Das Finkenlied von Ernst Moritz Arndt
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Wir singen ein trauriges Finkenlied: |
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Der edle, freie Fink ist tot, |
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Ihn weckt zu frohem Lustgesang |
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Nie mehr ein irdisch Morgenrot, |
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Er hat ein beßres Land erflogen, |
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Er schwimmt auf hellern Himmelswogen |
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Doch ach, für uns der Fink ist tot. |
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Wir singen ein fröhliches Finkenlied, |
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Ein Lied aus voller, deutscher Brust, |
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Und wenn wir auch in Trauern gehn, |
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Solche Trauer hat in Tränen Lust: |
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Um Tapfre sind so süß die Schmerzen, |
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Sie heben himmelan die Herzen, |
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Des Himmelfluges sich bewußt. |
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Wir singen ein fröhliches Finkenlied |
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Wie fröhlich war des Finken Sang, |
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Wenn er den Dreiklang hellsten Tons |
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Recht, Vaterland und Freiheit klang! |
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Den Schlag in guten und bösen Tagen, |
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Den mußt er immer mutig schlagen, |
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Der war des deutschen Finken Klang. |
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Den klang er, als vom welschen Gei'r |
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Der deutsche Hain war stumm gemacht, |
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Den klang er frisch durch Berg und Tal; |
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Drob hieb der Gei'r ihm Bann und Acht |
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Und rief: Wir wolln den deutschen Schnäbeln |
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Die unverschämten Kehlen knebeln, |
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Schweigt, Freche! Bebet unsrer Macht! |
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So meint' und dräute welsche Wut, |
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Doch Gott im Himmel meint' es nicht, |
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Er schlug mit schärfsten Blitzen drein, |
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Da ward's in deutschen Hainen licht, |
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Da blühte deutscher Frühling wieder, |
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Da klangen wieder deutsche Lieder, |
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Und fremde Schnäbel krächzten nicht. |
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Und o, der Adler an der Spree, |
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Da, wo er thront in höchster Horst, |
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Vernahm des tapfern Finken Schlag |
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Und sprach: »Der hüte mir die Forst! |
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Der tut mit unverzagtem Singen |
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Den wunderschönen Dreiklang klingen, |
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Der hüte mir die Westenforst!« |
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Und siehe, auf des Aars Gebot |
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Froh fliegt der treue Finke hin, |
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Mit Morgenrot die Brust gefüllt, |
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Gesanges, Sieges freudig hin, |
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Damit das Land der Roten Erde |
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Der jungen Wonne selig werde, |
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Zur Westenforst, da fliegt er hin. |
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Dort hat sein Dreiklang frisch und frei |
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Geklungen mehr als dreißig Jahr |
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In Feld und Berg und Tal voran |
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So wollt's der königliche Aar. |
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Und wollten Uhu, Kauz und Eulen |
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Das Lied der Finsternis sich heulen, |
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Er hielt den Ton der Kehlen klar. |
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So klang sein freies Lied voran |
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Mit vollem, hellem, deutschem Klang, |
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Daß es die düstre Vogelschar |
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Zum Fliehen oder Schweigen zwang. |
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Doch Amseln, Lerchen, Nachtigallen, |
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Die hört man doppelt lustig schallen, |
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Wann allen vor der Finke sang. |
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Drum singen wir fröhlich das Finkenlied |
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O gebe Gott dem deutschen Wald |
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Stets solches Dreiklangs Freudenschall! |
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So bleibt das Glück uns wohlgestalt. |
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Recht, Vaterland und Freiheit klingen |
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Bleibt bestes Ding von guten Dingen, |
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Wann's mächtig durch die Seelen schallt. |
Details zum Gedicht „Das Finkenlied“
Ernst Moritz Arndt
10
70
403
1845
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Das Finkenlied“ stammt von dem deutschen Autor Ernst Moritz Arndt, welcher von 1769 bis 1860 lebte. Dadurch ist es zeitlich der Epoche der Romantik bzw. Biedermeier zuzuordnen.
Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht rhythmisch und bildhaft, es erzeugt dabei ein Wechselspiel von Trauer und Fröhlichkeit.
Das Gedicht erzählt die Geschichte eines Finken, der trotz Widrigkeiten immer seinen Gesang fortsetzt. Anfänglich wird der Tod des Finken betrauert, doch dann wird das Singen des Finkenlieds zu einer Quelle von Freude und Stärke, da es den Hörer an Tapferkeit und Mut erinnert. Der Fink symbolisiert hierbei die Tugend der Unerschrockenheit und Standhaftigkeit, denn obwohl er von machtbesessenen „welschen Gei’rn“ bedroht wird, bleibt er standhaft und singt weiter sein Lied. Dieser „Dreiklang hellsten Tons“ von „Recht, Vaterland und Freiheit“ wird als etwas Positives und Wichtiges für die Deutschen dargestellt.
Form und Sprache des Gedichts sind klar und eingängig. Das Gedicht besteht aus zehn gleich aufgebauten Strophen zu je sieben Versen. Das verwendete Metrum ist der alternierende vierhebige Trochäus, der für seine melodiöse Wirkung bekannt ist. Dies unterstreicht die musikalischen Aspekte des gedichteten Finkengesangs und trägt zur Stimmung des Gedichts bei. Die bildhafte Sprache durch den Gebrauch von metaphorischen Elementen wie dem Finkenlied, das dreifache Klingeln und verschiedenen Tierarten als Symbolik intensiviert die emotionale Wirkung und verhilft dem lyrischen Ich seine Emotionen und Ansichten zu verdeutlichen.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Ernst Moritz Arndts „Das Finkenlied“ trotz seiner scheinbaren Simplizität komplexe Themen wie Mut, Treue, Freiheit und Vaterlandsliebe behandelt, eingebettet in eine exquisite lyrische Struktur und Sprache. Es regt dazu an, trotz Schwierigkeiten und Bedrohungen standhaft zu bleiben und seine Freiheit zu bewahren.
Weitere Informationen
Ernst Moritz Arndt ist der Autor des Gedichtes „Das Finkenlied“. 1769 wurde Arndt in Groß Schoritz (Rügen) geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1845. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das 403 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 70 Versen mit insgesamt 10 Strophen. Die Gedichte „Der Weihnachtsbaum“, „Klage um Auerswald und Lichnowsky“ und „Das Glück, das glatt“ sind weitere Werke des Autors Ernst Moritz Arndt. Zum Autor des Gedichtes „Das Finkenlied“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 285 Gedichte vor.
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- Die Biene und der Lenz
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Zum Autor Ernst Moritz Arndt sind auf abi-pur.de 285 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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