Das Testament von Christian Fürchtegott Gellert

»Sohn«, fing der Vater an, indem er sterben wollte,
»Wie ruhig schlief ich itzt nicht ein,
Wenn ich nach meinem Tod dich glücklich wissen sollte!
Du bist es wert; und wirst es sein.
Hier hast du meinen letzten Willen.
Sobald du mich ins Grab gebracht,
So brich ihn auf und such' ihn zu erfüllen;
So ist dein Glück gewiß gemacht.
Versprich mir dies, so will ich freudig sterben.«
 
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Der Vater starb; und kurz darauf
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Brach auch der Sohn das Testament schon auf
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Und las: »Mein Sohn, du wirst von mir sehr wenig erben,
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Als etwan ein gut Buch und meinen Lebenslauf,
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Den setz' ich dir zu deiner Nachricht auf.
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Mein Wunsch war meine Pflicht. Bei tausend Hindernissen
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Befliß ich stets mich auf ein gut Gewissen.
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Verstrich ein Tag, so fing ich zu mir an:
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Der Tag ist hin; hast du was Nützliches gethan?
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Und bist du weiser als am Morgen?
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Dies, lieber Sohn, dies waren meine Sorgen.
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So fand ich denn von Zeit zu Zeit
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Zu meinem täglichen Geschäfte
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Mehr Eifer und zugleich mehr Kräfte
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Und in der Pflicht stets mehr Zufriedenheit.
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So lernt' ich mich mit Wenigem begnügen
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Und steckte meinem Wunsch ein Ziel.
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Hast du genug, dacht' ich, so hast du viel;
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Und hast du nicht genug, so wird's die Vorsicht fügen.
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Was folgt dir, wenn du heute stirbst?
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Die Würden, die dir Menschen gaben?
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Der Reichtum? Nein! Das Glück, der Welt genützt zu haben;
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Drum sei vergnügt, wenn du dir dies erwirbst.
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So dacht' ich, liebster Sohn! so sucht' ich auch zu leben.
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Und dieses Glück kannst du, mit Gott, dir selber geben.
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Vergiß es nicht: Das wahre Glück allein
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Ist, ein rechtschaffner Mann zu sein.«
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Das Testament“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
279
Entstehungsjahr
1715 - 1769
Epoche
Aufklärung

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Das Testament“ ist Christian Fürchtegott Gellert. Geboren wurde Gellert im Jahr 1715 in Hainichen. In der Zeit von 1731 bis 1769 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Aufklärung zu. Bei Gellert handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 2 Strophen und umfasst dabei 279 Worte. Der Dichter Christian Fürchtegott Gellert ist auch der Autor für Gedichte wie „Das Kind mit der Schere“, „Der junge Krebs und die Seemuschel“ und „Das Glück und die Liebe“. Zum Autor des Gedichtes „Das Testament“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 164 Gedichte vor.

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