Vegetarismus - Dürfen wir Fleisch essen? (ist es moralisch vertretbar?)
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Referat
Tierethik
Ist es moralisch vertretbar Fleisch zu essen?
Der Mensch ist die dominante Spezies auf dem Planeten Erde. Er ist rational betrachtet das schlauste Wesen, weshalb er sich zwangsläufig in bestimmten Punkten von anderen Tieren unterscheidet. Ihm wird nachgesagt, das einzige Lebewesen zu sein, welches die Fähigkeit besitzt, moralisch zu denken und zu handeln. Ist es dann nicht auch seine Verpflichtung, diese Rolle für Lebewesen zu übernehmen, die dazu nicht selbst in der Lage sind und diese moralisch korrekt zu behandeln? Ist es für den Menschen überhaupt moralisch vertretbar, Fleisch zu essen?
Diese Frage beschäftigt den Menschen bereits eine geraume Zeit. Verschiedenste Gelehrte haben bereits Stellung genommen. Deshalb gibt es mittlerweile sogar einige naturethische Grundpositionen zu diesem Thema, mit denen man möglicherweise sogar eine Antwort geben kann.
Immanuel Kant, ein Anhänger des anthropozentrischen Menschenbildes und Aufklärer, ist überzeugt, dass der Mensch Mittelpunkt und Zweck der gesamten Welt sei. Kant begründet diese zentrale Rolle und Überlegenheit durch das vermeintlich alleinige Sein des Menschen als „animal rationle“ (lat. vernünftige Tier: siehe Unterrichtsmaterialien) / „animal rationabile“ (lat. vernunftfähiges Tier: siehe Unterrichtsmaterialien). Der Mensch ohne ein anderes ebenbürtiges Wesen als Zweck der Natur habe das Vorrecht, andere Tiere nun aber nicht mit ihm gleichzustellen, sondern als Mittel und Werkzeuge zu benutzen. Trotzdem müsse er selbst alle Artgenossen, da er den Anspruch habe, immer als Zweck und nie als Mittel zu dienen, als diesigen behandeln.
Der Anthropozentrismus würde die Ausgangsfrage zur moralischen Vertretbarkeit von Fleischkonsum deshalb vermutlich bejahen. Der Mensch als Mittelpunkt der Welt und überlegene Instanz, dem kein Erdlebewesen diesen naturgegebenen Rang des Zweckes streitig machen kann, hat dafür das Vorrecht. Das Tier gilt anders als der Mensch als Mittel bzw. Werkzeug für das Erreichen des Ziels. Es liefert dem Menschen in diesem Falle Fleisch, das den Menschen ernährt, vor dem Sterben bewahrt und zufriedenstellt. Dies legitimiert den Konsum moralisch, solange dieser im Willen des Menschen liegt und keinen anderen Zweck in seinem Sein behindert.
Peter Singer, ein australischer Philosoph und (Tier-)Ethiker, positioniert sich mit der Pathozentrischen Ethik ebenfalls zu dieser Frage. Er fordert Gleichheit von Menschen zu anderen Spezies als moralische Basis, da wir diese bereits als Basis unserer innermenschlichen Beziehungen nutzen würden. Man dürfe andere Tiere nicht ausnutzen, weil sie einer anderen Gattung angehören und dadurch in bestimmten Dingen anders sind. Diese Gleichheit beziehe sich jedoch nur auf die Wesen mit der Fähigkeit Leid, Freude und Glück zu erfahren. Alle anderen Merkmalsgrenzen seien willkürliche. Sonst handele es sich um Speziesismus (Anschauung, nach der der Mensch allen anderen Arten überlegen und daher berechtigt sei, deren Vertreter nach seinem Gutdünken zu behandeln), das speziesübergreifende Äquivalent zu Rassismus.
Da diese Position der vorherigen gegenübersteht, würde sie die Frage höchst wahrscheinlich verneinen. Tiere sind genauso wie Menschen leidensfähig, was sie im Grundsatz gleich zu uns Menschen macht. Deshalb muss man eine andere Spezies genauso gut behandeln, wie man es bei anderen Menschen tun würde.
Evelyn B. Pluhar nimmt ebenfalls Stellung zu dieser Frage. Der naturethische Rechtsansatz besagt, dass jedes Wesen mit moralischer Bedeutung einen moralischen Rechtsanspruch äußern oder von einem Akteur in seinem Interesse äußern lassen kann.
