Heimweh von Ernst Ziel

Auf der dampfenden Stadt liegt Mittagsglut,
Und es sinkt mir die Wimper; es wallt mir das Blut,
Und die Straßen so staubig, so dumpf und so schwül,
Und die Menschen so nüchtern, so lieblos kühl,
Und so hastig ihr Schaffen, so wirr ihr Gedräng,
Das Gewissen so weit, und die Herzen so eng –
In der Brust erwacht mir ein Heimweh tief,
Das lange schlief.
 
Wo am Strande die schimmernden Dünen stehn,
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Wo die Masten ragen die Wimpel wehn,
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Wo die Möwen am Felsen sich Nester baun,
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Wo versunkene Städte vom Grunde schaun,
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Wo die rollende Flut zu Lande schäumt,
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Und das Herz von vergangenen Tagen träumt
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In dem wellenversilbernden Mondenschein –
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Da möcht ich sein.
 
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Ein trauliches Heim am brandenden Meer
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Und verständige, schlichte Nachbarn umher
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Und ich selber mit Weib und mit Kindern darin –
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O, wie würd ich genesen an Herzen und Sinn!
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Doch der Großstadt Wust, wo die Einfalt stirbt,
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Wo der Leib früh altert, die Seele verdirbt,
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Wo das heiligste feil ist um eitles Gold,
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Hat Gott nicht gewollt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.7 KB)

Details zum Gedicht „Heimweh“

Autor
Ernst Ziel
Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
174
Entstehungsjahr
1841 - 1921
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Heimweh“ wurde von Ernst Ziel verfasst, einem deutschsprachigen Dichter und Journalisten des 19. Jahrhunderts. Ziel wurde 1841 geboren und starb 1921, was das Gedicht in die Epoche des Realismus und des beginnenden 20. Jahrhunderts einordnet.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht nostalgisch und sehnsuchtsvoll, mit einer deutlichen Trennung zwischen dem urbanen und dem ländlichen oder natürlichen Leben.

Im ersten Versabschnitt beschreibt das lyrische Ich die drückende Hitze und Hektik der Stadt, das Gefühl von Enge und Entfremdung, und den aufsteigenden Wunsch, irgendwo anders zu sein. Das lyrische Ich ist umgeben von staubigen Straßen, nüchternen und kühl behandelnden Menschen, hastig und chaotisch handelnden Menschen und wesentlichen negativen Aspekten des städtischen Lebens.

Im zweiten Versabschnitt dagegen wird eine idyllisch anmutende Küstenlandschaft beschrieben: schimmernde Dünen, schaukelnde Maste, nistende Möwen, versunkene Städte vom Meeresgrund und das silberne Glitzern im Mondlicht. Wo das erste Strophe die Stadt als bedrückend und entfremdend darstellt, wird das ländliche Leben als beruhigend und erholsam dargestellt.

Die dritte Strophe konkretisiert die Sehnsucht des lyrischen Ichs und visualisiert ein trautes Heim am Meer mit verständigen und schlichten Nachbarn. Hier würde das lyrische Ich mit seiner Familie leben und erwähnt sogar eine Heilung von Herz und Verstand. Im Gegensatz dazu wird die Stadt erneut negativ beschrieben, mit einem hohen Grad an materieller und spiritueller Korrumpierung.

Das Gedicht ist in drei Oktaven organisiert und zeigt eine klare rhythmische und metrische Struktur, was seiner thematischen Klarheit und Ernsthaftigkeit entspricht. Der Sprachstil ist klar und expressiv, mit starken Farben und Kontrasten zwischen Stadt und Land, Verzweiflung und Hoffnung, Realität und idealisierter Sehnsucht. Ziel verwendet eine bildhafte und emotionale Sprache, um die innere Landschaft des lyrischen Ichs und seine Sehnsucht nach einer anderen, friedlicheren Lebensweise zu vermitteln.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das Gedicht „Heimweh“ von Ernst Ziel eine tiefe Verbindung zwischen den Themen Natur und Kultur, Stadt und Land und dem individuellen und sozialen Leben des lyrischen Ichs schafft. Es ist ein Ausdruck von Fernweh und der Sehnsucht nach einem weniger komplexen, natürlicheren Leben.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Heimweh“ ist Ernst Ziel. Geboren wurde Ziel im Jahr 1841 in Rostock. Das Gedicht ist in der Zeit von 1857 bis 1921 entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Realismus, Naturalismus, Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das vorliegende Gedicht umfasst 174 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Ernst Ziel ist auch der Autor für Gedichte wie „Vergänglichkeit“, „Abendstimmung“ und „Im Walde“. Zum Autor des Gedichtes „Heimweh“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.

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