Der Schelm von Bergen von Karl Joseph Simrock

Zu Frankfurt auf dem Römer war heute Königswahl,
und abends drehn Vermummte sich bei der Fackeln Strahl:
Der König ist gekoren,
des Reiches Not beschworen;
ihr Masken, schwingt euch froh im Saal.
 
Zum Tanze lädt's, zum Tanze! der König fliegt dahin
und mit dem schwarzen Ritter die junge Königin:
Wer ist wohl der Beglückte,
den solche Ehre schmückte?
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Sie wäre Fürsten Hochgewinn.
 
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Und wieder lädt's zum Tanze, gar mancher Tänzer keicht:
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Wem hat die junge Königin die Hand zum Tanz gereicht?
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Es ist der schwarze Ritter,
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er tanzt fürwahr nicht bitter,
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ja, keiner schwebt so frei und leicht.
 
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Und immer ist's der Schwarze, der sie zum Tanze führt:
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Doch ist sie wohl zu tadeln, daß sie den Tänzer kürt?
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Die Larven werden fallen,
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dann muß sein Name schallen,
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dann zeigt sich, ob es ihm gebührt.
 
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"Wollt Ihr euch nicht entmummen, Herr Ritter, es ist Zeit;
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die Larven alle fielen, laßt schauen, wer Ihr seid!"
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"Das, Herrin, nicht begehre!
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Bei dein und meiner Ehre,
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du forderst unser beider Leid."
 
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"Wärt Ihr des Reiches Ächter", begann der König hehr,
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"hier dulden Ehrenwächter jetzt keine Masken mehr."
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Da kann er sich nicht bergen:
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'Der Scharfrichter von Bergen!'
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Erschrocken schallt es rings umher.
 
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"Unehrlicher, dein Atem befleckt die Königin,
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den Frevel wirst du büßen, der Tod ist dein Gewinn.
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Legt Hand an ihn, ihr Schergen,
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den Scharfrichter von Bergen,
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zum Richtplatz schleift ihn selber hin."
 
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"Was könnt' es helfen?", spricht er, "die Kön'gin blieb' entehrt,
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ich will Euch besser raten, Herr König, zieht das Schwert,
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schlagt mich damit zum Ritter:
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Beschimpft sie dann ein dritter,
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das räch' ich ritterlich bewehrt."
 
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"Der Rat ist gut, knie nieder, ich lohn' ihn mit der Tat:
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Du bist ein Schelm gewesen, und schelmisch war dein Rat,
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so heiße Schelm von Bergen:
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Der darf sich nicht verbergen:
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dem dies der Deutschen König tat."
 
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Und wieder lädt's zum Tanze, gar mancher Tänzer keicht:
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Wem hat die junge Königin die Hand zum Tanz gereicht?
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Es ist der schwarze Ritter,
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er tanzt mit offnem Gitter,
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kein Reichsfürst tanzt so frei und leicht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.6 KB)

Details zum Gedicht „Der Schelm von Bergen“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
50
Anzahl Wörter
341
Entstehungsjahr
1802 - 1876
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Schelm von Bergen“ ist aus der Feder des Dichters Karl Joseph Simrock und entstand vermutlich in der Mitte des 19. Jahrhunderts, da Simrock von 1802 bis 1876 lebte. Der erste Eindruck von diesem Gedicht ist, dass es eine Geschichte aus vergangenen Zeiten erzählt, vielleicht even in mittelalterlichem Kontext. Die verwendeten Elemente wie Königswahl, Maskenball und Ritterschlag verstärken diesen Eindruck.

Der Inhalt des Gedichts dreht sich um einen Maskenball, auf dem auch die Königswahl stattfindet. Unter den Tänzern ist ein maskierter schwarzer Ritter, der die junge Königin zum Tanz führt. Als die Masken fallen, wird er als der Scharfrichter von Bergen erkannt, was für Aufregung sorgt. Er bittet den König darum, ihn zum Ritter zu schlagen, um so die Ehre der Königin zu wahren. Der König erteilt den Ritterschlag und erklärt den Scharfrichter zum „Schelm von Bergen“. Nachdem seine Identität bekannt ist, bleibt er bei der Königin und tanzt weiterhin mit ihr.

Das lyrische Ich erzählt die Ereignisse als unbeteiligter Beobachter. Es hebt hervor, dass der schwarze Ritter mit seiner aufrichtigen Art und außerordentlichen Tanzfähigkeiten auffällt. Die Wahl des Scharfrichters zur Begleitung der Königin wirkt auf die Anwesenden im ersten Moment schockierend, aber mit dem Ritterschlag wendet sich das Blatt. Hierdurch wird deutlich, dass der schwarze Ritter oder der „Schelm von Bergen“ sich nicht durch seine Rolle oder Arbeit definiert, sondern durch seinen Charakter.

Das Gedicht besteht aus zehn Strophen, die jeweils fünf Verse enthalten. Die Form ist daher sehr stringent und einheitlich. Der Reim ist durchgängig, was dem Gedicht einen flüssigen, erzählerischen Charakter verleiht. In der Sprache sind archaische Elemente zu finden, welche die mittelalterliche Atmosphäre verstärken. Auch wird vermehrt direkte Rede eingesetzt, was die Dramatik des Gedichts zusätzlich unterstreicht.

Insgesamt handelt es sich bei „Der Schelm von Bergen“ um ein lyrisches Erzählgedicht, dass soziale Ungleichheit thematisiert, indem es das Augenmerk auf den Wert des Individuums jenseits seiner gesellschaftlichen Position lenkt. Es feiert die Aufrichtigkeit und die persönliche Ehre, als wahre Werte die jedem Menschen, unabhängig von seinem Stand, innewohnen. Der schwarze Ritter wird letztendlich aufgrund seiner Persönlichkeit und nicht seiner Arbeit respektiert. Das Gedicht erhebt damit ein Plädoyer gegen Vorurteile und für die Individualität jedes Menschen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der Schelm von Bergen“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Karl Joseph Simrock. Simrock wurde im Jahr 1802 in Bonn geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1818 und 1876. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus zugeordnet werden. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das 341 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 50 Versen mit insgesamt 10 Strophen. Die Gedichte „Der Bauer im Himmel“ und „Warnung vor dem Rhein“ sind weitere Werke des Autors Karl Joseph Simrock. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Schelm von Bergen“ keine weiteren Gedichte vor.

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