Menschen sind die einzigen moralischen Akteure, da sie einzig fähig sind, Moral zu verstehen und moralisch zu handeln. Somit würden sich Rechtsansprüche an diese richten und sie sind verpflichtet, Lebewesen mit moralischer Bedeutung auf bestimmte Weise zu behandeln. Da man sein Leben als Akteur sonst nicht richtig entfalten kann, fordert man eine gewisse Nichteinmischung, welche man anderen Akteuren aus demselben Grund ebenfalls gewähren muss. Ausnahmen würden etwa die Schwachen darstellen, die gleiches verfolgen, aber nicht durchsetzen können, was ihnen aber nicht die Rechte darauf nimmt. Sie sind auf Hilfe zur Nichteinmischung angewiesen. Dies gelte wiederum somit auch für alle Tiere, denen ihr Leben etwas bedeutet, welches somit moralisch gesehen nicht nur als Vergnügen für andere dienen sollte. Sie würden ebenfalls Hilfe benötigen, ihre rechtmäßigen Ziele und Bedürfnisse zu verwirklichen.
Dieser Ansatz würde die Frage also wahrscheinlich auch verneinen. Allein die Verpflichtung des Menschen gegenüber Wesen mit moralischer Bedeutung, also Tiere, bestimmte Verhaltensweisen an den Tag zu legen bzw. zu unterlassen, würde das schon begründen.
Da man andere Menschen, die in ihren Fähigkeiten mit den Tieren gleichzusetzen sind, gut behandelt und ihnen nicht die Rechte abspricht, wäre es nur logisch, das Gleiche bei Tieren zu tun. Das Leben hat auch abgesehen von menschlichen Fähigkeiten einen moralischen Wert, nämlich dann, wenn das Leben für das Wesen eine Bedeutung hat. Würde man diese Gleichheit nicht berücksichtigen, gäbe es keinen Grund, einen beeinträchtigten Menschen nicht wie ein Tier zu behandeln. Nur wenn das Leben für das Tier keine Bedeutung hätte, wäre es moralisch vertretbar, das Tier in Form von Nahrung für seinen eigenen Nutzen zu missbrauchen.
Die holistischen Umweltethik bezieht sich auf dieses Thema. Sie meint, dass das Tier sein Leben beschützt, weil es ein Wohl hat und wertvoll ist. Pflanzen haben ebenfalls ein Wohl. Obwohl sie selbst nicht werten können, haben sie trotzdem einen Wert, da der Mensch die Pflanze beispielsweise wertet, woraus sich ein Fehlschluss bilden könnte. Nur weil etwas ist, lässt sich nicht unbedingt auf sein Soll schließen, da wir Werte subjektiv aus unserer Sicht wahrnehmen. Erst wenn man den ganzen Planeten überblicke, wäre man vollends in der Lage, den ganzen Wert der Ökosysteme zu überblicken. In gut und schlecht wird unterschieden, indem man diese Werte schützt oder anderes tut.
Die Ethik positioniert sich wahrscheinlich auch deshalb gegen den Fleischkonsum. Der Fakt, dass der Mensch die Umwelt in vielen Aspekten, auch durch den Fleischkonsum, zerstört, macht ihn bereits schlecht. Nur wenn er die Werte der gesamten Natur wie sie ist wahren würde, also auch keine Tiere essen würde, wäre er gut und würde sich dementsprechend moralisch verhalten. Das Wohl und den Wert darf man den Tieren nicht gewaltsam entreißen. Der Mensch selbst kann sein Verhalten nur so moralisch rechtfertigen, da er sonst aus seiner subjektiven Auffassung Fehlschlüsse über dieses ziehen würde.
Ist es aber abgesehen von den genannten Grundpositionen moralisch vertretbar Fleisch zu essen?
Die Frage lässt sich auf das Leid der Tiere ausweiten, welches nicht nur in Form von Tod sichtbar wird, sondern im Leben stattfindet. Der von Jeremy Bentham geprägte Utilitarismus, welcher im Tierrecht und in der Tierethik oft als Grundlage dient, besagt ähnlich wie der Pathozentrismus, dass die Fähigkeit des Leidens über den Umgang bestimmen sollte. Aus diesem Grund sollte man Tiere genauso wenig wie Menschen peinigen. 98 % der Nutztiere in Deutschland leiden. Anthropozentrisch gesehen lässt sich zwar sagen, dass das Leid des Tieres egal ist, da das Tier ungeachtet dessen als Mittel zum Zweck dient. Die alleinige Grundannahme, der Mensch sei das Zentrum und der naturgegebene Zweck, sprüht jedoch nur so von Arroganz und Selbstverliebtheit und darf durchaus bezweifelt werden. Somit kann dieses Handeln auch als unmoralisch betitelt werden.
Man könnte das Argument einwerfen, dass das Leid des Tieres bei weiterem Konsum von tierischen Nahrungsmitteln noch besteht. Tierisches Leid lässt sich selbst durch bestehende Tiergesetze nie verhindern, da das Tier noch lange nicht den rechtlichen Status eines Menschen innehat. Allein durch den Verzicht auf Fleisch kann man dieses deutlich reduzieren. So hat das im naturethischen Rechtsansatz beschriebene Tier, dessen Leben ihm etwas bedeutet, wenigstens die Chance, ebengenanntes in seinem ihm zustehenden Rechtsanspruch zu schützen. Der gesamte Rechtsanspruch des Tieres lässt sich, wie im vorherigen beschrieben, vermutlich nicht ganz verwirklichen, zumindest aber in Teilen.
