Vergangenheit von Sophie Friederike Mereau
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Des Dörfchens Weidenkranz verschwimmt im grauen Duft, |
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Am falben Busche weht der Abendhauch, |
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Die Vögel taumeln träg durch feuchte Luft, |
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Und durch die Bäume dringt der Hütten Rauch. |
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Der Tag, der durch der Dünste weißen Flor, |
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Mit goldnem Aug der öden Flur gelacht, |
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Berührt der dunkeln Göttinn graues Thor, |
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Und senkt sich schweigend in den Schooß der Nacht. |
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Mit heimlichem und ungewissem Licht |
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Entglimmt schon hier und da in Dämmerung |
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Des Dörfners kleines Lämpchen, und verspricht |
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Dem irren Wanderer Beruhigung. |
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Wo seid ihr hin, ihr Stunden? wohin trug |
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So schnell, so rastlos euch der Strom der Zeit? |
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Ihr weht und woget, und an eurem Flug |
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Hängt oft des Menschen stille Seligkeit! |
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Wo ist der Sonnenblick, der durch der Büsche Nacht |
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Oft goldne Flecken auf dem Rasen wob, |
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Und meinen Geist mit zauberischer Macht |
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Zu leichten Himmelsahndungen erhob? |
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Wo blühn die Blumen, die Gefühl und Lust |
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Mir hier zum lieblichsten der Kränze wand? |
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Ich sinke still an der Erinnrung Brust, |
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Und ach! er liegt verwelkt in ihrer Hand! |
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Verweht, wie Zephyr, ist die Harmonie, |
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Die sonst mit heil’gem, himmlischreinem Klang |
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Aus allen Wesen quoll mit holder Sympathie, |
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Wenn Freude mir durch alle Pulse drang! |
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Im Nachtwind, der mit traurigem Gestöhn |
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Im Schilfe seufzt, das an des Teiches Moor |
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Noch einsam wachet, klagt ein säuselndes Getön |
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Mir leise diesen bangen Zuruf vor: |
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»Was suchst du hier? die Stunden sind verweht, |
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»Vergangenheit nahm sie in ihren Schooß. |
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»Die Blume stirbt – ein neu Gebild entsteht, |
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»Und keine Stunde reißt sich wieder los!« |
Details zum Gedicht „Vergangenheit“
Sophie Friederike Mereau
9
36
249
1796
Klassik
Gedicht-Analyse
Das aufgeführte Gedicht „Vergangenheit“ wurde von Sophie Friederike Mereau geschrieben, die im Zeitraum von 1770 bis 1806 lebte. Mereau war eine deutsche Schriftstellerin der Weimarer Klassik und zählt auch zur Romantik.
Auf den ersten Eindruck wirkt dieses Gedicht nachdenklich und etwas melancholisch. Es greift das universelle Thema von Zeit und Vergänglichkeit auf, das häufig in der Literatur der Romantik behandelt wurde.
Das lyrische Ich reflektiert den fließenden Charakter der Zeit, wie sie sich in der Natur und der Umgebung darstellt – mit dem Wechsel von Tag und Nacht, den verwehenden Düften und den sich verändernden Landschaften. Gleichzeitig macht das lyrische Ich deutlich, dass jede Zeit und jeder Moment unwiderruflich und für immer vorbei ist.
Die Sprache des Gedichts ist bildhaft und voller Metaphern. Der Ausdruck ist eher komplex, was typisch für die literaturepoche ist, in der das Gedicht entstand. Die Form des Gedichts mit 9 Strophen mit jeweils 4 Versen ist klar und geordnet.
Besondere Aufmerksamkeit verdient der wiederkehrende Motiv des Wechsel von Tag und Nacht. Dies könnte als Metapher für den ständigen Wandel und die Vergänglichkeit aller Dinge interpretiert werden. Beispielsweise beschreibt das lyrische Ich den Tod von Blumen und die Geburt neuer Gebilde und die ewige Bewegung der Zeit, die nie stillsteht.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Gedicht „Vergangenheit“ von Sophie Friederike Mereau eine lyrische Reflexion über die fließende Natur der Zeit und die unausweichliche Vergänglichkeit des Lebens ist.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Vergangenheit“ der Autorin Sophie Friederike Mereau. Die Autorin Sophie Friederike Mereau wurde 1770 in Altenburg geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1796 zurück. Der Erscheinungsort ist Neustrelitz. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin vorgenommen werden. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 249 Worte. Weitere bekannte Gedichte der Autorin Sophie Friederike Mereau sind „Die Zukunft“, „Die letzte Nacht“ und „Erinnerung und Phantasie“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Vergangenheit“ weitere 31 Gedichte vor.
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- Bey Frankreichs Feier
- Das Bildniß
- Das Lieblingsörtchen
- Die Zukunft
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- Erinnerung und Phantasie
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- Schwärmerei der Liebe
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Zum Autor Sophie Friederike Mereau sind auf abi-pur.de 31 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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