Direkte Demokratie - Sollen in Deutschland direktdemokratische Elemente auf Bundesebene eingeführt werden?

Schlagwörter:
Essay - Demokratie und Partizipation, Soziale Marktwirtschaft, Schweiz, parlamentarische Demokratie, direkte Demokratie Pro & Contra, Referat, Hausaufgabe, Direkte Demokratie - Sollen in Deutschland direktdemokratische Elemente auf Bundesebene eingeführt werden?
Themengleiche Dokumente anzeigen

Referat

Demokratie und Partizipation – Sollen in Deutschland direktdemokratische Elemente auf Bundesebene eingeführt werden?

In der deutschen Gesellschaft wird der Wunsch der Bürger:innen nach einem stärkeren direkten Mitspracherecht aufgegriffen. Hier spricht man von der Idee der direkten Demokratie und ihrer Elemente. Nach einer Studie (Loesche, 2017) aus dem Jahr 2017, bei der 13.000 Teilnehmer:innen aus zwölf Ländern befragt wurden, ob sie sich für oder gegen die direkte Demokratie aussprechen, sind 74 % Deutschlands davon überzeugt und stufen solche Elemente als „gut“ ein.

Elemente der direkten Demokratie wurden erstmals in der Weimarer Republik eingeführt. Der parlamentarische Rat hat sich bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland aufgrund von schlechten Erfahrungen mit Volksentscheidungen für eine Repräsentativdemokratie entschieden. Auch der Politiker Theodor Heuss hat sich in den 1950ern Jahren mit dem Zitat „Prämie für jeden Demagogen“ (Heuss, 2001) kritisch gegenüber der Direktdemokratie geäußert.

Es lässt sich somit erkennen, dass die Frage nach der Einführung von direktdemokratischen Elementen in Deutschland auf Bundesebene ein sehr umstrittenes Thema darstellt.

Doch zunächst muss die Frage geklärt werden, was eine direkte oder plebiszitäre Demokratie bedeutet. Die direkte Demokratie ist eine demokratische Herrschaftsform, bei der politische Entscheidungen unmittelbar vom Volk getroffen werden. Dabei sollte der Volkswille unverfälscht in politische Entscheidungen übertragen werden. Eine staatliche Behörde ist demnach nur noch für die Ausführung der Entscheidungen der Bürger:innen zuständig. Demzufolge kann es als Gegenmodell zur repräsentativen Demokratie beschrieben werden.

Die Bundesrepublik Deutschland ist in erster Linie eine repräsentative Demokratie, was bedeutet, dass politische Entscheidungen und die Kontrolle der Exekutive nicht unmittelbar vom Volk ausgeübt werden, sondern von der sogenannten Volksvertretung im Parlament. Die Repräsentant:innen verpflichten sich gegenüber dem „Gemeinwohl“. Das Gemeinwohl steht gegenbegrifflich zur Individual- oder Gruppeninteresse innerhalb einer Gemeinschaft und im Vordergrund des Staates (Maier, 2011).

Auf kommunaler Ebene und stellenweise in den Bundesländern sind plebiszitäre Elemente bereits verankert. Auf der Bundesebene sind diese wenig ausgeprägt, da bereits die Durchführung direktdemokratischer Elemente an hohe Hürden gebunden ist.

Direktdemokratische Elemente werden als Ergänzung und Erweiterung der parlamentarischen Demokratie verstanden (Weber, Demokratien (3) - Die Theorie der direkten Demokratie, 2001). Zum einen lässt sich positiv anführen, dass direktdemokratische Elemente die Partizipationsmöglichkeiten der Bürger:innen am politischen Entscheidungsprozess verbessern. Man sagt, eine funktionierende Demokratie lebe von der aktiven Mitwirkung ihrer Bürger:innen. Die Bürger:innen können wichtige Entscheidungen selbst und souverän treffen, was zur Akzeptanz und Stabilität des politischen Systems beiträgt. Somit können Proteste, die das herrschende politische System belasten, vorgebeugt werden.

Zum anderen wird das Gefühl des Einzelnen, politischen Einfluss zu nehmen und sich stärker mit der Politik zu identifizieren, gestärkt und führt zu einem Anstieg der politischen Zufriedenheit (Mehr Demokratie e.V.; Liebmann, 2021).

Des Weiteren kann man davon ausgehen, dass die von den Bürger:innen getroffenen Entscheidungen als gemeinwohlorientierter angesehen sind, da die Interessen der Mehrheit vertreten werden.

