Young über Gedanken und Rede von Johann Gottfried Herder

Fehlt Dir ein Freund zum Ausfluß Deines Geistes,
So wird Dein Innres Sumpf. Verschlossene
Gedanken wollen Luft oder verliegen
Wie Waarenlager, denen Sonne fehlt.
Wär' der Gedanke Alles, hätten wir
Die süße Rede nicht, die Rede, sie,
Den Leiter und den Prüfstein der Gedanken
Was in dem Schachte liegt, kann Gold und Kies sein;
Ans Licht gefördert und ins Wort geprägt,
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Erscheinet des Gedanken wahrer Werth.
 
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Je mitgetheilter, desto eigner sind
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Gedanken unser. Lehrend lernen wir;
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Geboren, werden des Verstandes Kinder
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Die unsern; stumm, vergäße man sie.
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Rede,
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Sie facht des Geistes Feuer an, sie mustert
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Die Rüstungskammer, deren Waffen sie
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Zum Schmuck poliret, zum Gebrauche wetzt.
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O, wie viel' ihrer liegen, bis ans Heft
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Versteckt in Scheiden der Gelehrsamkeit
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Ehrwürd'ger Bände eingerostet! Sie,
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Geschärft zur Schneide, hätten weit umher
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Geblitzt, und wären sie der Mutter Zunge
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Auch nur mit halbem Erbtheil Kinder worden.
 
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Gedankenwechsel ist's, was gleich dem Stoß
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Und Gegenstoß kämpfender Wogen bricht,
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Bricht den gelehrten Schaum und hellet auf
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Des Tiefstudirers stehnden Pfuhl.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.1 KB)

Details zum Gedicht „Young über Gedanken und Rede“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
166
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das vorgelegte Gedicht „Young über Gedanken und Rede“ stammt von Johann Gottfried Herder, einem der führenden Köpfe der Weimarer Klassik in Deutschland, der von 1744 bis 1803 lebte. Das Gedicht wird daher in die Literaturperiode der Weimarer Klassik eingeteilt, welche von 1772 bis 1805 andauerte.

Auf den ersten Blick ist das Gedicht eine Ode an die Gedanken und die Rede, sowohl getrennt voneinander als auch in ihrer Wechselbeziehung. Durch eine bildhafte Sprache versucht der Autor, den Wert und die Bedeutung von Gedanken und Rede zu veranschaulichen.

Inhaltlich formuliert das lyrische Ich zunächst die Notwendigkeit des Ausdrucks eigener Gedanken, um inneres Wachstum zu ermöglichen (Verse 1-4). Das lyrische Ich betont auch die Bedeutung der Rede als ein Ausdrucksmittel für die Gedanken (Verse 5-10). In der zweiten Strophe (Verse 11-24) wird hervorgehoben, dass Gedanken durch die Mitteilung und Lehre personalisiert und gestärkt werden. Die Rede wird als ein Werkzeug hervorgehoben, das Gedanken aufleuchten lässt und vor Vergessenheit bewahrt. In der letzten Strophe (Verse 25-28) betont das lyrische Ich den Wert des Austauschs von Gedanken, um das tiefe Studium zu bereichern.

Bezüglich der Form und Sprache des Gedichts: Es besteht aus drei Strophen mit unterschiedlicher Länge. Die Verslänge variiert ebenfalls, was darauf hindeutet, dass das Gedicht einen freien Vers verwendet. Es ist reich an Metaphern und Vergleichen, wodurch ein anschauliches Bild der abstrakten Ideen des Gedichts geschaffen wird. Bemerkenswert ist die wiederholte Personifizierung der „Rede“ und der „Gedanken“, was dazu dient, ihre Beziehung und ihr Zusammenspiel hervorzuheben.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Young über Gedanken und Rede“ ist Johann Gottfried Herder. Herder wurde im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1760 und 1803. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Epoche der Literatur, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Jugend- und Protestbewegung gegen die aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Rebellieren gegen die Epoche der Aufklärung. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig Autoren im jungen Alter, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Die Schriftsteller versuchten in den Dichtungen eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Mit der Hinwendung Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.

Die Literaturepoche der Weimarer Klassik dauerte von 1786 bis 1832 an. Bedeutende Vertreter dieser Literaturepoche waren Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Die zeitliche Abgrenzung orientiert sich dabei an dem Schaffen Goethes. So wird dessen erste Italienreise im Jahr 1786 als Beginn der deutschen Klassik angesehen, die dann mit seinem Tod im Jahr 1832 ihr Ende nahm. Das Zentrum der Weimarer Klassik lag in Weimar. Häufig wird die Epoche auch nur als Klassik bezeichnet. Die Weimarer Klassik geht von der Erziehbarkeit des Menschen zum Guten aus. Ihr Ziel ist die Humanität, die wahre Menschlichkeit (das Schöne, Gute, Wahre). Die Autoren der Weimarer Klassik gingen davon aus, dass Gott den Menschen Gefühle und Vernunft gibt und die Menschen damit dem Leben einen Sinn geben. Das Individuum ist also von höheren Mächten bestimmt. Charakteristisch ist ein hohes Sprachniveau und eine reglementierte Sprache. Diese reglementierte Sprache verdeutlicht im Vergleich zum natürlichen Sprachideal des Sturm und Drang mit all seinen Derbheiten den Ausgleich zwischen Vernunft und Gefühl. Die Dichter haben in der Weimarer Klassik auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. Die berühmtesten Schriftsteller der Weimarer Klassik sind Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Weitere Schriftsteller der Weimarer Klassik sind Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Die beiden letztgenannten arbeiteten jeweils für sich. Einen konstruktiven Austausch im Sinne eines gemeinsamen Arbeitsverhältnisses gab es nur zwischen Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller.

Das 166 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „Amor und Psyche“, „An Auroren“ und „An den Schlaf“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Young über Gedanken und Rede“ weitere 413 Gedichte vor.

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