Abendgebet von Ernst Moritz Arndt

Der muntre Tag ist wieder still,
Und alles schlafen gehen will,
Das Wild auf weichen Mooses Flaum,
Der Vogel auf den grünen Baum,
Der Mensch in seine stille Kammer,
Sich auszuruhn von Müh' und Jammer.
 
Doch tritt er aus der Hüttentür
Zuvor noch in die Nacht herfür,
Sich christlich erst bereiten muß
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Mit Liebesdank und Liebesgruß,
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Muß sehen, wie die Sterne blinken,
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Und noch den Odem Gottes trinken.
 
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Du, der von oben Wache hält,
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Du milder Vater aller Welt,
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Vernimm mein stammelndes Gebet,
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Das zu den hellen Sternen geht,
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Wollst mich von deinen Sonnenkreisen
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Im rechten Beten unterweisen.
 
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Ich war den Tag in deiner Hut,
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Behüt' auch heint mich, Vater gut,
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Durch deine milde Freundlichkeit
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Vorm bösen Feind und seinem Neid;
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Denn was den Leib mir mag befallen,
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Das ist das kleinste Leid von allen.
 
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O sende von dem Strahlenschein
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Den liebsten Engel zu mir ein
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Als Friedensboten unters Dach,
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Als Wächter in mein Schlafgemach,
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Daß Herz und Sinne und Gedanken
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Sich fest um deinen Himmel ranken.
 
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Dann geht der Tag so lustig fort,
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Dann klingt die Nacht ein Liebeswort,
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Dann ist der Morgen Engelgruß,
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Dem alles Böse weichen muß,
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Und wir hienieden schon auf Erden
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Wie helle Kinder Gottes werden.
 
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Und fällt der letzte Abendschein
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Einst in das müde Aug' hinein,
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Sehnt meine Seele sich hinauf
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Zum ewig sel'gen Sonnenlauf,
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So werden alle Engel kommen
42 
Mich heimzuholen zu den Frommen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Abendgebet“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
231
Entstehungsjahr
1769 - 1860
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Abendgebet“ ist von dem deutschen Schriftsteller und Historiker Ernst Moritz Arndt, der vom 26. Dezember 1769 bis zum 29. Januar 1860 lebte. Es wurde also wahrscheinlich im 19. Jahrhundert verfasst, da dies Arndts produktivste Phase war. Aufgrund seines Titels und Inhalts kann man es als Ausdruck des romantischen Naturverständnisses und der religiösen Empfindung dieser Zeit verstehen.

Auf den ersten Eindruck erscheint das Gedicht als eine stille und sinnliche Betrachtung des endenden Tages. Es erzählt von der zyklischen Natur des Tagesgeschehens, von Ruhe und Besinnlichkeit, und der spirituellen Bedeutung, die der Autor in diesen Prozessen erkennt.

Inhaltlich taucht das lyrische Ich von Ernst Moritz Arndt in die abendliche Atmosphäre ein und beschreibt, wie sich die Natur auf die Nachtruhe vorbereitet. Es wird eine starke Verbindung und Wertschätzung für die natürliche Welt ausgedrückt, ebenso eine tiefe Spiritualität. Das lyrische Ich betet zum „milden Vater“ und bittet um Schutz und Führung. Weiterhin wird gebetet, dass bei Tage ein Engel gesendet werde und der Morgen ein „Engelgruß“ sei. Das Gedicht endet mit dem Gedanken des Todes und der himmlischen Ruhe; der Wunsch, dem ewigen Sonnenlauf beizutreten und von Engeln zu den Frommen geholt zu werden, schließt das Gedicht ab.

Das Gedicht ist in sieben Strophen mit je sechs Versen strukturiert. Es wird ein gleichmäßiger Rhythmus und ein einfacher, jedoch eindringlicher Sprachgebrauch verwendet. Dies verleiht dem Gedicht nicht nur musikalische Qualität, sondern betont auch seine spirituelle und introspektive Natur.

Die verwendete Sprache ist bildhaft und sehr farbenfroh. Die Natur wird liebevoll und detailliert beschrieben, und die spirituellen Elemente sind deutlich und ergreifend dargestellt. Dies unterstreicht Arndts tiefe Verbundenheit mit der Natur und seine spirituelle Überzeugung. Durch die Verwendung von Worten wie „milder Vater“, „Engel“, und anderen religiösen Begriffen, wird sein christlicher Glaube deutlich.

Zusammenfassend bietet „Abendgebet“ von Ernst Moritz Arndt einen tiefgreifenden Einblick in die romantische Sehnsucht nach Harmonie mit der Natur und dem Göttlichen. Es spiegelt das tiefe Glaubensverständnis und die spirituelle Suche in der Zeit seiner Entstehung wider.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Abendgebet“ des Autors Ernst Moritz Arndt. Im Jahr 1769 wurde Arndt in Groß Schoritz (Rügen) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1785 und 1860. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus zuordnen. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 231 Worte. Ernst Moritz Arndt ist auch der Autor für Gedichte wie „Elegie“, „Die Biene und der Lenz“ und „Leben“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Abendgebet“ weitere 285 Gedichte vor.

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