bringt, also erschöpft. Schon hier wirkt der Tag lästig. Im darauffolgenden Teil des ersten Verses stellt der Autor den Tag der Nacht gegenüber. Weil das lyrische Ich beim Tag das Adjektiv schnell benutzt und bei der Nacht beschreibt, dass die Nacht ihre Fahne schwingen würde, welches die Nacht personifiziert, benutzt der Autor zunächst eine Antithese und zeigt den Tag als lästig und verbrauchend an, wogegen er die Nacht als erleichternd ansieht. Man kann diesen Vers auch als metaphorisch geltenden Zusammenhang mit dem Leben sehen. In den folgenden Versen wird die Hauptmetapher, der Abend, weiter und ausführlicher somit für den Leser besser verständlich, erläutert.

In zweiten Vers wird die Nacht zunächst noch näher erläutert, „und führt die Sternen auff“ und da man mit den Sternen das Licht verbindet, ist anzunehmen, dass die Nacht für etwas Schönes und Erholsames steht. Im zweiten Teil des zweiten Verses benutzt der Autor eine Alliteration, „Menschen müde“, mit welchem er die Müdigkeit der gesamten Gemeinschaft nach einem anstrengendem Arbeitstag zeigt. Der Satz geht in dem darauffolgenden Vers weiter, er ist also Zeilen übergreifend und als Enjambement zu verstehen. „Der Menschen müde Scharen verlassen Feld und Werck“, soll wie oben schon beschrieben die Müdigkeit nach der Arbeit hervorheben und steht in Verbindung mit dem in Vers eins erwähntem schnellem Tag. Da die Menschen „Werck und Feld“ zurücklassen, ist anzunehmen, dass einfache Arbeiter es zu der Zeit besonders schwer hatten und sie sehr geschafft waren. Die einfachen Arbeiter waren jene Menschen, die auf dem „Feld und Werck“ arbeiten mussten. Im nächsten Teil des dritten Verses erwähnt das lyrische Ich auch die tierischen Lebewesen, welche nicht verschont werden von der Vergänglichkeit allen irdischen Daseins, „Wo Thier und Vögel waren“, wobei hier besonders auf das „waren“ geachtet werden sollte. Möglicherweise wird hier auf die Verwüstung des Krieges in der Umwelt und somit auch für die Tierwelt hingedeutet. Daraufhin beginnt der dritte Vers mit „Traurt itzt die Einsamkeit“, welches wieder eine Veranschaulichung für die Vergänglichkeit ist. Die Einsamkeit wird mit der Trauer personifiziert, welches sehr bedrückend auf den Leser wirkt.

In der nächsten Strophe in Vers fünf meint der Autor den „Port“, also den Hafen, der sich zu der Glider Kahn nähert metaphorisch. Das Bild des Hafens ist als Tod zu sehen, in den jedes Schiff einlaufen wird, also jeder lebende Mensch. Ganz klar ist die Metapher zu erkennen, weil sich der Hafen dem Schiff nähert, obwohl normalerweise ein Schiff auf den Hafen zusteuert (vgl. V. 5).

Deshalb ist der Tod unfreiwillig, also der Mensch kann nichts gegen das „einlaufen in den Hafen“, somit gegen das Ende des Lebens tun. Anschließend in Vers 6, wird das Bild des Lichtes „gleich wie dieß Licht verfil“ mit dem Bild des Lebens, also hier vielmehr mit der Jugend, anschaulich gemacht. D.h. auch wenn man in der Jugend, welche nicht von langer Dauer ist, noch so schön und lebensfroh ist, kann man sich denken, dass dies in wenigen Jahren „so wird in wenig Jahren“, vgl. V. 6, vorübergeht. Mit dem Satz wird noch einmal die Vergänglichkeit und dass das Glück des Lebens bzw. der Jugend nicht von langer Dauer ist, unterstrichen und hervorgehoben. Der Gedanke der schnellen Unwichtigkeit von materiellen Dingen wird in Vers 7 weitergeführt, „Ich, du und was man hat und was man siht hinfahren“ wobei der Wert der materiellen Dinge nur beiläufig mit „und was man hat“ erwähnt wird und somit weniger wichtig erscheint. Das benutze Wort „hinfahren“ in Vers 7 deutet wieder auf die bildliche Vorstellung des Schiffes oder aber auch auf die im nächsten Vers erwähnte Vorstellung „des Lebens als eine Rennebahn“ hin. In Vers 7 werden wir als Leser direkt mit „du“ angesprochen, welches wieder darauf anspielt, dass jeder der Vergänglichkeit, und auch die materiellen Dinge, ausgesetzt sind. In dem darauffolgenden Vers wird damit, dass das lyrische Ich das Leben wie eine Rennebahn empfindet (vgl. V. 8), der Bezug zum 1. Vers hergestellt. Auch im ersten Vers wird von einem schnellen Tag gesprochen, welcher bildlich für das Leben steht und die Metapher der „Rennebahn“ unterstreicht noch einmal das Denken, dass das Leben schnell vorbeigeht und dass die Vergänglichkeit voranschreitet. Außerdem kann auch ein Bezug zu dem Hafen und dem Schiff (vgl. V. 5) hergestellt werden, da hier in Vers 8 wieder von dem Erreichen eines Ziels, welches bei der „Renne-Bahn“ unumgänglich erreicht wird. Das Ziel kann mit dem Hafen assoziiert werden (Vgl. V. 5).

