Der Bettler von Johann Peter Hebel

En alte Ma, en arme Ma,
er sprichtich um e Wohlthat a.
e Stückli Brod ab euem Tisch,
wenns eue guete Willen isch!
He io, dur Gottes Wille!
 
Im Sturm und Wetter, arm und bloß,
gibore bini uf der Stroß,
und uf der Stroß in Sturm und Wind
erzogen, arm, e Bettelchind.
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Druf woni chräftig worde bi,
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und d’Eltere sin gstorbe gsi,
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se hani denkt: Soldate-Tod
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isch besser, weder Bettelbrod.
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I ha in schwarzer Wetternacht
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vor Laudons Zelt und Fahne gwacht,
 
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i bi bim Paschal Paoli
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in Corsika Draguner gsi,
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und gfochte hani, wie ne Ma,
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und Bluet an Gurt und Säbel gha.
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I bi vor menger Batterie,
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i bi in zwenzig Schlachte gsi,
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und ha mit Treu und Tapferkeit
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dur Schwerd und Chugle ’s Lebe treit.
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Z’letzt hen si mi mit lahmem Arm
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ins Elend gschickt. Daß Gott erbarm!
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He io, dur Gottes Wille!
 
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„Chumm, arme Ma!
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I gunn der’s, wienis selber ha.
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Und helf der Gott us diner Noth,
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Und tröst’ di, bis es besser goht.“
 
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Vergelts der Her, und dankder Gott,
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du zarten Engel, wiiß und roth,
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und geb der Gott e brave Ma! –
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Was luegsch mi so biwegli a?
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Hesch öbben au e Schatz im Zelt,
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mit Schwerd und Roß im wite Feld?
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Biwahr di Gott vor Weh und Leid,
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und geb dim Schatz e sicher Gleit,
 
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und bring der bald e gsunde Ma!
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’s goht ziemli scharf vor Mantua.
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’s cha sy, i chönnt der Meldig ge. –
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Was luegsch mi a, und wirst wie Schnee?
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Denkwol i henk mi Bettelgwand,
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mi falsche graue Bart an d’Wand? –
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Iez b’schau mi recht, und chennst mi no?
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Geb Gott, i seig Gottwilche do!
 
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„Her Jesis, der Friedli, mi Friedli isch do!
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Gottwilche, Gottwilche, wohl chenni di no!
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Wohl het mi bigleitet die lieblige Gestalt,
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uf duftige Matten, im schattige Wald.
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Wohl het di bigleitet mi b’chümmeret Herz
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dur Schwerder und Chugle mit Hoffnig und Schmerz,
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und briegget und betet. Gott het mer willfahrt,
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und het mer mi Friedli und het mer en gspart.
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Wie chlopfts mer im Buese, wie bini so froh!
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O Muetter, chumm weidli, mi Friedli isch do!“
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.6 KB)

Details zum Gedicht „Der Bettler“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
56
Anzahl Wörter
358
Entstehungsjahr
nach 1776
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht, „Der Bettler“, wurde von Johann Peter Hebel verfasst, einem deutschen Schriftsteller, der von 1760 bis 1826 lebte. Das Gedicht gehört daher zur Epoche der Romantik.

Bei Erstbetrachtung fällt auf, dass das Gedicht in einem alemannischen Dialekt verfasst wurde, was es emotional und authentisch wirken lässt. Es erzählt die Geschichten und Bitten eines Bettlers.

Er beginnt sein Gedicht mit der Vorstellung seiner Selbst als armen alten Mann, der um Almosen bittet. In den folgenden Strophen erzählt der Bettler von seinem harten Leben, seiner Geburt auf der Straße und seiner Zeit als Soldat, wo er in vielen Schlachten kämpfte und traurige Erfahrungen machte. Seitdem wurde er aufgrund seiner schwächenden Verletzungen bettelarm und lebt im Elend.

Die vierte und fünfte Strophe sind eine Art Dialog zwischen dem lyrischen Ich und einer Art Engel oder Retter, der ihm Hoffnung und Trost sowie eine Art Schutzgebet spendet.

In der sechsten Strophe nimmt das Gedicht eine unerwartete Wendung: Der Bettler enthüllt, dass er sich nur als Bettler verkleidet hat und eigentlich ein Soldat ist, der in der Schlacht vor Mantua kämpfte.

In der letzten Strophe erzählt der Bettler, wie glücklich er ist, seine Liebste wiederzusehen, die offenbar dachte, er sei im Krieg gestorben.

Im formalen Aspekt ist das Gedicht in freien Versen mit wechselnden Strophenlängen geschrieben. Der überwiegende Gebrauch von Endreimen und die knappe und prägnante Sprache tragen zur Emotionalität des Gedichtes bei.

Inhaltlich zeigt das Gedicht die harte Realität des Lebens in einer Zeit der sozialen Ungerechtigkeit und Kriege. Es thematisiert Armut, Leid, aber auch Liebe und Hoffnung. Der Text regt dazu an, darüber nachzudenken, was man sieht und was sich hinter einer Fassade verbirgt – eine Erinnerung daran, dass jeder Mensch eine Geschichte hat und jeder seine Lasten trägt.

Abschließend lässt sich sagen, dass Hebels Gedicht „Der Bettler“ eine bewegende Erzählung ist, die den Leser dazu ermutigt, genauer hinzuschauen und Empathie für die Menschen und ihre individuellen Schicksale zu zeigen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der Bettler“ des Autors Johann Peter Hebel. Geboren wurde Hebel im Jahr 1760 in Basel. Zwischen den Jahren 1776 und 1826 ist das Gedicht entstanden. Karlsruhe ist der Erscheinungsort des Textes. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zu. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das vorliegende Gedicht umfasst 358 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 56 Versen. Johann Peter Hebel ist auch der Autor für Gedichte wie „Auf einem Grabe“, „Das Habermuß“ und „Das Hexlein“. Zum Autor des Gedichtes „Der Bettler“ haben wir auf abi-pur.de weitere 60 Gedichte veröffentlicht.

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