Mohl, Nils - Tanzen gehen (Zusammenfassung und Interpretation)

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Nils Mohl, Interpretation und Zusammenfassung der Kurzgeschichte, Referat, Hausaufgabe, Mohl, Nils - Tanzen gehen (Zusammenfassung und Interpretation)
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Referat

Nils Mohl – „Tanzen gehen“ (Zusammenfassung und Interpretation)

In der Kurzgeschichte „Tanzen gehen“, die Nils Mohl 2006 verfasst hat, geht es um Kommunikationsprobleme eines Ehepaares. Während der Mann sich mit der Vergänglichkeit seines Körpers und seiner Vergangenheit auseinandersetzt, kann seine Frau seine verbalen und nonverbalen Kommunikationsversuche nicht deuten.

Der Text lässt sich in verschiedene Sinnabschnitte unterteilen. In Zeile 1- 20 steht Guss, eine der Hauptfiguren, vor dem Spiegel und streicht sanft über eine große Narbe auf seiner Brust. Es wird erwähnt, sein Körper sei bereits voll von Narben. Diese Szene spielt im Badezimmer und bevor er dieses verlässt, betätigt er die Toilettenspülung. Nach Zeile 21 verlässt Gus das Bad und geht gedankenverloren durch die Wohnung und weiß nicht, was er mit diesem Samstag anfangen soll. Ab Zeile 29 trifft er auf seine Frau im Wohnzimmer. Sie ahnt offenbar, dass er wieder vor dem Spiegel gestanden und sich betrachtet hat, geht aber nicht weiter darauf ein. Stattdessen ist sie in die Zeitung, vor allem in den Anzeigenteil, vertieft. Gus versteht diese Art der Beschäftigung nicht. Statt mit ihrem Mann zu reden, murmelt Ella nur vor sich hin. Dieser Teil geht bis Zeile 51. Von Zeile 52 bis 75 versucht Gus mit Ella zu kommunizieren, als sie schließlich, immer noch in Gedanken, auf Gus beginnt einzugehen, winkt dieser ab und betrachtet sich stattdessen alte Fotos von sich. In Zeile 76 befasst sich Ella mit einer Todesanzeige, in der eine Frau bei einem Unfall umgekommen ist. Die Anzeige und der schöne Text darin rühren Ella, und dies anscheinend mehr als die Kommunikationsversuche und Gedanken ihres Mannes. Dieser äußert ab Zeile 90 den Wunsch, tanzen zu gehen. Als sie dann kurz darauf eingeht, zieht Gus seinen Wunsch wieder zurück. Schließlich geht Ella auf den Wunsch ihres Mannes ein und sagt, dies sei eine schöne Idee. Selbst danach findet Gus seinem Vorschlag nicht überzeugend. Von Zeile 130 bis 149 tanzen die beiden miteinander im Wohnzimmer. In Zeile 150 küssen Sie sich, seine Frau verschwindet aber in die Küche und danach fallen Gus noch Dinge ein, die er vergessen hat zu sagen. Er ist wieder in Gedanken bis zum Ende des Textes, befühlt seine Narbe und betrachtet sich erneut im Spiegel.

Zunächst möchte ich auf die Kommunikationsprobleme eingehen. Zwar scheint sie zu wissen, was ihr Mann im Bad macht, sie hält es aber nicht für wichtig genauer darauf einzugehen, was ihren Mann beschäftigt. Daraus lässt sich möglicherweise schließen, dass die Ängste ihres Mannes sie nicht sonderlich interessieren. Und immerhin scheinen diese Ängste mit Leben und Tod zu tun zu haben. Vielmehr interessiert sie die Lektüre der Todes- und Geburtsanzeigen, obwohl diese vom Leben, dem Tod und dem Leid vollkommen fremder Menschen handeln. Da seine erste Narbe über 50 Jahre alt ist, müsste Gus mindestens 60 Jahre alt sein. Er hat sich also schon häufig mit Krankheiten oder sogar mit dem Tod auseinandergesetzt. Die letzte Narbe, die noch frisch zu sein scheint, könnte von einer Herzoperation, also eine sehr lebensbedrohliche Situation, handeln. Hier wird das verbale und nonverbale Kommunikationsdefizit besonders deutlich. Vielleicht kann man Ellas Verhalten auch als Emotionslosigkeit deuten. Schließlich geht sie auf die kleinsten Details der Anzeigen ein (Zeile 39f.), aber nicht auf ihren Mann, obwohl sie anscheinend weiß, mit was er sich im Badezimmer beschäftigt. Stattdessen empfindet sie es als schön, dass ein Ehemann auf seine Frau zurückblickt und somit um seine Frau trauert. Und Gus denkt, seine Frau belügen zu müssen, indem er die Toilettenspülung betätigt. Ella versucht vielleicht auch, die Normalität aufrechtzuerhalten, indem sie nicht zu sehr auf Gus und seine Gedanken eingeht, von denen sie anscheinend weiß.


