Der arme Schiffer von Christian Fürchtegott Gellert
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Ein armer Schiffer stak in Schulden |
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Und klagte dem Philet sein Leid. |
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»Herr!« sprach er, »leiht mir hundert Gulden; |
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Allein zu Eurer Sicherheit |
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Hab' ich kein ander Pfand als meine Redlichkeit. |
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Indessen leiht mir aus Erbarmen |
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Die hundert Gulden auf ein Jahr.« |
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Philet, ein Retter in Gefahr, |
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Ein Vater vieler hundert Armen, |
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Zählt ihm das Geld mit Freuden dar. |
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»Hier«, spricht er, »nimm es hin und brauch' es ohne Sorgen; |
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Ich freue mich, daß ich dir dienen kann; |
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Du bist ein ordentlicher Mann, |
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Dem muß man ohne Handschrift borgen.« |
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Ein Jahr und noch ein Jahr verstreicht; |
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Kein Schiffer läßt sich wieder sehen. |
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Wie? sollt' er auch Phileten hintergehen |
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Und ein Betrüger sein? Vielleicht. |
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Doch nein! Hier kömmt der Schiffer gleich. |
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»Herr!« fängt er an, »erfreuet Euch! |
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Ich bin aus allen meinen Schulden; |
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Und seht, hier sind zweihundert Gulden, |
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Die ich durch Euer Geld gewann. |
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Ich bitt' Euch herzlich, nehmt sie an; |
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Ihr seid ein gar zu wackrer Mann.« |
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»O!« spricht Philet, »ich kann mich nicht besinnen, |
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Daß ich dir jemals Geld geliehn. |
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Hier ist mein Rechnungsbuch, ich will's zu Rate ziehn; |
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Allein ich weiß es schon, du stehest nicht darinnen.« |
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Der Schiffer sieht ihn an und schweigt betroffen still |
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Und kränkt sich, daß Philet das Geld nicht nehmen will. |
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Er läuft und kömmt mit voller Hand zurücke. |
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»Hier«, spricht er, »ist der Rest von meinem ganzen Glücke, |
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Noch hundert Gulden! nehmt sie hin |
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Und laßt mir nur das Lob, daß ich erkenntlich bin. |
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Ich bin vergnügt, ich habe keine Schulden; |
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Dies Glücke dank' ich Euch allein; |
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Und wollt Ihr ja recht gütig sein, |
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So leiht mir wieder fünfzig Gulden.« |
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»Hier«, spricht Philet, »hier ist dein Geld! |
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Behalte deinen ganzen Segen: |
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Ein Mann, der Treu' und Glauben hält, |
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Verdient ihn seiner Treue wegen. |
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Sei du mein Freund! Das Geld ist dein; |
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Es sind nicht mehr als hundert Gulden mein, |
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Die sollen deinen Kindern sein.« |
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Mensch! mache dich verdient um andrer Wohlergehen; |
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Denn was ist göttlicher, als wenn du liebreich bist |
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Und mit Vergnügen eilst, dem Nächsten beizustehen, |
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Der, wenn er Großmut sieht, großmütig dankbar ist? |
Details zum Gedicht „Der arme Schiffer“
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344
1715 - 1769
Aufklärung
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichtes „Der arme Schiffer“ ist Christian Fürchtegott Gellert. Gellert wurde im Jahr 1715 in Hainichen geboren. In der Zeit von 1731 bis 1769 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Aufklärung zugeordnet werden. Gellert ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 344 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 50 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Christian Fürchtegott Gellert sind „Der Selbstmord“, „Nicht jede Besserung ist Tugend“ und „Der Jüngling und der Greis“. Zum Autor des Gedichtes „Der arme Schiffer“ haben wir auf abi-pur.de weitere 164 Gedichte veröffentlicht.
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- Nicht jede Besserung ist Tugend
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- Krispin und Krispine
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- Der junge Krebs und die Seemuschel
- Das Glück und die Liebe
Zum Autor Christian Fürchtegott Gellert sind auf abi-pur.de 164 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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