Einer allgemeinen Politikverdrossenheit wird ebenso durch die Einbeziehung der Wahlberechtigten in den Entscheidungsprozess entgegengewirkt. Das Politikinteresse steigt durch die erhöhte Bedeutung der eigenen Stimme.

Zudem stärkt direkte Demokratie die Transparenz und Kontrolle der Politik (Liebmann, 2021; Mehr Demokratie e.V.). Die oppositionellen Parteien und nicht im Parlament vertretene Gruppen hätten so auch außerhalb von Wahlen die Chance, ihre Ziele mithilfe von Volksbegehren und Volksentscheiden durchzusetzen. Die Durchsetzung von Minderheiteninteressen kann durch eine erhöhte Mindestbeteiligung verhindert werden.

Weitergehend können lange Fristen für eine umfassende Information der Bevölkerung vorgesehen werden, um mögliche Manipulationen und Entscheidungen aufgrund eines kurzfristigen Stimmzeitraums zu erschweren (Liebmann, 2021).

Mögliche Elemente bzw. Ansätze der Volksabstimmung auf Bundesebene könnten sich zum einen aus der Konsultativen Gesetzesinitiative, was bedeutet, dass Parlament vom Volk aufgefordert werden können, sich mit einem bestimmten Gesetzesvorschlag zu befassen und sich dafür oder dagegen zu entscheiden, zusammensetzen. Zum anderen kann es die Vetoinitiative umfassen, die dem Volk das Recht zuspricht, auf eigenen Antrag über ein bereits vom Parlament beschlossenes Gesetz noch einmal abzustimmen. Ferner lässt sich zwischen einem einfachen Referendum und eine obligatorischen differenzieren. Bei dem Element des einfachen Referendums erhielte die Bundesregierung das Recht, Gesetze, die vom Bundesrat „blockiert“ werden, dem Volk zur Entscheidung vorzulegen. Das obligatorische Referendum bezieht sich auf bestimmte Themen oder Entscheidungen, die eine Volksabstimmung vorschreiben würden (Weber, Demokratietheorien(3) - Die Theorie der direkten Demokratie, 2010).

Wie in der Einleitung bereits erwähnt, gibt es nicht nur Befürworter:innen direktdemokratischer Elemente, sondern auch kritisch gegenüberstehende Stimmen. Die Begründungen lassen sich zum einen darin wiederfinden, dass die direkte Demokratie die Entscheidungskompetenzen der Bürger:innen überfordere. Denn die Verfahren seien teilweise langwierig, sodass es in vielen Fällen zu einer Verzögerung von Entscheidungen käme. Diese Langfristigkeit des Entscheidungsprozesses führt zu einem sinkenden Politikinteresse (Liebmann, 2021; Mehr Demokratie e.V.). Somit steht der negative Aspekt dem scheinbaren Vorteil entgegen, da die schon herrschende Politikverdrossenheit verschärft wird.

Zudem ist die Beteiligung an Bürger- und Volksentscheiden meistens nicht höher als bei anderen Wahlen. Ein Beleg dafür sei, das häufige Scheitern des Zustimmungsquorum bei Bürgerentscheiden (Mehr Demokratie e.V.).

Eine niedrige Beteiligung an Wahlen erhöht die Gefahr, dass aktive, gut organisierte Minderheiten ihre Sonderinteressen durchsetzen könnten. Bürgerbeteiligungen könnten von kleinen Gruppen, Oppositionsparteien oder Populisten instrumentalisiert werden.

Der Populismus beschreibt eine von dem Opportunismus geprägte und oft demagogische Politik, die das Ziel anstrebt, die Anerkennung bzw. Zustimmung der Masse durch eine Dramatisierung der politischen Situation, zu gewinnen (Spier, 2014).

Aufgrund dieser Populismusgefahr und politischen Komplexität der Probleme können problematische Politikergebnisse resultieren, was zum Beispiel mit dem Brexit oder dem Minarettverbot in der Schweiz dargelegt werden kann.

Überdies muss die Wahl auf eine Ja–Nein-Wahlmöglichkeit reduziert werden. Solche Ja-Nein Entscheidungen sind nicht immer möglich, da die Themen, Fragen oder Probleme auf Bundesebene zu komplex und vielfältig sind. Damit können keine geeigneten, sachgerechte Entscheidungen herbeigeführt werden, da sie nicht auf Kompromisslösungen beruhen (Mehr Demokratie e.V.; Liebmann, 2021).

