Kolonialismus deutscher Staaten - die zu spät gekommene Großmacht
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Referat
Referat zum Thema Deutsche Kolonien
Oder: Die zu spät gekommene Großmacht
Im Geschichtsbewusstsein der Deutschen spielt die deutsche Kolonialgeschichte eine eher beiläufige Rolle, sie hatte nur 30 Jahre Bestand (1884 - 1914) und blieb für das politisch-historische Bewusstsein relativ folgenlos. Die Beziehungen zwischen Deutschland und den ehemaligen Kolonien sind weitgehend unbelastet durch die koloniale Vergangenheit (anders Frankreich, England).
Ausnahme: Deutsch-Südwest (heute Namibia) wegen des Völkermordes der Deutschen im Herero-Nama-Aufstand 1904-07
Über 5 Jahrhunderte gab es Bemühungen um die Begründung von Kolonien in der Neuen Welt, die trotz deutscher Entdecker, Wissenschaftler, Forscher, Kaufleute etc. ergebnislos blieben. Das Augenmerk richtete sich auf Südamerika, der schwarze Kontinent war bis dato von geringem Interesse, weil noch weitgehend unerforscht. Erst 1840 begannen planmäßige deutsche Kolonialversuche und Bemühungen, die jedoch nach der gescheiterten Revolution von 1848 vorerst zum Stillstand kamen. Die Reichsgründung von 1871 schuf eine neue Ausgangssituation.
Allerdings besaß der deutsche Kolonialismus anders als bei den etablierten Kolonialmächten Züge von Improvisation und Überheblichkeit. Man wollte “da und dort ein junges Deutschland gründen”,
denn am “deutschen Wesen soll die Welt genesen”.
Richard Wagner, königlich-sächsischer Kapellmeister und berühmter Komponist:
“Nun wollen wir in Schiffen über das Meer fahren, da und dort ein junges Deutschland gründen, es mit den Ergebnissen unseres Ringens und Strebens befruchten, die edelsten gottähnlichen Kinder zeugen und erziehen: wir wollen es besser machen als die Spanier, denen die neue Welt ein pfäffisches Schlächterhaus, besser als die Engländer, denen sie ein Krämerkasten wurde. Wir wollen es deutsch und herrlich machen: vom Aufgang bis zum Niedergang soll die Sonne ein schönes freies Deutschland sehen und an den Grenzen der Tochterlande soll, wie an denen des Mutterlandes, kein zertretenes unfreies Volk wohnen, die Strahlen deutscher Freiheit und deutscher Milde sollen den Kosaken und Franzosen, den Buschmann und Chinese erwärmen und verklären”
1870/71 verlieh der deutsche Sieg über Frankreich den Kolonialplänen neuen Auftrieb. Bereits vor den Friedensverhandlungen stand französischer Kolonialbesitz ans Kriegsentschädigung zur Debatte. Bismarck war allerdings gegen die Kolonien, er bezeichnete sie nur als Versorgungsposten. Trotz der Absage sah die allgemeine Grundstimmung eine bevölkerungspolitische, ökonomische und nationale Notwendigkeit überseeischer territorialer Besitzerweiterung. Deutschland sah sich als Großmacht und wollte ein Kolonialreich, wie es andere europäische Nationen besaßen (FR, GB, ES). Es kam zu einer revisionistischen Agitation, die bis an Nationalsozialismus heranreichte. Die Kolonien waren nicht nur Lieferanten von Rohstoffen, Diamanten, Gold, Handelsgütern, Gewürzen, Früchten, Stoffen, Kolonialwaren etc., sondern wurden als Ventil für den eigenen Bevölkerungsüberschuss gesehen. Durch die Entwicklung neuer Medikamente im Zeitalter der Industriellen Revolution und die steigende Lebenserwartung explodierte die Bevölkerung. Diese sollte in den deutschen Kolonien angesiedelt werden.
Bis dato waren für 95 % der Auswanderer die USA da Ziel, womit sie als deutsche Staatsbürger verloren waren. Durch die Wandlung vom Agrar- zum Industriestaat gab es wachstumsbedingte Störungen. Besonders die landwirtschaftlichen Produkte wurden knapp, während es Überschüsse an Industriegütern gab. Es mussten neue Rohstoffquellen und Absatzmärkte geschaffen werden. Die “soziale” Frage sollte durch geschickte Umlenkung in die Überseekolonien exportiert werden. Am Beispiel Englands (Australien) oder Russlands (Sibirien) war es angedacht, sich seiner Strafgefangenen in den Kolonien entledigen zu können.
