An den unadelichen Adel von Sibylla Schwarz

1	GNade Juncker / ich muß fragen:
2	Wo hinauß? Ihr fallet schier:
3	Atlas kan den Himmel tragen
4	Ohn' euch darumb bleibt nur hier:
5	Ewer stoltz sein wil mich treiben /
6	Euch ein schlechtes Lied zu schreiben.
7	Dedalus weiß sich zuschwingen /
8	Krafft der Flügel / hoch empor /
9	Icarus wil höher dringen /
10	Meint ihm noch zu kommen vor /
11	Aber muß auff Erden liegen /
12	Als er wil gen Himmel fliegen.
13	Also kan man heut noch sehen /
14	Wie so mancher Edelman
15	Seinen Ahnen nach wil gehen /
16	Der doch kaum nur sehen kan
17	Spiesse / Harnisch / Büchs und Degen /
18	Die da Edel machen pflegen.
19	Wer den Weg der Demuth kennet /
20	Der ist Edel nur allein /
21	Wer sich selbst unedel nennet /
22	Der mag zweymahl edel sein;
23	Der ist edel von Gemüth /
24	Und nicht schlecht nur vom Geblüt.
25	Marius wil nicht viel preisen
26	Seiner Ahnen Ruhm und Schild /
27	Sondern wil viel lieber weisen
28	An ihm selbst der Eltern Bild;
29	Denn es sind nur bleiche Wangen /
30	Die mit frembder röhte Prangen.
31	Er weiß frewdig aufzulegen /
32	Was ihn machet lieb und wehrt;
33	Seine Büchse / Spieß und Degen /
34	Sein voll Schweiß / und nasses Pferd /
35	Und darzu der Leib voll Wunden /
36	Die zumteil noch nicht verbunden.
37	Der kans nachthun seinen Ahnen /
38	Der da schützt sein Vaterland /
39	Nicht allein mit rohten Fahnen /
40	Sondern auch behertzter Hand /
41	Der da kan viel Nutzen schaffen /
42	Und auff harter Erden schlaffen.
43	Mancher weis uns vorzusagen
44	Viel von seiner Tapfferkeit /
45	Wie er manchen Held erschlagen /
46	Ey es ist der Warheit weit!
47	Katzen meint er nur und Mäuse /
48	Wilde Flöh und zahme Läuse.
49	Dieser pflegt sich außzuschmücken /
50	Zieret mit den Sporen sich /
51	Leßt das Kleid mit Silber sticken /
52	Kreußt das Haar so meisterlich /
53	Aber ach ihr Stoltzen Narren!
54	Adel wechset nicht in Haaren.
55	Jener endert die Geberden /
56	Gott! was braucht er Phantasey!
57	Bückt sich offtmahls biß zur Erden /
58	Hawt sich mit der Hand entzwey /
59	Scharret weitlich in den Sande /
60	Meint / das dien zum Adelstande.
61	Pfleget mit den Augen wincken /
62	Bricht mit frembder Stimm hervor /
63	Hebt / auß Hoffart / an zu hincken /
64	Zieht den hut aufs eine Ohr /
65	Viel auch reden durch die Nasen /
66	O der zwey mahl grossen Hasen!
67	Dabey muß es noch nicht bleiben /
68	Schawt doch / wie sie heben an
69	Grossen Titel sich zu schreiben /
70	Der oft auff den Brieff nicht kan:
71	Aber grosse Titel sterben /
72	Können gar kein Lob erwerben.
73	Wird von einem nur gesaget /
74	Daß er etwas weis und kan /
75	So wirdt anfangs bloß gefraget:
76	Ist er auch ein Edelman?
77	Ist ers nicht / so wird verlachet /
78	Was er je und je gemachet.
79	Der hergegen wird gepreiset /
80	Der von grossen Eltern her /
81	Ob man ihm zwar offt beweiset;
82	Daß er aller Tugend leer:
83	O ihr Narren! O ihr Thoren /
84	Mit des Midas Esels Ohren!
85	Laßt euch; bitt ich / weisen heute /
86	Weil ihr blind seyt ümb und an:
87	Ihr seyt nur als andre Leute /
88	Adel ist ein blosser Wahn;
89	Denckt nur / wie der Teuffel lachet /
90	Wenn er euch so stolz gemachet.
91	Ich weis gar wol ewre Sinnen /
92	Der ist euch an Adel groß /
93	Der viel Güter kan gewinnen /
94	Ob er zwar an Tugend bloß /
95	Der ein stücke Land besitzet /
96	Daß ihn offtmahls wenig nützet.
97	Hohe Schlösser / dicke Mawren /
98	Grosse Dörffer / Gelt und Gut /
99	Schöne Pferde / reiche Bawren /
100	Das macht euch den grossen Muth;
101	Nun der Krieg euch das genommen /
102	Müßt ihr zu den Bürgern kommen.
103	Habt offt kaum das Brodt zu essen /
104	Hungert manchen langen Tag /
105	Und seit dannoch so vermessen /
106	Daß man sich verwundern mag /
107	Ja ein kluger muß euch weichen /
108	Kan euch kaum das Wasser reichen.
109	Die in Phebus Hütten leben /
110	Müssen / ob es schon nicht recht;
111	Euch die Oberstelle geben /
112	Ihr seit Herren / sie die Knecht;
113	O geht hin / und laßt euch lehren /
114	Wie ihr andre auch solt ehren.
115	Hab ich nun zu viel geschrieben /
116	Zürnet nicht / nur denckt allein /
117	Daß ihr mich darzu getrieben /
118	Warheit wil gesaget sein:
119	Euch Gestrengen / Edlen / Vesten
120	Ist es je geschehn zum besten.

Details zum Gedicht „An den unadelichen Adel“

Gedicht-Analyse

Die Autorin des Gedichtes „An den unadelichen Adel“ ist Sibylla Schwarz. Schwarz wurde im Jahr 1621 in Greifswald geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1637 bis 1638 entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her lässt sich das Gedicht der Epoche Barock zuordnen. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das vorliegende Gedicht umfasst 639 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 120 Versen. Die Dichterin Sibylla Schwarz ist auch die Autorin für Gedichte wie „DIe Lieb ist blind / und gleichwohl kan sie sehen“, „WAns fragen gelten solt / so möcht ich billich fragen“ und „ISt Lieb ein Feur / und kan das Eisen schmiegen“. Zur Autorin des Gedichtes „An den unadelichen Adel“ haben wir auf abi-pur.de weitere 40 Gedichte veröffentlicht.

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