Die Terzette, ab Vers 9, zeigen eine Anspielung auf Gott und die Kirche. Das lyrische Ich fängt an, Gott gezielt anzusprechen oder ihn um das Ausüben seiner Macht zu bitten. Das lyrische Ich möchte nicht mehr „auf dem Lauffplatz gleiten“. Was wieder mit der „Rennebahn“ assoziiert werden kann und deshalb für das lyrische Ich mit dem sinnlosen Umrunden einiger Bahnen, also mit dem Leben seines Lebens in Bezug gesetzt ist. Mit dem Appell „Laß mich nicht Ach, nicht Pracht, nicht Lust, nicht Angst verleiten!“, versucht das lyrische Ich Gott um die Ausübung seiner Mächte, auf das lyrische Ich bezogen und auf seine Ängste sowie Lüste, zu bemühen. Dieser Vers und seine Wirkung wird durch die Antithese „Ach“ und „Pracht“, vgl. V. 10,noch einmal verstärkt. Die starke Aneinanderreihung der Begriffe „Ach“, „Pracht“, „Lust“ sowie „Angst“ ist als Akkumulation zu deuten und steht für die Vergänglichkeit. Durch die ersten beiden Verse der dritten Strophe wird schon deutlich, welch eine große Rolle Gott und das Glauben an die Kirche, bzw. Gott für die Menschen der Barockzeit spielt. Wahrscheinlich war Gott und die Kirche der Hoffnungsschimmer für das Enden des Krieges sowie der Hungersnöte. Im Folgenden wird eine Hyperbel genutzt, „…ewig-heller Glantz“, um Gott keinesfalls infrage zu stellen und um Gott in dem Ausüben seiner guten Mächte zu loben sowie eindringlich auf die Erfüllung der Wünsche anzuspielen. Für das lyrische Ich muss der Wunsch, welcher in den folgenden Versen näher erläutert wird, sehr wichtig sein, und die Sehnlichkeit des Wünschen auf Erfüllung eine gravierende Rolle spielen. Das lyrische Ich zeigt Gott als seinen ewigen Begleiter und als eine übersinnliche Macht, „sey vor und neben mir“.

Die letzte Strophe fängt der Autor mit einer Beschönigung des Todes an „wenn der müde Leib entschläfft“, er nutzt den Euphemismus und vergleicht den Tod mit dem sanften Einschlafen. Das lyrische Ich versucht Gott nach dem Tod des lyrischen Ichs zu dem Wächter seiner Seele zu machen (vgl. V. 12). Es wird damit wieder auf die Ausübung der Macht Gottes angespielt. In den Versen 13 & 14 möchte das lyrische Ich nach dem Tod in den Himmel, zu Gott, aufgenommen werden. „So reiß mich… zu dir“, vgl. V. 14. In Vers 13 wird die Hauptmetapher des Todes mit der bildlichen Übertragung des Abends am stärksten verdeutlicht. Mit dem Ausdruck „Thal der Finsternüß“ wird gezeigt, dass das lyrische Ich das Leben als Strafe ansehen könnte und Gott als gut ansieht, sodass es dem Leben entfliehen kann.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass dieses Gedicht Trauer, Hilflosigkeit und Vergänglichkeit ausstrahlt. Es wirkt sehr deprimierend und beinhaltet gleichzeitig die verschiedenen Motive, die zur Barockzeit von Autoren genutzt wurden, um die Lebenseinstellung in der Gesellschaft widerzuspiegeln. Zum einen das Varitas Motiv, welches die Vergänglicheit zeigt, und zum anderen wird das Memento-mori-Denken deutlich, welches das lyrische Ich immer zu an den Tod denken lässt.

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