Westliche rassische und rassistische Vorstellungen und Konzepte waren Bestandteil der westlichen Expansionsgeschichte. Es wurde mit unglaublicher Brutalität zu Werke gegangen. Die Eskalation von Machtmissbrauch in den Kolonien hatte Parallelen in den Gewaltexzessen anderer Kolonialmächte. Das deutsche Kolonialzeitalter war somit nicht nur eine historische Epoche, sondern vielmehr Teil eines welthistorischen Vorgangs, in dem Kolonialismus und Imperialismus die eine Welt - mehr oder weniger gewaltsam - zusammenfügten. Abgesehen vom Zeitalter totalitärer Ideologien im 20. Jahrhundert hat vielleicht keine andere weltgeschichtliche Epoche so sehr den Vorwurf des fortgesetzten “Völkermordes” auf sich gezogen wie der moderne Kolonialismus. Durch die Abwertung der Kolonialisierten erfolgte die Selbsterhöhung der Kolonialherren. Mit größter Selbstverständlichkeit wurde im Namen der abendländischen Kultur unterdrückt, gequält und getötet. Es gab Aufstände in fast allen deutschen Kolonien. Die berühmtesten waren der bereits erwähnte Herero-Aufstand in Deutsch-Südwest und der Boxeraufstand in China. Die Zahl der Opfer ist umstritten.
Beispiel: Angehörige “exotischer” Völker wurden in Hagenbecks Tierpark ausgestellt
Der deutsche Nobelpreisträger Robert Koch probierte Medikamente zur Seuchenbekämpfung durch Menschenversuche aus. (Schlafkrankheit, Arbeitskräfte gingen verloren)
“Kolonialisierung ist eine wunderschöne Sache und ´des Schweißes der Edlen wert`” Man meinte, “Neger, Kanaken und Chinesen zu nützlichen Menschen erziehen” zu müssen. Das war die “Bürde des weißen Mannes”. (Folie S. 271 Buch Deutsche Kolonien) Die deutschen Kolonien waren ein nationales Verlustgeschäft. Gewinn brachten sie nur den Privatiers. Die Rechnung mit der gesteuerten Auswanderung ging nicht auf. Parallel zur gesunkenen Sterblichkeit sank auch die Geburtenrate. Durch die fortschreitende Industrialisierung setzte eine ausländische Zuwanderung ein. Der Bedarf an Arbeitskräften stieg und Deutschland begann, sich zu einem Einwanderungsland zu entwickeln. Aber auch die Periode der industriellen Wachstumsstörungen wurde Mitte der 1890er Jahre durch einen Aufschwung im industriellen und landwirtschaftlichen Bereich abgelöst, der bis zum Vorabend des 1. Weltkrieges andauerte. Der Erste Weltkrieg zerschlug das deutsche Kolonialreich. Das hochgerüstete Deutschland gab sich in seinen Kolonien erstaunlich unmilitärisch. Dieser Gegensatz erklärt sich zum Teil daraus, dass die meisten Kolonien aus Handels- und nicht aus Militärposten hervorgegangen waren.
Vielen Siedlern stand der Sinn nicht nach Exerzieren und Militär. Sie waren nach Übersee gegangen, um sich dem preußischen Stechschritt zu entziehen. Außer in China konnten nirgendwo anders die Küsten gegen Angriffe verteidigt werden. Nach Meinung des deutschen Großadmirals Tschirpitz wurden die deutschen Kolonien in der Nordsee verteidigt. Er berief sich damit auf Bismarcks Verkündung bei der Gründung der Kolonien, dass die Verteidigung deutscher Schutzgebiete auf deutschem Boden zu erfolgen habe. Die donnernde Kolonialpropaganda und die Realität lagen also meilenweit auseinander.
Bismarcks Wort von 1884: “Die ganze Kolonialgeschichte ist ja Schwindel, aber wir brauchen sie für die Wahlen.”
Vom Traum zum Trauma:
Das Deutsche Reich verlor seine Kolonien durch den Versailler Friedensvertrag 1919. Der Versailler Vertrag sah für die deutschen Kolonien die totale Enteignung vor, weil Deutschland zivilisatorisch unfähig sei, Kolonien zu führen und weil die Einheimischen es ablehnten, wieder von Deutschen unterjocht zu werden. Nach dem verlorenen Krieg kamen die “Kolonialdeutschen” zurück. Deutschland war ihnen fremd geworden. Sie forderten vom Staat, damals der Weimarer Republik, Entschädigungen für ihre Enteignung durch Einheimische in den ehemaligen Kolonien.
Zitat August Bebel (1840-1913), Sozialdemokrat und SPD-Abgeordneter:
“Im Grunde genommen ist das Wesen aller Kolonialpolitik die Ausbeutung einer fremden Bevölkerung in der höchsten Potenz. Wo immer wir die Geschichte der Kolonialpolitik in den letzten drei Jahrhunderten aufschlagen, überall begegnen wir Gewalttätigkeiten und der Unterdrückung der betreffenden Völkerschaften, die nicht selten schließlich mit deren vollständiger Ausrottung endet. Und das treibende Motiv ist immer, Gold, Gold und wieder nur Gold zu erwerben. Und um die Ausbeutung der afrikanischen Bevölkerung in vollem Umfang und möglichst ungestört betreiben zu können, sollte aus den Taschen des Reiches, aus den Taschen der Steuerzahler Millionen verwendet werden, soll die ostafrikanische Gesellschaft mit den Mitteln des Reiches unterstützt werden, damit ihr das Ausbeutungsgeschäft gesichert wird. Dass wir von unserem Standpunkt aus als Gegner jeder Unterdrückung nicht die Hand dazu bieten, werden Sie begreifen!”
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