Dass dieses Leid durch infizierte Tiere auch auf Menschen übertragen wird und Fleischkonsum allgemein viele Krankheiten befördert, ist nur ein weiterer Punkt aus der Sicht des Utilitarismus, Pathozentrismus und sogar Anthropozentrismus gegen den Fleischkonsum.
Ein anderes Argument dagegen ist die Rolle, die die Fleischindustrie bezüglich des Klimawandels spielt. Etwa 14,5 % der menschengemachten CO₂-Emissionen entspringen der Fleischindustrie. Es entstehen zahlreiche Schadstoffe und schädliche Nebenprodukte, die in die Umwelt geraten, was somit die Gesundheit allen Lebens schädigt. Das Argument, lokales Fleisch sei umweltfreundlicher als die meisten aus der Ferne stammenden, nährstoffreichen und somit unentbehrlichen pflanzlichen Produkte, lässt sich mit der Ökobilanz entkräften. Das Leben von Abermilliarden leidensfähigen Lebewesen durch den Klimawandel über deren Kopf hinaus negativ zu beeinflussen, wird auch zu einer moralischen Frage und kann wahrscheinlich nicht als äußerst moralisch angesehen werden.
Ferner gefährdet der Fleischkonsum zusätzlich immer mehr Ökosysteme, was Menschen nach dem Holismus zu schlechten Wesen macht. 80 % der kultivierten Fläche werden für Tiernahrungsmittel verwendet, welche nur 20 % der für den Menschen benötigten Kalorien stellen. Durch diese Ineffektivität können sich Tiere und Pflanzen nicht erholen, sondern werden durch weitere Urbanisierung zurückgedrängt, was für erneutes Leid sorgt. Auch wenn der Holismus in der Realität nahezu nicht umsetzbar ist, da der Mensch in der Nahrungsbeschaffung für solch eine große Bevölkerungszahl die Schönheit der biotischen Gemeinschaft wohl immer negativ beeinflussen wird, macht diese geringere Zerstörung durch das Unterbinden von Fleischkonsum sein Handeln wenigstens moralischer.
Andererseits könnte man seine Taten moralisch auch ganz nach dem römischen Rechtsgrundsatz „Quod est necessarium est licitum“ (lat. Was notwendig ist, ist rechtens) legitimieren. Brecht schrieb dazu: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“. So liegt es im instinktiven Selbsterhaltungstrieb der Lebewesen, das eigene Überleben gegenüber der Moral zu präferieren. Der Fleischkonsum wegen Unterernährung oder auch mangelnden Alternativen durch extreme Landschaften und Witterungen ist moralisch vermutlich vertretbar oder vertretbarer.
Dagegen spricht jedoch, dass diese Lebensnotwendigkeit nur bei einer kleinen Gruppe der gesamten Menschheit besteht. In Industrienationen kann von solchen Lebensräumen fast nie die Rede sein. Allein in Deutschland werden jährlich 346.000.000 Tonnen Frischfleisch weggeschmissen. Auch das Argument, ohne Fleisch würden dem Menschen wichtige Nährstoffe fehlen, weshalb der Konsum von Fleisch sogar moralisch unumgänglich sei, lässt sich kaum stichhaltig untermauern.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Essen von Fleisch unter breit gefächerter Berücksichtigung verschiedenster Argumente im Normalfall moralisch nicht vertretbar ist. Der Mensch ist das einzige Lebewesen auf der Welt, welches mit seinem ausgeprägten und ausgeklügelten Bewusstsein die Macht hat, sich und alle anderen Tiere zu retten. Wenn der Mensch nicht bemüht ist, das Leid von Tieren in seinem moralischen Handeln zu mindern, verstößt er speziesübergreifend weiterhin gegen die Werte, die er innerhalb seiner Spezies so stolz vertritt und brüstend als Unterscheidungsmerkmal vom Tier nutzt. Das implizierte Eingeständnis einer generellen Gleichheit und eines Gleichgestelltseins zum Tier durch ein ebenbürtiges Handeln, wäre ein erster Schritt des Menschen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Die meisten Tiere können sich selbst nicht vor dem menschengemachten Leid schützen und erste ernsthafte Bemühungen wie Tierschutzgesetze inkludieren viele Aspekte des Tierlebens nicht. Deshalb liegt der gerechte Tierschutz in den meisten Fällen bei dem Einzelnen. Ob man nun nach die im vorherigen dargelegten Ethiken handelt und lebt, kann jedoch nur jedem Menschen selbst überlassen werden.
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