Das verwunschene Schloß von Edgar Allan Poe
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Inmitten einer lieblichen Au, |
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Die sonniges Licht übergoß, |
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Erhob sich einst ein stattlicher Bau, |
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Ein schönes, strahlendes Schloß. |
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Das Reich, wo es sich luftig erhob, |
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War des Königs „Gedanke“ Land, |
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Und Seraphschwingen waren darob |
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Unsichtbar ausgespannt. |
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Goldgelbe Banner aus Damast, |
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Gebadet in Sonnengluth, |
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Wallten schimmernd herab vom Palast |
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Wie eine goldne Flut. |
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Und jeder schmeichlerische Zephyr, |
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Der mit den Blüthen dort |
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Gekost, flog aus dem Zauberrevier |
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Als Wohlgeruch wieder fort. |
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Die Wandrer blickten in jenem Thal |
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Durch Fenster aus leuchtendem Glas |
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In einen hohen blendenden Saal, |
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Wo des Reiches Gebieter saß. |
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Sein Thron mit purpurnem Baldachin |
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War ganz aus Edelgestein |
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Und Genienschaaren umschwebten ihn |
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Zu lieblichen Melodei’n. |
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Mit Perlen und Rubinen besät |
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War des Palastes Portal, |
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Durch dieses flatterte früh und spät |
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Ein Echoschwarm ohne Zahl |
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Vor den König hin, indem es ihm, |
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Seiner hohen Weisheit zum Preis, |
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Einen Chorus sang wie Seraphim, |
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So süß und träumerisch leis. |
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Doch wüstes Volk in der Sorge Gewand |
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Nahm Thron und Reich in Beschlag. |
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Weh, nie mehr dämmert in jenem Land |
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Der Tag, weh, nimmer ein Tag! |
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Und alles, alles, was dort umher |
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Gepranget an Herrlichkeit, |
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Ist jetzund eine traumhafte Mär’ |
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Aus lang begrabner Zeit. |
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Jetzt zeigen sich des Wanderers Blick |
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Gestalten knöchern und starr |
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Und schwingen sich zu toller Musik |
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In Reigen wild und bizarr. |
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Dieweil gleich einem lautlosen Strom |
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Sich in die ewige Nacht |
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Zur Thür hinausstürzt Phantom um Phantom |
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Und nimmermehr lächelt – doch lacht. |
Details zum Gedicht „Das verwunschene Schloß“
Edgar Allan Poe
6
48
235
nach 1825
Klassik,
Romantik,
Biedermeier
Gedicht-Analyse
Edgar Allan Poe, der Autor des Gedichts „Das verwunschene Schloß“, war ein amerikanischer Schriftsteller, der im 19. Jahrhundert von 1809 bis 1849 lebte. Poe ist insbesondere für seine mystischen, mysteriösen und oft düsteren Gedichte und Erzählungen bekannt.
Beim ersten Lesen fällt das klare visuelle Bild auf, das das Gedicht schafft, indem es ein prachtvolles, doch zugleich geheimnisvolles Schloss in einem idyllischen Umfeld schildert. Die Atmosphäre des Schlosses ändert sich jedoch zunehmend, von seinen rühmlichen Anfangstagen, gekennzeichnet durch lebendige Farben und wunderschöne Beschreibungen, zu einer düsteren und einsamen Umgebung, die mit Tod und Zerfall assoziiert wird.
Das Gedicht erzählt die Geschichte eines majestätischen Schlosses inmitten einer sonnenüberfluteten Wiese, das einst eine Quelle von Pracht und Wohlstand war, symbolisiert durch die Verwendung von Bildern wie „Goldgelbe Banner aus Damast“ und „schöne, strahlende Schloss“. Das Schloss wird vom König regiert, umgeben von der Pracht edler Steine und unterhaltet durch harmonischen Gesang. Doch wird es dann von „wüstem Volk“ überrannt, woraufhin seine Schönheit und Pracht verschwinden und es zu einer „traumhaften Mär' aus lang begrabner Zeit“ wird. Die einst lebendige Pracht des Schlosses wird durch Bilder des Todes und der Dunkelheit ersetzt, geprägt durch „Gestalten knöchern und starr“, die sich zu „toller Musik“ drehen.
Die Botschaft des lyrischen Ichs könnte sein, dass Schönheit und Wohlstand vergänglich sind und letztendlich „in Beschlag genommen“ und durch Zeit und Verfall zerstört werden. Dies könnte auch als Kommentar zur Vergänglichkeit menschlicher Pracht und Macht interpretiert werden.
Das Gedicht folgt einer klaren Struktur mit sechs Strophen und jeweils acht Versen. Die Sprache des Gedichts ist deskriptiv und bildhaft, geprägt durch detaillierte Beschreibungen und metaphorische Ausdrücke. Zudem ist es in gereimten Versen verfasst, typisch für die poetische Schreibweise des 19. Jahrhunderts. Der Wechsel zwischen lebendigen und dunklen Bildern dient dazu, die wechselhafte Stimmung und Thematik des Gedichts zu betonen.
Weitere Informationen
Edgar Allan Poe ist der Autor des Gedichtes „Das verwunschene Schloß“. 1809 wurde Poe in Boston, USA geboren. Im Zeitraum zwischen 1825 und 1849 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus zugeordnet werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das vorliegende Gedicht umfasst 235 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Der Dichter Edgar Allan Poe ist auch der Autor für Gedichte wie „Annabel Lee“, „Das Kolosseum“ und „Das ruhlose Thal“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das verwunschene Schloß“ weitere 17 Gedichte vor.
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