Abschiedslied von Ernst Moritz Arndt
1 |
Schon dunkeln meine Lebenstage |
2 |
Sich tief hinab zum Abendschein, |
3 |
Und ernster fragt die große Frage: |
4 |
Was bist du? Sprich: Was wirst du sein? |
5 |
Wie löst das Rätsel deines Lebens |
6 |
Sich hinter deinem Grabe auf? |
7 |
War all dein Streben nicht vergebens? |
8 |
War eitel Irrlauf nicht dein Lauf? |
|
|
9 |
Jawohl, die letzten Glockenschläge, |
10 |
Der letzte Strahl des Abendlichts, |
11 |
Was klingen sie im Busen rege? |
12 |
Was leuchtet er aus deinem Nichts? |
13 |
Was melden deiner Augen Tränen? |
14 |
Was wird im kranken Herzen wach? |
15 |
O all dein Irren, Träumen, Sehnen, |
16 |
Des Lebens langes Weh und Ach. |
|
|
17 |
So ist's: Mit Düsternis umhangen |
18 |
Wie oft war dir die wunde Brust, |
19 |
Ein Dorn dein Sehnen und Verlangen, |
20 |
Ein Gift die Süßigkeit der Lust; |
21 |
Wie mochte sich der Blinde hüten |
22 |
Auf bunter Täuschung Blumenfeld, |
23 |
Wie oft die Natter unter Blüten |
24 |
Den Biß auf ihren Pflücker schnellt? |
|
|
25 |
Doch still! Auch lieblich ist verklungen |
26 |
Dir mancher schöne Erdentag, |
27 |
Von Gottes Lieb' und Lust durchsungen, |
28 |
Die tönt Erinnrung fröhlich nach. |
29 |
Ja, Gott, ich danke für dein Werde! |
30 |
Fürs Wonnewort: Es werde Licht! |
31 |
Für deine schöne, grüne Erde |
32 |
Und all ihr Sonnenangesicht. |
|
|
33 |
Ja, Dank dir, Herr, für reiche Freude |
34 |
Auf schwerstem, längstem Pilgergang. |
35 |
Es macht des Abends Schlafgeläute |
36 |
Dem müden Wandrer nimmer bang; |
37 |
Wie oft er auch auf wüstem Pfade |
38 |
Von deinem Lichte lief verirrt, |
39 |
Er weiß, daß deine Huld und Gnade |
40 |
Ihn nimmermehr verlassen wird. |
|
|
41 |
Nein, nimmer! Felsen sind die Worte, |
42 |
Die Worte dein, Herr Jesus Christ, |
43 |
Durch welche mir die Himmelspforte |
44 |
Der Gnade weit geöffnet ist. |
45 |
Mag dieser Erde Licht verscheinen, |
46 |
Mag diese Sonne untergehn, |
47 |
Ich werde selig mit den Deinen |
48 |
Lobsingend stehn auf höhern Höhn. |
|
|
49 |
Ja, süßer Heiland, mit den Deinen, |
50 |
Sei auch ich unter Kleinsten klein |
51 |
Dein Licht wird ewig auf mir scheinen, |
52 |
Dein Glanz wird ewig bei mir sein. |
53 |
Hier gilt kein Zagen und kein Fragen, |
54 |
Hier gilt: Halt fest, den Glauben fest, |
55 |
Daß Gott nach diesen dunklen Tagen |
56 |
Dir hellere Sterne scheinen läßt. |
Details zum Gedicht „Abschiedslied“
Ernst Moritz Arndt
7
56
315
1855
Realismus
Gedicht-Analyse
Ernst Moritz Arndt ist der Autor des Gedichts „Abschiedslied“. Arndt wurde 1769 geboren und starb 1860 und ist bekannt als Autor von Liedern und Gedichten zur Zeit der Befreiungskriege und der Romantik.
Beim ersten Lesen des Gedichts entsteht der Eindruck eines introspektiven und nachdenklichen Verhältnisses zum Leben, Tod und der Existenz. Der tiefe emotionale Ton und die spirituelle Sprache deuten auf ein ernstes und bedeutendes Thema hin: das Ende des Lebens und die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod.
Im Gedicht geht es um die Reflexion des lyrischen Ichs auf sein Leben. Es blickt auf seine vergangenen Lebenstage zurück, welche sich zum Abendschein, ein Symbol des Lebensendes, neigen. Es sieht sein Leben in Frage, ob es von Irrtum und vergeblichen Streben geprägt war. Trotz der Schatten und Schwierigkeiten, die das Leben mit sich brachte, zeigt das Gedicht auch eine Dankbarkeit gegenüber Gott für die schönen Tage und die Freuden des Lebens.
Die Form des Gedichts besteht aus sieben Strophen mit jeweils acht Versen. Jede Strophe befasst sich thematisch mit einer Phase oder einem Aspekt des Lebens, vom Nachdenken über die eigene Sterblichkeit zu Beginn bis hin zu der Hoffnung und dem Glauben an ein Leben nach dem Tod am Ende. In Bezug auf die Sprache verwendet Arndt eine bildhafte und symbolträchtige Sprache, die starke emotionale Resonanz erzeugt und den Leser zur Reflexion anregt.
Das lyrische Ich bekennt im Gedicht auch seinen Glauben an Gott und Jesus Christus, indem es Gott für das Leben dankt und sich auf das Versprechen des ewigen Lebens nach dem Tod stützt. Dies deutet auf Arndts tiefe religiöse Überzeugung hin und steht im Zusammenhang mit seiner Rolle als ein führender Vertreter der Erweckungsbewegung, einer religiösen Revolutionsbewegung im 19. Jahrhundert.
Insgesamt liefert das Gedicht eine bewegende Reflektion über das Leben, den Tod und die Hoffnung auf ein Jenseits. Durch die Verwendung von bildhafter Sprache und starken Emotionen gelingt es Arndt, ein Gefühl von Menschlichkeit und universeller Erfahrung zu vermitteln, das über die Grenzen seiner eigenen Zeit hinausgeht.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Abschiedslied“ ist Ernst Moritz Arndt. Arndt wurde im Jahr 1769 in Groß Schoritz (Rügen) geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1855. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Realismus zu. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 315 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Ernst Moritz Arndt sind „Laßt wehen, was nur wehen kann“, „Ballade“ und „Die Zaunranke und der Klee“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Abschiedslied“ weitere 285 Gedichte vor.
+ Mehr Informationen zum Autor / Gedicht einblenden.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Weitere Gedichte des Autors Ernst Moritz Arndt (Infos zum Autor)
- Der Mann
- Der Weihnachtsbaum
- Klage um Auerswald und Lichnowsky
- Das Glück, das glatt
- Laßt wehen, was nur wehen kann
- Ballade
- Die Zaunranke und der Klee
- Elegie
- Die Biene und der Lenz
- Leben
Zum Autor Ernst Moritz Arndt sind auf abi-pur.de 285 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
Freie Ausbildungsplätze in Deiner Region
besuche unsere Stellenbörse und finde mit uns Deinen Ausbildungsplatz
erfahre mehr und bewirb Dich direkt