Betrachtung des Todes von Christian Fürchtegott Gellert

1	Wie sicher lebt der Mensch, der Staub!
2	Sein Leben ist ein fallend Laub;
3	Und dennoch schmeichelt er sich gern,
4	Der Tag des Todes sei noch fern.
5	Der Jüngling hofft des Greises Ziel,
6	Der Mann noch seiner Jahre viel,
7	Der Greis zu vielen noch ein Jahr,
8	Und keiner nimmt den Irrtum wahr.
9	Sprich nicht: Ich denk in Glück und Not
10	Im Herzen oft an meinen Tod.
11	Der, den der Tod nicht weiser macht,
12	Hat nie mit Ernst an ihn gedacht.
13	Wir leben hier zur Ewigkeit,
14	Zu tun, was uns der Herr gebeut,
15	Und unsers Lebens kleinster Teil
16	Ist eine Frist zu unserm Heil.
17	Der Tod rückt Seelen vor Gericht;
18	Da bringt Gott alles an das Licht,
19	Und macht, was hier verborgen war,
20	Den Rat der Herzen offenbar.
21	Drum da dein Tod dir täglich dräut,
22	So sei doch wacker und bereit;
23	Prüf deinen Glauben, als ein Christ,
24	Ob er durch Liebe tätig ist.
25	Ein Seufzer in der letzten Not,
26	Ein Wunsch, durch des Erlösers Tod
27	Vor Gottes Thron gerecht zu sein,
28	Dies macht dich nicht von Sünden rein.
29	Ein Herz, das Gottes Stimme hört,
30	Ihr folgt, und sich vom Bösen kehrt;
31	Ein gläubig Herz, von Lieb erfüllt,
32	Dies ist es, was in Christo gilt.
33	Die Heiligung erfordert Müh;
34	Du wirkst sie nicht, Gott wirket sie.
35	Du aber ringe stets nach ihr,
36	Als wäre sie ein Werk von dir.
37	Der Ruf des Lebens, das du lebst,
38	Dein höchstes Ziel, nach dem du strebst,
39	Und deiner Tage Rechenschaft
40	Ist Tugend in des Glaubens Kraft.
41	Ihr alle seine Tage weihn,
42	Heißt eingedenk des Todes sein:
43	Und wachsen in der Heiligung,
44	Ist wahre Todserinnerung.
45	Wie oft vergeß ich diese Pflicht!
46	Herr, geh mit mir nicht ins Gericht;
47	Drück selbst des Todes Bild in mich,
48	Daß ich dir wandle würdiglich;
49	Daß ich mein Herz mit jedem Tag
50	Vor dir, o Gott! erforschen mag,
51	Ob Liebe, Demut, Fried und Treu,
52	Die Frucht des Geistes, in ihm sei;
53	Daß ich zu dir um Gnade fleh,
54	Stets meiner Schwachheit widersteh,
55	Und einstens in des Glaubens Macht
56	Mit Freuden ruf: Es ist vollbracht!

Details zum Gedicht „Betrachtung des Todes“

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Betrachtung des Todes“ ist Christian Fürchtegott Gellert. Der Autor Christian Fürchtegott Gellert wurde 1715 in Hainichen geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1731 bis 1769 entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Aufklärung zu. Bei Gellert handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 342 Wörter. Es baut sich aus 14 Strophen auf und besteht aus 56 Versen. Die Gedichte „Der junge Krebs und die Seemuschel“, „Das Glück und die Liebe“ und „Die beiden Wandrer“ sind weitere Werke des Autors Christian Fürchtegott Gellert. Zum Autor des Gedichtes „Betrachtung des Todes“ haben wir auf abi-pur.de weitere 164 Gedichte veröffentlicht.

Weitere Gedichte des Autors Christian Fürchtegott Gellert (Infos zum Autor)

• Der Selbstmord
• Nicht jede Besserung ist Tugend
• Der Jüngling und der Greis
• Krispin und Krispine
• Das Testament
• Der reiche Geizhals
• Der Leichtsinn
• Das Kind mit der Schere
• Der junge Krebs und die Seemuschel
• Das Glück und die Liebe

Zum Autor Christian Fürchtegott Gellert sind auf abi-pur.de 164 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.