Rhynsolt und Lucia von Christian Fürchtegott Gellert
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Umsonst wandt' Rhynsolt alles an, |
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Ein reizend Weib, getreu dem Mann, |
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Ein edles Herz zur Wollust zu verführen. |
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Ihm öffnete sein hoher Stand ihr Haus; |
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Allein sie wich des Fürsten Liebling aus |
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Und ließ ihn die Verachtung spüren, |
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Die der, wär's auch ein Prinz, verdient, |
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Der sich, die Tugend zu verführen, |
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Aus Niederträchtigkeit erkühnt. |
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Was kann das Laster nicht erzwingen, |
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Wenn es die Hoheit unterstützt! |
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Sollt' es der Brunst, die Rhynsolts Herz erhitzt, |
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Durch Unrecht nicht, nicht durch Gewalt gelingen? |
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Gerichtlich zieht er bald des Weibes Eh'mann ein |
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Und eilet, ihm das Leben abzusprechen. |
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Allein, was ist denn sein Verbrechen? |
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Ist's mehr noch, als der Mann der schönsten Frau zu sein, |
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Die von der Pflicht nicht weicht, den Mann allein zu lieben? |
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Ja, Rhynsolt zeigt, wer Danvelt sei, |
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Er überführet ihn der Landsverräterei |
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Durch Briefe, die er nie geschrieben. |
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Und morgen eilt sein Todestag herbei. |
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Sein Weib wirft sich zu Rhynsolts Füßen |
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Und klagt und fleht verzweiflungsvoll. |
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Doch auch das Auge selbst, aus dem itzt Thränen schießen, |
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Das Ach, das ihn mitleidig machen soll; |
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Ein Blick, beseelt von Wehmut und von Treue, |
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Und Hände, die gerungen flehn, |
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Erhitzen nur des Richters Glut aufs neue. |
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Nie sah er Lucien so schön. |
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Er klagt ihr sein unkeusches Feuer. |
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Verschämte Muse, sag's nicht nach, |
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Was ein erhabnes Ungeheuer |
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Zu einem frommen Weibe sprach! |
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Um sie durch ihren Mann zu rühren, |
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Läßt er sie selbst in seinen Kerker führen |
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Und läßt sie da mit ihm allein. |
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Sie kämpfen mit dem größten Leiden, |
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Lieb' und Verzweiflung spricht aus beiden. |
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»O Danvelt! soll ich dich vom Tode nicht befrein? |
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Man eilt, dich schrecklich hinzurichten. |
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Vergess' ich nicht noch heute meiner Pflichten: |
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So wirst du morgen nicht mehr sein. |
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Willst du die Schande mir verzeihn: |
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Nun so gebeut!« - Sie zittert, mehr zu sagen, |
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Und drückt ihn starr an ihre Brust. |
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Er klagt und weint in ihre Klagen: |
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Ihn schreckt ein doppelter Verlust. |
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»Soll ich den Tod, den peinlichsten, erdulden? |
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Befreist du mich durch deine Schmach: |
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So sind es zwar nicht deiner Tugend Schulden; |
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Und doch - O Gott! was soll ich nun erdulden?« |
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Der Morgen kömmt; und Lucia, |
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Die Danvelts Tod vor Augen sah, |
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Ergiebt sich thränend dem Barbaren. |
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Er stillt die Brunst und bittet ungescheut, |
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Mit einer gleichen Gütigkeit |
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Auch gegen ihn in Zukunft fortzufahren. |
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»Itzt aber«, fängt er lächelnd an, |
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»Itzt kannst du deinen lieben Mann |
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Nach deinem Wunsch aus seinem Kerker holen; |
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Doch daß er mir nicht künftig schaden kann: |
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So hab' ich das zugleich gethan, |
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Was Lieb' und Klugheit mir befohlen. |
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Ich weiß, du zürnst deswegen nicht.« |
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Sie flieht mit Scham und mit verletzter Pflicht, |
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Des Mannes Kerker aufzuschließen. |
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Doch Himmel! ohne Haupt lag er zu ihren Füßen. |
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Sie steht erstarrt; kein Ach erschallt, |
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Man sieht auch keine Träne rinnen. |
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Des Schmerzens tödliche Gewalt |
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Heißt sie allein auf Rache sinnen. |
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Sie sucht den Hof, wo Karl, ihr Fürst, regiert, |
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Und hat das Glück, den Fürsten zu erreichen. |
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»Wenn dich«, ruft sie, »die Schmach der Tugend rührt: |
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So laß, o Karl, dich itzt mein Flehn erweichen! |
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Es ist zu spät, mein Schutz zu sein. |
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Du kannst nichts thun als mich Elende rächen. |
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Denn Rhynsolt - Strafe sein Verbrechen; |
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Ich schäme mich, es auszusprechen. |
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Lies diese Schrift und fühle meine Pein!« |
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Karl liest, und eine fromme Zähre |
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Fließt von des Helden Angesicht |
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Der Tugend und auch ihm zur Ehre. |
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Ihr Fürsten, welch ein Lobgedicht! |
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Karl liest, und eine fromme Zähre |
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Fließt von des Helden Angesicht. |
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Doch ist's genug, das Laster zu beweinen? |
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Ein Tag wird angesetzt; der Liebling muß erscheinen, |
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Und gleich nach ihm tritt Lucia herein. |
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»Kennst du dies Weib?« spricht Karl. Ein plötzliches Erschrecken |
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Verrät den Bösewicht; er räumt das Laster ein; |
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Und ihre Schande zu bedecken, |
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Will er mit ihr vermählet sein. |
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Der Fürst läßt gleich den Bischof kommen |
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Und wohnt der Trauung selber bei. |
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»Du«, spricht er, »hast sie zwar aus Furcht vor mir genommen; |
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Doch dies beweist nicht deine Treu; |
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Sie zur Vergebung zu bewegen, |
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Verschreib' ihr alle dein Vermögen.« |
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Er thut's. »Sieh, Lucia«, fing drauf der Herzog an, |
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»Du bist durch mich gerächt; allein aus gleichen Pflichten |
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Räch' ich nunmehr auch deinen Mann.« |
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Und er gebot, den Liebling hinzurichten. |
Details zum Gedicht „Rhynsolt und Lucia“
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1715 - 1769
Aufklärung
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Rhynsolt und Lucia“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Christian Fürchtegott Gellert. Im Jahr 1715 wurde Gellert in Hainichen geboren. Im Zeitraum zwischen 1731 und 1769 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Aufklärung zuordnen. Bei Gellert handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 104 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 691 Worte. Die Gedichte „Das Testament“, „Der reiche Geizhals“ und „Der Leichtsinn“ sind weitere Werke des Autors Christian Fürchtegott Gellert. Zum Autor des Gedichtes „Rhynsolt und Lucia“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 164 Gedichte vor.
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Zum Autor Christian Fürchtegott Gellert sind auf abi-pur.de 164 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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