Vogelweide, Walther von der - Aller werdekeit ein füegerinne (Interpretation)

Schlagwörter:
Walther von der Vogelweide, Minne, Minnesang, Analyse, Referat, Hausaufgabe, Vogelweide, Walther von der - Aller werdekeit ein füegerinne (Interpretation)
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Referat

Analyse und Interpretation eines Gedichts - „Aller werdekeit ein füegerinne“ (Walther von der Vogelweide, um 1215)

Aller werdekeit ein füegerinne
von Walther von der Vogelweide

Aller werdekeit ein füegerinne
daz sît ir zewâre frouwe mâze
er sælic man der iuwer lêre hât
der endarf sich iuwer niender inne
weder ze hove schamen noch an der strâze
dur daz sô suoche ich frouwe iuwern rât
daz ir mich ebene werben lêret
wirbe ich nidere wirbe ich hôhe ich bin versêret
ich was vil nâch ze nidere tôt
10 
nû bin ich aber ze hôhe siech
11 
unmâze enlât mich âne nôt
 
12 
Nideriu minne heizet diu sô swachet
13 
daz der lîp nâch kranker liebe ringet
14 
diu minne tuot unlobelîche wê
15 
hôhiu minne reizet unde machet
16 
daz der muot nâch hôher wirde ûf swinget
17 
diu winket mir nû daz ich mit ir gê
18 
mich wundert wes diu mâze beitet
19 
kumet diu herzeliebe ich bin iedoch verleitet
20 
mîn ougen hânt ein wîp ersehen
21 
swie minneclich ir rede sî mir mac
22 
doch schade von ir geschehen

(„Aller werdekeit ein füegerinne“ von Walther von der Vogelweide ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24.6 KB) zur Unterstützung an.)

Das Minnelied „Aller werdekeit ein füegerinne“, das um 1215 von Walther von der Vogelweide verfasst wurde, ist ein Beispiel für Walther von der Vogelweides Kritik an der hohen als auch niederen Minne und seinem Streben nach einem ebenen Verhältnis in der Minnelyrik zur der Zeit der hohen Minne. Walther von der Vogelweide wurde um 1170 in Österreich geboren und verstarb um 1230 (möglicherweise in Würzburg). Er gilt als der bedeutendste deutschsprachige Lyriker des Mittelalters. Er dichtete in mittelhochdeutscher Sprache.

Das Gedicht lässt sich in zwei Strophen gliedern, wobei die letzten drei Verse der zweiten Strophe das plötzliche Umdenken des Minnesängers hervorheben und so als gesonderte Verse betrachtet werden müssen. Beide der Strophen enthalten jeweils elf Verse. Vorwiegend sind Fünfheber enthalten, wobei sich diese jedoch immer wieder vom Schema lösen und so beispielsweise auch ein sechshebiger Vers wiederzufinden ist.

In der ersten Strophe des Minnelieds richtet sich der Minnesänger direkt an die „Frau Mâze“ (V. 2) und deutet auf sein Verlangen nach ihrer Erhörung und Aufmerksamkeit hin. Er bringt sein Begehren zum Ausdruck und berichtet zugleich von seinem Leiden um das Werben einer Frau, das ihn quält. In der zweiten Strophe geht er auf die niedere und die hohe Minne ein. So stellt die niedere Minne für ihn eine Lust dar, die „wertlos“ (V. 13) und „ehrlos“ (V. 12) sei und die hohe Minne, eine „edle Freude“ (V. 16) bringende Liebe. Der Minnesänger beschreibt der Frau, dass er von dieser hohen Minne angelockt wird und erinnert sich im Anschluss daran, dass ein solches Verhältnis nicht möglich ist und versteht, „weshalb die „Mâze“ zögert“ (V. 18). Im letzten Absatz stellt er dann klar, dass seiner Auffassung nach, eine liebredende Frau ihm nur Schaden bringe (V. 20-22).

Zu Beginn der ersten Strophe, die inhaltlich eine typische Minnekanzone darstellt, lässt sich die Captatio benevolentiae in den ersten beiden Versen wiederfinden, in denen der Minnesänger der Dame schmeichelt und sich ihr zugleich durch eine respektvolle Anrede unterordnet. In den folgenden Versen fallen besonders häufige Antithesen wie „zu Hof“ noch „auf der Straße“ (V. 5) und „niedrig oder hoch“ in Vers 8. Diese Antithesen stehen für den in der mittelalterlichen Gesellschaft üblichen hohen und niedrigen Rang und stellen zugleich einen Kontrast und eine gewisse Distanz zwischen diesen beiden Ständen dar. Der Parallelismus „wirbe ich nidere, wirbe ich hôh“ (V. 8) verdeutlicht die aussichtlose Situation des Minnesängers und die Tatsache, wie sehr er unter dieser gesellschaftlichen Rangordnung leidet, die ihm nichts als Schaden und Enttäuschung bringt. In der zweiten Strophe wird die ein Bild der vom ständischen Denken geprägten Gesellschaft erzeugt, als die niedere Minne als „ehrlos machend“ (V. 12) und „wertlose Freude bringend“ (V. 13) bezeichnet wird und die hohe Minne zugleich als „anspornende“ (V. 15) und „edle Freude“ (V. 16). Die Definitionen der beiden Minnearten bewirkt hier, dass hohe und niedere Minne als eins dargestellt werden und die Verbindlichkeit dieser Stände in der Gesellschaft verdeutlicht wird. Der Minnesänger übernimmt hier den Standpunkt des Autors Vogelweide, die hohe Minne brächte nur Leid und die niedere Minne bringe nur wertlose Lust. Im zweiten Teil der zweiten Strophe wird vom Minnesänger eine „Herzeliebe“ (V. 18) angestrebt, die gleichzeitig auch die von Vogelweide gewollte Synthese aus beiden Modellen wiederspiegelt. Die Verse 20 bis 22 sind als eine Art Umdenken des Minnesängers zu deuten, da er sich hier plötzlich von seinem Gedankengang löst und lassen gleichzeitig eine Situation entstehen, in der das lyrische Ich auf eine Frau trifft und von ihr angelockt wird. Ob es hierbei um eine Frau hohen oder niederen Standes handelt, wird nicht klar.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Walther von der Vogelweide mit diesem Werk das damalige vom ständischen Denken geprägte Gesellschaftsmodell kritisierte und sein Streben nach einer ebenen Minne, die hier als „Herzeliebe“ bezeichnet wird, verdeutlicht. Er stellt klar, dass das Modell einer ebenen, persönlichen Beziehung in der damaligen Gesellschaft keinen Zuspruch fand. Das Ständedenken, das von Vogelweide in diesem Werk als Problematik aufgegriffen wurde, wird durch die Erzeugung eines Kontrastes zwischen dem hohen und niederen Stand sowie durch fast schon offensichtliche Benennung des Problems in der zweiten Strophe klar kritisiert. Somit überträgt Vogelweide seine Meinung zum Minneverhältnis auf den Minnesänger in seinem Werk und teilt so dem Leser indirekt seinen Standpunkt zu diesem Gesellschaftsmodell mit.

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