An die Wehmut von Ernst Moritz Arndt

Du, die im Sternenschleier
Der Nächte wandeln geht,
Wo Traum und Ahnung freier
Um fromme Seelen weht,
Wo sich von grünen Grüften
Die grüne Hoffnung hebt
Und in den Himmelslüften
Mit Engeln selig schwebt,
 
Die dann um stille Seelen
10 
Ihr zartes Dunkel spinnt,
11 
Die Wunder zu erzählen,
12 
Die hoch im Himmel sind,
13 
Die dann die hellen Saiten
14 
Des tiefsten Herzens rührt
15 
Und durch die langen Zeiten
16 
Die Geister wandeln führt
 
17 
Sei süß mir, o Huldinne,
18 
Sei, Wehmut, mir gegrüßt!
19 
Die mild durch alle Sinne
20 
Gleich Himmelsquellen fließt,
21 
Die Gram und heißes Sehnen
22 
In sanften Schlummer lullt
23 
Und in der Flut der Tränen
24 
Ertränkt die bittre Schuld.
 
25 
Dir will ich ewig danken,
26 
Dir, meiner Nächte Lust,
27 
Die weich mit Himmelsranken
28 
Umflicht die wunde Brust,
29 
Die süße Liebesworte
30 
Mit Engeltönen singt
31 
Und an der Himmelspforte
32 
Der Sehnsucht Glocken ringt.
 
33 
Dich will ich ewig loben,
34 
Dich und die Schwester dein,
35 
Die Liebe, die nach oben
36 
Auch lockt der lichte Schein,
37 
Die Liebe, die auf Erden
38 
Wohl nie Genüge find't,
39 
Oft traurig an Gebärden,
40 
Gleich dir ein himmlisch Kind.
 
41 
O bleibet, süße beide,
42 
O bleibt mir ewig treu!
43 
Daß fröhlich ich im Leide,
44 
In Freuden traurig sei.
45 
Was flache Toren preisen,
46 
Das mag mein Glück nicht sein,
47 
Wo eure Sterne kreisen,
48 
Da kann ich selig sein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „An die Wehmut“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
212
Entstehungsjahr
1813
Epoche
Klassik,
Romantik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht wurde von Ernst Moritz Arndt verfasst, einem wichtigen Schriftsteller und Politiker der Aufklärung und der deutschen Freiheitsbewegung des 19. Jahrhunderts, der von 1769 bis 1860 lebte. Auch wenn dieses Gedicht nicht spezifisch datiert ist, fällt es allgemein in diese Periode, in der Arndt aktiv war.

Schon beim ersten Lesen fällt die anpassungsfähige Atmosphäre von Schmerz und Freude, von Trennung und Zusammengehörigkeit, von Verlust und Zuversicht auf. Der Titel des Gedichts, „An die Wehmut“, signalisiert bereits, dass es eine Art Ode oder Lobgesang an die Wehmut ist, die oft in Zeiten von Kummer oder Trauer präsent ist.

Inhaltlich spricht das lyrische Ich zunächst eine ungenannte Person oder Wesenheit an, die in den Nächten wandelt und Hoffnung bringt (Strophe 1), die Wunder erzählt (Strophe 2). Diese wird dann als Huldinne der Wehmut offenbart, die als heilsam und mit tiefer Sinnhaftigkeit wahrgenommen wird (Strophe 3). Das lyrische Ich dankt der Wehmut und vergleicht ihre Wirkung mit der von himmlischen Ranken, die das verletzte Herz umschlingen und zum Gesang anregen (Strophe 4). Hier wird noch eine weitere ergänzende Wesenheit, die Liebe, eingeführt, die als Schwester der Wehmut dargestellt wird (Strophe 5). Das Gedicht endet mit einem flehenden Aufruf an beide, die Wehmut und die Liebe, beständig zu bleiben (Strophe 6).

In Bezug auf die Form des Gedichts handelt es sich um einen streng strukturierten Reim mit sechs Strophen mit jeweils acht Versen, welche jeweils mit den Reimschemata ABABCDCD geschrieben sind. Dies vermittelt einen Intonationsrhythmus, der das Zuhören oder Lesen des Gedichts angenehm macht.

Die Sprache und das Vokabular des Gedichts sind metaphorisch und bilderreich. Es gibt viele Bezüge zu himmlischen Motiven, wie Sternen, Engeln, Himmelslüften und Himmelspforte, die dem Thema Wehmut eine fast spirituelle Dimension geben. Zudem setzt Arndt kontrastreiche Farbmetaphern ein, wie Dunkelheit (Wehmut) und Licht (Liebe), dabei entsteht ein Spannungsbogen zwischen Gefühlen von Schmerz und Freude.

Das Thema Wehmut, das durch das Gedicht durchgeht, mag für Arndt auf persönlicher Ebene relevant gewesen sein, kennzeichnet jedoch auch einen größeren Kontext der damaligen Zeit, als die Menschen mit dem gesellschaftlichen Wandel und politischen Unruhen konfrontiert waren. Im Kontext seiner Werke und seines politischen Engagements kann dieses Gedicht als ein Ausdruck seines Glaubens an die Heiligkeit von Gefühlen gelesen werden, auch jene, die Schmerz und Traurigkeit hervorrufen. Er deutet an, dass Liebe und Wehmut lebenswichtig sind, da sie die Menschheit auf eine höhere Ebene des Verständnisses und der Hoffnung führen können.

Weitere Informationen

Das Gedicht „An die Wehmut“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Ernst Moritz Arndt. Geboren wurde Arndt im Jahr 1769 in Groß Schoritz (Rügen). Im Jahr 1813 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Klassik oder Romantik zugeordnet werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das 212 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Ernst Moritz Arndt ist auch der Autor für Gedichte wie „Klage um Auerswald und Lichnowsky“, „Das Glück, das glatt“ und „Laßt wehen, was nur wehen kann“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „An die Wehmut“ weitere 285 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Weitere Gedichte des Autors Ernst Moritz Arndt (Infos zum Autor)

Zum Autor Ernst Moritz Arndt sind auf abi-pur.de 285 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.