Bilder und Träume von Johann Gottfried Herder

Fliegt, ihr meiner Jugend Träume,
Flattert, leichtbeschwingte Reime,
In mein frohes Jugendland;
Wo ich unter dichten Bäumen
In der Muse selgen Träumen
Wahrheit suchte, Bilder fand.
 
Gleich den bunten Schmetterlingen
Schlüpften mir auf leichten Schwingen
Manche, manche längst vorbei:
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Andre sind mir treu geblieben,
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Und so bleib’ ich euch, ihr Lieben,
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Auch mit Herz und Seele treu.
 
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Ach, in deinen Schoos versunken
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Sind die Welten, die ich trunken
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In dir sahe, Silbersee.
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Schlummert sanft! denn auch in schönen
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Luftgefärbten Wandrerscenen
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Dämmert mir der Wahrheit Höh.
 
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Flieht, ihr meiner Jugend Träume,
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Flattert, leichtbeschwingte Reime,
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In die Hand der Jugendzeit.
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Träume sind wir, denen Schatten
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Sich mit Licht und Wahrheit gatten,
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Und die auch der Traum erfreut.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „Bilder und Träume“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
115
Entstehungsjahr
1787
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht ist von Johann Gottfried Herder, einem Philosophen, Theologen, Dichter und Geschichtsschreiber der deutschen Frühaufklärung. Er lebte von 1744 bis 1803 und kann somit historisch in die Epoche der Aufklärung eingeordnet werden.

Der erste Eindruck des Gedichts ist melancholisch und retrospektiv. Herder erinnert sich an seine eigene Jugend und wie Generationen vor ihm die gleichen Träume und idealistischen Visionen hatten. In einfachen Worten beschreibt das lyrische Ich die Vergänglichkeit des Lebens und die voranschreitende Zeit. Es reflektiert seine vergangenen Träume und Gedanken und betont dabei die Wichtigkeit und Zuneigung zu eben jenen.

Im gesamten Gedicht verwendet Herder eine sehr bildhafte Sprache, die Naturmetaphern und personifizierte Abstraktionen beinhaltet. Beispielsweise sind die „leichtbeschwingten Reime“ und „bunten Schmetterlingen“ Symbole für die Träume und Hoffnungen, die flüchtig sind und sich verändern, aber dennoch Schönheit besitzen. Die „Wahrheit“ und die „Hand der Jugendzeit“ repräsentieren wiederum die Realität und die Vergangenheit, deren Wechselbeziehung mit den Träumen betont wird.

Das Gedicht besteht aus vier Strophen mit jeweils sechs Versen. Dies sorgt für eine klare und strukturierte Form. Die Sprache ist geprägt von ihrem poetischen Charakter und der dichterischen Freiheit, was sich in variierten Versmaßen und vielschichtigen Bedeutungsebenen zeigt.

Zusammenfassend ist Herders Gedicht „Bilder und Träume“ eine Reflexion über die Vergänglichkeit des Lebens, die Schönheit der Jugend und Träume und die Melancholie der Vergangenheit. Mit seiner bildhaften Sprache und strukturierten Form vermittelt es sowohl eine persönliche als auch eine universelle Botschaft über das menschliche Dasein.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Bilder und Träume“ ist Johann Gottfried Herder. 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Im Jahr 1787 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Gotha. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Bei Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Literaturepoche, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Protest- und Jugendbewegung gegen diese aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung. Die Vertreter des Sturm und Drang waren häufig junge Autoren im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Künstlern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Schiller, Goethe und natürlich die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert bewegt: die Aufklärung und eine gefühlsbetonte Strömung, die durch den Sturm und Drang vertreten wurde. Die Weimarer Klassik ist im Grund genommen eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Die Weimarer Klassik nahm ihren Anfang mit der Italienreise Goethes im Jahr 1786 und endete mit dem Tod von Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1832. Das Zentrum der Literatur der Weimarer Klassik lag in Weimar. Häufig wird die Epoche auch nur als Klassik bezeichnet. Menschlichkeit, Toleranz und Übereinstimmung von Mensch und Natur, von Gesellschaft und Individuum sind die Ideale der Klassik. Im Zentrum des klassischen Kunstkonzepts steht das Streben nach harmonischem Ausgleich der Gegensätze. Charakteristisch ist ein hohes Sprachniveau und eine reglementierte Sprache. Diese reglementierte Sprache verdeutlicht im Vergleich zum natürlichen Sprachideal der Literaturepoche des Sturm und Drang mit all seinen Derbheiten den Ausgleich zwischen Gefühl und Vernunft. Die Dichter haben in der Klassik auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. Schiller, Goethe, Wieland und Herder können als die Hauptvertreter der Weimarer Klassik betrachtet werden. Aber nur Goethe und Schiller inspirierten und motivierten einander durch enge Zusammenarbeit und wechselseitige Kritik.

Das 115 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder sind „Das Glück“, „Das Kind der Sorge“ und „Das Orakel“. Zum Autor des Gedichtes „Bilder und Träume“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 413 Gedichte vor.

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