Weitergehend sehen Kritiker:innen eine mögliche Entmachtung der Parlamente, die eine wichtige Rolle innerhalb der repräsentativen Demokratie innehaben. Die Entscheidungsfähigkeit dieses Staatsorgans könne durch verstärkte Bürgerbeteiligungen geschwächt werden (Mehr Demokratie e.V.).

Außerdem beteiligen sich an Bürgerentscheidungen überdurchschnittlich viele Gutverdienende und Wohneigentümer:innen, während sozial schwächere Bürger:innen, wie Empfänger:innen von Sozialleistungen eher fernbleiben. Diese abgekoppelte Unterschicht bildet das untere Drittel der Gesellschaft, was als unerwünschte Nebenfolge der direkten Demokratie angeführt werden kann.

Direktdemokratische Elemente beteiligen die Bürger:innen direkt an politischen Entscheidungen. Die direktdemokratische Teilhabe führt zu einem stärkeren Politikinteresse. Auf den ersten Blick erscheint die direkte Demokratie als die ideale Form der Demokratie, auf den zweiten Blick werden die Schwächen der direktdemokratischen Elemente erkennbar.

Persönlich sehe ich positive Aspekte von direktdemokratischen Elementen, sehe jedoch auch gewisse Nachteile, weshalb es mir schwerfällt, mich für oder gegen die Einführung dieser Elemente auf Bundesebene auszusprechen.

Denn einerseits denke ich, dass die Themen, die auf Bundesebene entschieden werden, hauptsächlich komplexe Fragestellungen umfassen, die nicht in einer ja - nein Frage von dem Volk zur Entscheidung gebracht werden können. Als Beispiel lässt sich die aktuelle Debatte zu einer generellen Impfpflicht gegen COVID-19 anführen. Diese Thematik ist sehr komplex, da in der Entscheidung sowohl gesellschaftliche als auch der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte eines einzelnen zur Abstimmung stehen würden. Des Weiteren würden Erwachsene über das Gemeinwohl von Kindern, die nicht wahlberechtigt sind, entscheiden.

Andererseits können die sogenannten ja - nein Abstimmungen vorteilhaft sein, wenn etwa die Frage über die Abschaffung von Kohlekraftwerkbetrieben herangezogen wird.

Direktdemokratische Elemente könnten bei einfachen Fragen, die aber trotz allem von hohem politischem Interesse sind, durchgeführt werden in Form eines Bürgerentscheids, komplexe politische Entscheidungen sollten weiterhin über die parlamentarische Demokratie getroffen werden.

Infolgedessen bin ich der Ansicht, dass direktdemokratische Elemente auf Bundesebene durchaus als Ergänzung zur repräsentativen Demokratie verstanden und eingeführt werden können, solange die Komplexität der Themen und Probleme, über die abgestimmt werden, berücksichtigt werden.

Dieses Video wurde auf YouTube veröffentlicht.

Literaturverzeichnis

  • Heuss, T. (2001). Die deutsche Demokratie im Unterricht. In Einwände gegen die direkte Demokratie M10 (S. 20). Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
  • Liebmann, K. (04. 02 2021). Focus Online. Abgerufen am 12. 12 2021 von https://praxistipps.focus.de/
  • Loesche, D. (01. 12 2017). Statista. Abgerufen am 12. 12 2021 von Deutsche sind von der direkten Demokratie angetan
  • Maier, G. (2011). Demokratietheorien 2 - Die Theorie der repräsentativen Demokratie. In M2 Repräsentation - eine Definition (S. 165). Baden-Baden.
  • Mehr Demokratie e.V. (kein Datum). Abgerufen am 12. 12 2021 von Bürgerrat: https://buergerrat.de/
  • Spier, T. (24. September 2014). Bundeszentrale für politische Bildung. Von https://www.bpb.de/ abgerufen
  • Weber, G. (2001). Demokratien (3) - Die Theorie der direkten Demokratie. In M4 Direkte Demokratie heute (S. 3, 81-82, 120-124). Wiesbaden.
  • Weber, G. (2010). Demokratietheorien(3) - Die Theorie der direkten Demokratie. In M5 Mögliche Formen der Volksabstimmung auf Bundesebene (S. 57-58). Baden-Baden.
Zurück