So wie Gus sich im Wohnzimmer verhält, kann sie auch nicht die nonverbalen Signale verstehen, die Gus, möglicherweise melancholischer Weise aussendet. Sie gibt ihm lediglich den Sportteil, weil sie davon ausgeht, dass dieser ihm, endlich interessieren wird. Zurück zu den Todesanzeigen: Ella kann diesen sogar mit Empathie einiges abgewinnen „Ist das nicht schön?“ (Zeile 88f.). Als Gus schließlich die Idee, tanzen zu gehen, ins Gespräch bringt, dauert es relativ lange, bis Ella versteht, dass dies eine gute Idee sein könnte. Da nun geht sie endlich auf ihren Mann zu und sie tanzen schließlich sehr amüsiert und zärtlich miteinander. Sie wollen sich nahe sein und somit gewiss auch die alten Zeiten wieder aufleben lassen. Gus denkt sich ohnehin in die alten, und vermeintlich guten, Zeiten zurück, als sie noch jung waren. Für Ella ist die Situation aber schnell vorbei, sie verschwindet schließlich in der Küche und er ist in Gedanken wieder alleine, mit sich und seiner möglichen Krankheit.

Es ist gewiss kein Zufall, dass diese Kurzgeschichte vor dem Spiegel beginnt und auch vor einem endet. Gus betrachtet sich und vergleicht sich rückblickend mit dem jungen Mann, der er einmal war. Vielleicht kommt ihm deshalb auch die Idee, mit seiner Frau tanzen zu wollen. Dies erinnert ihn an früher, als er noch jung war. Wahrscheinlich kommt er beim Betrachten der alten Fotos darauf. Die Überschrift verrät anscheinend, die sehr es sich wünscht, aus seinem Trott auszubrechen und die alten Zeiten wieder aufleben lassen zu wollen.

Er ist dabei vollkommen verunsichert, weiß nicht, was er mit sich und vielleicht auch mit seinem Leben anfangen soll, exemplarisch dafür steht dieser Samstag. Es könnte aber auch sein, dass Gus mit seinem Leben generell nicht viel anzufangen weiß. Zwar weiß kein Mensch, wie viel Zeit ihm noch bleibt, nur bei Gus ist es etwas besonderes. Durch seine vielen Krankheiten oder sogar Operationen hat er sich schon mehrmals mit dem Tod auseinandergesetzt und schließlich weiß er nicht, ob er tatsächlich noch etwas Neues in seinem Leben anfangen kann. Sogar seine Midlife-Crisis hat er möglicherweise schon hinter sich. Er macht in der Beziehung keinen glücklichen und selbstbewussten Eindruck, da er mehrmals verbale und nonverbale Signale aussendet diesbezüglich. Er sagt etwa in Zeile 64 folgende „eigentlich wollte ich ja noch in den Garten, aber…“. Auch bei seinem Vorschlag, tanzen zu gehen, macht er bald wieder einen Rückzieher, vermutlich weil er damit rechnet, dass seine Frau auf das Angebot ohnehin nicht eingehen wird. Dabei hat er sich aber getäuscht. Sie möchte mit ihm tanzen und es kommt schließlich auch zu Zärtlichkeiten. Der Tanz könnte also ein Wendepunkt in der Kurzgeschichte sein, bringt er doch die stockende Kommunikation wieder in Gang und Nähe in die Beziehung. Das ist aber nicht von Dauer, denn es hält nur kurz an. Seine Frau verschwindet in der Küche und er ist wieder mit sich alleine. Möglicherweise hält er sich auch nicht für gut genug und ist auch deshalb sehr in sich gekehrt. Als sie noch im Arm hält, setzt er an, etwas zu sagen, weiß dies aber nicht mehr und er lässt sie gehen.

Seine Frau liest vielleicht deshalb viele Anzeigen, weil sie ihr eigenes und das gemeinsame Leben nicht aufregend genug findet. Vielleicht liest sie die Geburtsanzeigen, weil sie selbst keine Kinder hat und sie vertieft sich in das Leben anderer Menschen. Dies ist aber eine Spekulation, die sich am Text selbst nicht belegen lässt.

Mir gefällt der Text sehr gut, auch wenn ich etwas Probleme hatte, mich in Menschen, die noch älter als meine Eltern sind, hineinzudenken. Der Autor hat es aber durch eine einfache aber gefühlvolle Sprache geschafft, mich in die Gedankenwelt der beiden Figuren hineinzuziehen. Die Gedanken, Verlorenheit des Mannes und die scheinbare Oberflächlichkeit der Frau sind durch die einfache Sprache dennoch sehr deutlich geworden. Man kann sich den Mann tatsächlich als verloren in seiner Ehe vorstellen. Die beiden Partner verbindet zwar noch einiges (die Ehe, die gemeinsame Wohnung, viele gemeinsame Erinnerungen, das Tanzen etc.), sie haben sich emotional doch sehr auseinander bewegt. Und dies wird in diesem Text sehr deutlich. Das hat mich zum Nachdenken über das Älterwerden angeregt.

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