Lied eines abwesenden Bräutigams von Johann Christoph Friedrich Haug
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Verfliegen noch zwey Jahre, dann |
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Nenn’ ich mein Mädchen mein! |
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Und gieng es noch so schlimm, es kann |
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Kein ganzes drüber seyn! |
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Und die verfliegen wie der Wind – |
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Zwar eine hübsche Zeit! |
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Doch die zwey längsten Jahre sind |
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Lang keine Ewigkeit! |
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Und ist nicht diese ganze Zeit |
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Auch schon mein Mädchen mein? |
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Sie wirds gewiß nicht mehr als heut |
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In zehen Jahren seyn! |
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Zwar dann in meinen Armen mein, |
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Und das ist freilich viel! |
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Doch sich im Voraus drauf zu freun, |
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Ist auch kein Kinderspiel. |
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Der Freude wird die Zeit nicht lang |
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Und mir ist bis dahin |
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Deswegen nicht für Freuden bang |
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Weil ich nicht bey ihr bin: |
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Dann bin ichs nur, so giebt sie mir |
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Solch einen Vorrath mit, |
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Der mich mit guter Laune schier |
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Ein Vierteljahr versieht. |
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Ein Kuß in einem Vierteljahr! |
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Das macht das Jahr durch vier! |
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Das sind nur wenig – denkt ihr zwar |
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Doch schmek ich die dafür |
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Die ich bekomme, mehr als ihr! |
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Bey euch ist’s bloses Spiel, |
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Und erst vier Wochen drauf wird mir |
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Die Wange wieder kühl! |
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Zwey hab ich noch für heuer gut, |
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Zwey hab ich schon geschmekt, |
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Das fühlt ihr nie, wies einem thut |
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Die ihr euch ewig lekt! |
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Zwey hab’ ich jezt noch gut – die zwey |
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Nicht einen gäb ich euch |
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Um tausend andre, meiner Treu! |
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Nicht um ein Königreich. |
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Den dritten hol’ ich bald bey ihr! |
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Wie fliegt die Zeit vorbey? |
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O Mädchen! Mädchen! bleibe mir |
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Nur noch zwey Jahre treu. |
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Zwar die verfliegen wie der Wind, |
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Doch zur Beständigkeit |
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Du lieber Gott! – zwey Jahre sind |
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Gar eine lange Zeit! |
Details zum Gedicht „Lied eines abwesenden Bräutigams“
7
48
262
1782
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichts ist der deutsche Schriftsteller Johann Christoph Friedrich Haug, der von 1761 bis 1829 lebte. Das Gedicht, „Lied eines abwesenden Bräutigams“, entstand daher wahrscheinlich in der Zeitspanne des späten 18. bis frühen 19. Jahrhunderts, passend zum literarischen Kontext der Weimarer Klassik und Romantik.
Der erste Eindruck des Gedichts zeigt ein lyrisches Ich, das mit ansteckender Freude und etwas Melancholie die Vorfreude auf seine bevorstehende Hochzeit ausdrückt. Seine Worte sind voller jugendlicher Hingabe, aber auch mit einer gewissen Reife, die von dem Wissen geprägt ist, dass die Zeit bis zur Hochzeit, obwohl sie wie „zwey Jahre“ wirken mag, nicht unendlich ist.
Der Inhalt des Gedichts exprimiert die Freude des lyrischen Ichs an seiner zukünftigen Ehe und seine Vorfreude auf den Moment, wenn er seine Braut endlich seine nennen kann. Es hegt keinen Zweifel an seiner Liebe zu seiner Braut und vertraut fest darauf, dass sie auch seine Gefühle teilt. Es wirkt ein wenig ungeduldig, gibt allerdings zu, dass diese Vorfreude auch etwas Schönes ist und die Zeit der Abwesenheit von seiner Braut schneller vergehen lässt. Auf der anderen Seite zeigt sich gerade in den letzten Strophen auch die Beklemmung, dass zwei Jahre auch eine lange Zeit sein können, in der viel passieren kann.
Das Gedicht ist in sieben Strophen gegliedert, die jeweils vier oder acht Verse beinhalten. Die Sprache ist in der für die Zeit typischen hochdeutschen Form gehalten, die zwar altmodisch wirken mag, aber dennoch eine warme und aufrichtige Ausstrahlung hat. Durch diese eher simple und direkte Art, wie der Dichter seine Gefühle ausdrückt und zum Ausdruck bringt, wie sehr er sich darauf freut, seine zukünftige Frau in den Arm zu nehmen, bekommt man einen sehr emotionalen und intimen Einblick in seine Gefühlswelt.
Insgesamt ist das Gedicht „Lied eines abwesenden Bräutigams“ von Johann Christoph Friedrich Haug eine berührende Liebeserklärung, die die Zeit der Verlobung bis zur Hochzeit auf eine einfühlsame und authentische Weise schildert. Das lyrische Ich zeigt seine tiefe Liebe und Vorfreude, aber auch seine Ungeduld und Sorge um die bevorstehende Ehe, was das Gedicht zu einer ehrlichen und menschlichen Darstellung von Liebe und Vorfreude auf eine gemeinsame Zukunft macht.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Lied eines abwesenden Bräutigams“ des Autors Johann Christoph Friedrich Haug. Der Autor Johann Christoph Friedrich Haug wurde 1761 in Niederstotzingen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1782 entstanden. In Stuttgart ist der Text erschienen. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit oder Sturm & Drang zuordnen. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das vorliegende Gedicht umfasst 262 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Christoph Friedrich Haug sind „Edgar an Psyche“, „Frömmlinge“ und „Innschrift über eine Felsenquelle“. Zum Autor des Gedichtes „Lied eines abwesenden Bräutigams“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 10 Gedichte vor.
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- Der Unterschied
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- Peter
Zum Autor Johann Christoph Friedrich Haug sind auf abi-pur.de 10 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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