Das Kartenhaus von Christian Fürchtegott Gellert
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Das Kind greift nach den bunten Karten; |
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Ein Haus zu bauen, fällt ihm ein. |
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Es baut und kann es kaum erwarten, |
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Bis dieses Haus wird fertig sein. |
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Nun steht der Bau. O welche Freude! |
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Doch ach! Ein ungefährer Stoß |
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Erschüttert plötzlich das Gebäude, |
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Und alle Bänder reißen los. |
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Die Mutter kann im Lomberspielen, |
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Wenn sie den letzten Satz verspielt, |
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Kaum so viel banges Schrecken fühlen, |
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Als ihr bestürztes Kind itzt fühlt. |
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Doch wer wird gleich den Mut verlieren? |
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Das Kind entschließt sich sehnsuchtsvoll, |
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Ein neues Luftschloß aufzuführen, |
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Das dem zerstörten gleichen soll. |
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Die Sehnsucht muß den Schmerz besiegen; |
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Das erste Haus steht wieder da. |
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Wie lebhaft war des Kinds Vergnügen, |
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Als es sein Haus von neuem sah! |
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Nun will ich mich wohl besser hüten, |
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Damit mein Haus nicht mehr zerbricht. |
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»Tisch!« ruft das Kind, »laß dir gebieten, |
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Und stehe fest, und wackle nicht!« |
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Das Haus bleibt unerschüttert stehen, |
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Das Kind hört auf, sich zu erfreun; |
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Es wünscht, es wieder neu zu sehen, |
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Und reißt es bald mit Willen ein. |
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Schilt nicht den Unbestand der Güter, |
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Du siehst dein eigen Herz nicht ein; |
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Veränderlich sind die Gemüter, |
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So mußten auch die Dinge sein. |
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Bei Gütern, die wir stets genießen, |
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Wird das Vergnügen endlich matt; |
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Und würden sie uns nicht entrissen, |
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Wo fänd' ein neu Vergnügen statt? |
Details zum Gedicht „Das Kartenhaus“
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1715 - 1769
Aufklärung
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Das Kartenhaus“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Christian Fürchtegott Gellert. Der Autor Christian Fürchtegott Gellert wurde 1715 in Hainichen geboren. In der Zeit von 1731 bis 1769 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Aufklärung zuordnen. Der Schriftsteller Gellert ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 215 Worte. Der Dichter Christian Fürchtegott Gellert ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Jüngling und der Greis“, „Krispin und Krispine“ und „Das Testament“. Zum Autor des Gedichtes „Das Kartenhaus“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 164 Gedichte vor.
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